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Machtspielchen am Amazonas

Brasiliens Amazonas-Politik gerät für Deutschland zunehmend zum Drahtseilakt. Während Berlin die Anzahl seiner Projektpartner erweitern will, strebt Brasília genau das Gegenteil an. Wie geht es weiter?

Entwicklungsminister Gerd Müller beim Besuch der indigenen Gemeinde Iranduba im Bundesstaat Amazonas. Foto: DW/N. Pontes

Weiter zahlen oder Gelder einfrieren? Seit dem dramatischen Anstieg der Rodungen im brasilianischen Amazonasgebiet hat der politische Streit um den Schutz des Amazonas in Brasilien auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit erreicht. Während beim deutschen Umweltministerium die Gelder für Waldschutz-Projekte in Brasilien immer noch auf Eis liegen, schaut sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) nach neuen Kooperationspartnern um. Zu den Kandidaten gehören unter anderem die brasilianische Generalbundesanwaltschaft (Ministério Público Federal, MPF), das internationale Institut für Bildung in Brasilien (IEB), das in die Ausbildung von lokalen Anführern investiert, und Bundesstaaten aus der Amazonas-Region.

Streit um Land für Kleinbauern

Das BMZ bestätigte gegenüber der Deutschen Welle die Entwicklung. "Das Ministerium will beim Amazonasschutz in Brasilien den politischen Dialog aufrechterhalten und das Partnerspektrum der Kooperation weiter diversifizieren", erklärte ein Sprecher. "Außerdem versuchen wir, Themen wie etwa Menschenrechte und Indigenen-Rechte stärker hervorzuheben." In der Praxis heißt dies, dass einige Projekte auf staatlicher Ebene, die in diesem Jahr auslaufen, nicht verlängert werden. Dazu gehört zum Beispiel auch das Programm "Bodenrecht in Amazonien", das seit 2014 vom BMZ unterstützt wird und im April dieses Jahres endet. Mit dem Programm wurde die Vergabe von Landtiteln an Kleinbauern unterstützt. Insgesamt beläuft sich die deutsche Kooperation mit Brasilien zum "Schutz und zur nachhaltigen Nutzung des Tropenwaldes" auf insgesamt 391 Millionen Euro. Nach Angaben des BMZ umfasst dies laufende und bereits beantragte Vorhaben.

Bolsonaro bremst

Seit dem Amtsantritt von Brasiliens Präsident Bolsonaro im Januar 2019 und der Zunahme von Waldbränden und Rodungen stockt die Kooperation. Bei den Regierungsverhandlungen im November 2019 in Bonn wurde vereinbart, die Zusammenarbeit trotz politischer Differenzen fortzusetzen, auch mit der brasilianischen Behörde für die Rechte von Indigenen, genannt Funai. Die Funai machte in den vergangenen Tagen erneut negative Schlagzeilen. Der Grund: Behördenchef Marcelo Augusto Xavier ernannte den evangelikalen Missionar Ricardo Lopes Dias zum neuen Beauftragten für isolierte Völker. Die Ernennung ist national und international umstritten. Auch im BMZ sieht man die Entscheidung kritisch: "Wir treffen uns mit der Funai sowie mit dem Justizministerium und bringen unsere Sorgen zum Ausdruck. Wir setzen uns dafür ein, dass die Funai stärker indigene Vertreter in ihre Vorhaben einbezieht," so ein Ministeriumssprecher.

Staatsanwaltschaft verteidigt Indigene

Die brasilianische Generalbundesanwaltschaft (MPF) legte Einspruch ein. Die Ernennung des Anthropologen und Missionars missachte technische und formale Kriterien und verstoße gegen das seit 1980 geltende Gebot, dass Nicht-Indigene keinen Kontakt mit isolierten Völkern aufnehmen dürfen. Die Behörde hat sich bisher als eine der stärksten Verteidiger indigener Rechte erwiesen. Allein im brasilianischen Bundesstaat Para wies sie die Justiz in 52 Fällen an, den Bergbau in Indigenen-Reservaten zu verbieten. Laut brasilianischer Verfassung müssen vor einer Genehmigung die Betroffenen angehört werden und ihre Zustimmung erteilen.

Nun will sich die deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) an einem Projekt der Bundesanwaltschaft beteiligen, bei dem auf einer digitalen Plattform Informationen über die von traditionellen Völkern bewohnten Gebiete gesammelt werden. Nach einem Bericht auf der Seite der Behörde über die Partnerschaft gehören dazu nicht nur die Gebiete von Indigenen, sondern auch die Siedlungen ehemals geflohener Sklaven in Brasilien, genannt "Quilombo". Durch die Daten soll der Zugang zu einer staatlichen Grundversorgung verbessert und die Existenz der Gemeinden sichtbar gemacht werden. Die GIZ wollte sich zu dem Vorhaben nicht äußern.

Projekte zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung des Amazonas zwischen GIZ und brasilianischen Bundesstaaten gibt es bereits. "Bestehende Kooperationen mit Bundesstaaten können in diesem Zusammenhang noch weiter intensiviert werden", heißt es dazu aus dem BMZ. Bei den deutsch-brasilianischen Regierungsverhandlungen im November 2019 hatte das brasilianische Außenministerium Projekten mit Bundesstaaten zugestimmt.

Retourkutsche für Gouverneure

2019 hatten sich die Gouverneure der Amazonas-Region nach dem Streit der brasilianischen Regierung um den sogenannten Amazonasfonds direkt an die Geberländer Deutschland und Norwegen gewendet. Sie wollten sicher stellen, dass die Finanzierung wichtiger Projekte in ihrer Region weiterhin fortgesetzt wird. Mit diesen eigenmächtigen Verhandlungen könnte nun bald Schluss sein. Denn in dem jüngst wieder belebten Nationalen Rat für Amazonien (Conselho Nacional da Amazônia) ist kein Gouverneur der neun Bundesstaaten aus der Region vertreten. Brasiliens Vize-Präsident Hamilton Mourão, dem der Rat untersteht, stellt klar, warum: "Es braucht ein Kommando. Alle Regierungsorgane müssen sich untereinander abstimmen. Beim Thema Amazonas müssen wir mit einer Stimme sprechen."

Quelle: Deutsche Welle, Autorin: Astrid Prange De Oliveira

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