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Radfahrer erobern die Metropolen

Die Kultur des „Ciclismo“ findet in Lateinamerika immer mehr Anhänger. Sie betätigen sich sportlich, schonen die Umwelt - und stehen nicht Tag für Tag stundenlang im Stau.

Lateinamerika Fahrradfahren Mexiko-City Adveniat

Fahrrad-Pilger in Mexiko-Stadt auf dem Weg zum Marienwallfahrtsort Villa de Guadalupe. Foto (2008): Adveniat/Peter Deselaers

Fahrradfahrer, die die Städte erobern - da fallen einem zuerst Kopenhagen oder Amsterdam ein. Weniger Bogotá oder Buenos Aires. Doch auch in Lateinamerikas Metropolen hat sich längst einiges verändert. In einem Beitrag für die spanische Tageszeitung „El País“ beleuchten der in den USA lehrende Soziologie-Professor Leszek J. Sibilski und Felipe Targa, Experte für den Transport in Städten bei der Weltbank, die Thematik. 

Chronische Verkehrsstaus stellten eines der größten Probleme in zahlreichen Metropolen Lateinamerikas dar, benennen die Autoren das Problem. Deshalb beginne die Politik, in umweltfreundliche Mobilität zu investieren. Seit einigen Jahren verliebten sich mehr und mehr Lateinamerikaner in das Verkehrsmittel Fahrrad. Trends wie Bike-Sharing und Elektrofahrräder breiteten sich aus. 

Einem Index aus dem Jahr 2018 zufolge liegt Bogotá weltweit auf Platz 3 unter den Städten, in denen sich der Verkehr am meisten staut. Als Vierter und Fünfter folgen Mexiko-City und São Paulo. Die Studie kam auf 272 Stunden, die Autofahrer im Jahr stau-bedingt verlieren. Der Stau wird in Lateinamerika häufig „trancón“ genannt, ein wahres Synonym für Frust.

Fahrrad-Urknall 1974 in Bogotá

Schon früh zeigten Radfahrer Flagge: Am 15. Dezember 1974 sperrten die Behörden von Bogotá die Straßen drei Stunden lang für den Autoverkehr. Tausende von Radbegeisterten hatten 12 Kilometer der Avenidas, der großen Prachtstraßen im Zentrum der kolumbianischen Hauptstadt, endlich einmal für sich alleine. Es war die Geburtsstunde des „Ciclovía“ („Radweg“). Aus einem Bürgerprotest entwickelte sich nach und nach ein Festtag. Heute gehören den Radfahrern in Bogotá an Sonn- und Feiertagen von 7 bis 14 Uhr fast 50 Kilometer an Straßen. 

2007 wollte ein Kongressabgeordneter Ciclovía gesetzlich verbieten lassen. Begründung: Es komme zu Staus. Eine Reihe von weiteren engstirnigen Politikern schlossen sich dem letztlich erfolglosen Vorstoß an.

Beim gemeinsamen Radfahren spielt die soziale Herkunft keine Rolle 

Bis zu zwei Millionen Menschen, etwa ein Viertel der Hauptstadtbevölkerung, schwingen sich an den Feiertagen zwischen 7 und 14 Uhr in den Sattel. Fast die Hälfte von ihnen fährt mindestens drei Stunden. Wirtschaftsfördend ist Ciclovía zudem: Die Straßenverkäufer machen ein gutes Geschäft. Ciclovía-Direktorin Bibiana Sarmiento hebt einen weiteren Aspekt hervor: In einer stark nach Schichten geordneten Gesellschaft, wie der kolumbianischen, spiele beim gemeinsamen Radfahren die soziale Zugehörigkeit einmal keine Rolle. Jeder und jede sei willkommen, alle seien hier gleich. Die Kosten des Ciclovía-Events betragen weniger als zehn US-Cent pro Woche und Fahrer. In Hunderten anderen Städten auf der ganzen Welt wird inzwischen Ähnliches veranstaltet. Die Bürger erobern den städtischen Raum, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit. Bogotá verfügt derzeit über Fahrradrouten in einer Gesamtlänge von 480 Kilometern. Es werden immer mehr. 

Halber Tag Urlaub für fleißig radelnde Beamte in Kolumbien 

Bei Umfragen, warum das Fahrrad als Verkehrsmittel genutzt wird, erhält man in Lateinamerikas Metropolen dieselben Antworten wie in Kopenhagen und Amsterdam: Vor allem lasse sich Zeit sparen. In Kolumbien schafft seit 2016 sogar ein Gesetz Anreize fürs Fahrradfahren. Darin ist die Rede von den negativen Auswirkungen des motorisierten Verkehrs auf die Umwelt. Beamte erhalten einen halben freien - und bezahlten! - Tag für nachgewiesene 30 Tage, an denen sie mit dem Fahrrad zur Arbeit gekommen sind. Mindestens zehn Prozent der Park-Fläche an öffentlichen Gebäuden müssen im "Velo-Schlaraffenland" für Fahrräder zur Verfügung stehen.

Auch Peru hat kürzlich mit einem Gesetz dem Verkehrsmittel Fahrrad den Rücken gestärkt, weitere lateinamerikanische Länder streben eine systematische Förderung des umweltfreundlichen Fahrradverkehrs in Großstädten an. Auf dem „Copenhagenize Index“ für 2019 liegt Bogotá immerhin auf Platz 12 der fahrradfreundlichsten Städte der Welt - vor Berlin, Barcelona und Vancouver. Vielleicht hält auch schon bald Lima die lateinamerikanische Fahne hoch. In Perus Hauptstadt werden immer mehr Straßen für einen sicheren Fahrradverkehr hergerichtet. Der Kultur des „Ciclismo“ kommt vor dem Hintergrund des Klimawandels weitreichende Bedeutung zu. 

Quelle: El País, deutsche Bearbeitung: Bernd Stößel

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