Brasilien: Bolsonaro droht WHO mit Austritt
Wie zuvor Donald Trump stellt sich nun auch Brasiliens Präsident Bolsonaro gegen die Weltgesundheitsorganisation. Er droht der WHO mitten in der Corona-Pandemie mit einem Austritt und wirft ihr "ideologisches Handeln" vor.
Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat mit einem Austritt seines Landes aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO gedroht. Bolsonaro beschuldigte die Organisation, "politisch", "parteilich" und "ideologisch" zu handeln, wie aus übereinstimmenden Berichten brasilianischer Medien vom Wochenende hervorgeht. Am Donnerstag hatte die Panamerikanische Gesundheitsorganisation PAHO, ein regionaler Arm der WHO, 24 Millionen Dollar an ausstehenden Beitragszahlungen für 2019 und 2020 von der Regierung Brasiliens reklamiert.
"Wir brauchen niemanden, der uns aus dem Ausland in unsere Gesundheitspolitik reinredet", sagte Bolsonaro daraufhin. Bolsonaro erinnerte auch daran, dass die USA bereits ihren Austritt aus der WHO erklärt hätten. Tatsächlich hat US-Präsident Donald Trump bislang nur einen Austritt und ein Ende der Beitragszahlungen angekündigt. Von Mitgliedern der Regierung Brasiliens ist regelmäßig zu hören, dass China die Pandemie geplant habe, um mehr Macht in der Welt zu gewinnen; die WHO helfe dem kommunistischen Regime dabei.
Unterdessen verhöhnte am Freitag ausgerechnet US-Präsident Trump, der Bolsonaro als Vorbild dient, Brasiliens Strategie gegen die Pandemie. Wäre man dem Beispiel Brasiliens oder Schwedens gefolgt, hätten die USA bereits "eine, eineinhalb, zweieinhalb Millionen Tote oder gar noch mehr", so Trump. Bislang wurden in den USA rund 110.000 Corona-Tote registriert. Vor wenigen Tagen sperrte Trump den US-Flugraum für Flüge aus Brasilien. Er werde nicht zulassen, dass US-Bürger von den Ausländern angesteckt würden.
Kritik an Brasiliens Umgang mit der Corona-Pandemie
Obwohl sich die Corona-Zahlen derzeit rasant beschleunigen, werden die Einschränkungen in vielen Regionen des Landes in diesen Tagen gelockert. Insgesamt wurden bislang rund 673.000 Infektionen und 36.000 Todesfälle registriert.
Das Gesundheitsministerium bezeichnet die Zahlen als künstlich aufgebläht. Die Teilstaaten wollten sich damit mehr Hilfsgelder vom Bund erschleichen. Experten gehen dagegen von einer hohen Dunkelziffer aus; die tatsächlichen Corona-Zahlen lägen deutlich höher. Landesweit haben sich die Todesfälle durch Atemwegserkrankungen vervielfacht.
Brasiliens Corona-Management stößt bei Experten im In- und Ausland auf scharfe Kritik. Nachdem seit März zwei Gesundheitsminister wegen Meinungsverschiedenheiten mit Bolsonaro beim Einsatz des umstrittenen Malariamittels Chloroquin gehen mussten, wird das Ministerium derzeit interimsmäßig von einem General geleitet. Dieser hat die Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums eingeschränkt.
Gleichzeitig kündigte die brasilianische Regierung gestern an, keine offiziellen Statistiken aller Corona-Infektionszahlen mehr im Internet veröffentlichen zu wollen. Stattdessen werden nur noch die Zahlen der vergangenen 24 Stunden abgebildet, berichtet Deutsche Welle. Bolsonaro begründete den Schritt auf Twitter damit, dass Fallkurven über einen längeren Zeitraum nicht die wirkliche Entwicklung der Pandemie abbildeten, da sie bereits genesene Patienten mit einschlössen. Regionale Gesundheitsbehörden kritisieren hingegen, dass Bolsonaro damit die Zahl der Opfer verschleiern wolle.