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Peru: "Armut tötet" - Corona-Krise verstärkt soziale Kluft

In den ländlichen Regionen Perus breitet sich das Coronavirus immer mehr aus. Vor allem die Indigenen fühlen sich, wie so oft, von der Regierung alleingelassen. Die Unzufriedenheit über mangelnde Gesundheitsversorgung und bereits länger schwelende Land- und Umweltkonflikte bricht sich erneut in Protesten Bahn. Wie die Corona-Krise sich auf dem Land auswirkt, erklärt Melania Canales Poma, Vorsitzende der indigenen Frauenorganisation ONAMIAP (Organización Nacional de Mujeres Indígenas Andinas y Amazónicas del Perú).

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Marktszene in Espinar, Peru. Foto: Knut Henkel

In Peru steigen die Infektionszahlen weiter an. Inwieweit sind die indigenen Völker Perus davon betroffen und welche Defizite deckt die Pandemie auf?
 
Das Virus hat sich von den Städten an der Küste aus, vor allem aus Lima weiterverbreitet. Ab Mai, Juni gab es die ersten Infektionsfälle in der Amazonasregion und mittlerweile ist das Virus im Altiplano, im andinen Hochland, Perus angekommen. Puno und Cusco sind genauso betroffen wie Ayacucho oder Arequipa. 

Mit der Pandemie bekommen die indigenen Völker Perus wieder einmal vor Augen geführt, dass es keine indigenen Institutionen gibt. Uns fehlen eigene Organe, eigene Autoritäten, mehr Autonomie in den Regionen, wo der Staat oft nicht präsent ist. Zudem werden während der Pandemie Grundrechte der indigenen Völker verletzt, Landrechte vor allem. Aber auch beim ökonomischen Neustart wurden die indigenen Völker benachteiligt. Die Regierung in Lima denkt vor allem an die großen Unternehmen, nicht an Kleinbauern oder Genossenschaften – die werden meistens vergessen. 
 
Zudem setzt die Regierung auf den Bergbau als Lokomotive der Wirtschaft.
 
Ja, dazu ein Beispiel: Der Bergbau, der oft im abgelegenen andinen Hochland angesiedelt ist, wurde vom Lockdown ausgeklammert. Aber mit der Fördertätigkeit geht ein Infektionsrisiko einher, weil es immer wieder mit Corona infizierte Bergarbeiter gegeben hat. Die Angst, dass das Virus mit den Arbeitern in die Gemeinden eingeschleppt wird, ist real. Und ein Risiko ist es deshalb, weil das Gesundheitssystem in den abgelegenen Regionen Perus besonders schwach ist.

Ein anderes Problem ist die Tatsache, dass große Flächen für den Bergbau konzessioniert sind. Wir reden von der gigantischen Fläche von 15 Millionen Hektar, wovon sich ein Teil auf indigenem Gebiet befindet. Das sorgt immer wieder für Konflikte.
 
Zwei Konflikte haben in den letzten Wochen Schlagzeilen gemacht: einer in Loreto um ein Erdölförder-Camp eines kanadischen Unternehmens und ein weiterer in Espinar um ein Kupferbergwerk.
 
In Loreto hat es Anfang August einen Aufstand der lokalen Gemeinde gegeben, weil austretendes Öl immer wieder zu Umweltverschmutzungen geführt hat. Zudem fühlen sich die Menschen mit der Corona-Pandemie alleingelassen: Es fehlt ein lokales Krankenhaus und Infrastruktur. Die Leute haben auch den Eindruck, dass sie am Erdölreichtum nicht partizipieren. 

In der Region um Espinar wird seit mehr als 30 Jahren Kupfer gefördert, und die Bevölkerung klagt über Gesundheitsprobleme und kontaminiertes Wasser. Aber die Regierung hat sich, wie so oft, nicht darum gekümmert. Für die Menschen ist das eine bittere Erfahrung, die sich derzeit auch in den Protesten manifestiert. Die entbrannten, weil sich die Betreiber der Kupfermine Antapaccay weigerten, aus einem Entwicklungsfonds Gelder für eine Nothilfe freizugeben, obwohl das Geld den Gemeinden zusteht. Daraufhin gab es Streiks, mittlerweile wurde ein Kompromiss gefunden. 
 
Fühlen sich die indigenen Völker durch die Regierung schlecht vertreten?

Generell ja. Die Grundrechte der indigenen Bevölkerung in Peru werden immer wieder verletzt, und das macht uns Sorgen. Ein Beispiel ist die Consulta popular, die öffentliche Befragung der Anwohner, die bei geplanten großen Bergbau- und Infrastrukturprojekten laut Gesetz vorgeschrieben ist. So hat es kürzlich den Vorschlag gegeben, die Consulta während der Pandemie online durchzuführen. Doch wir reden über eine Bevölkerung, die in vielen Fällen nicht digitalisiert ist, deren Muttersprache nicht Spanisch ist. Tatsache ist, dass es in indigenen Dorfgemeinschaften Perus oft kaum Rechner gibt.

Hinzu kommt das Problem der weit verbreiteten Korruption, die wichtige Abstimmungsprozesse unterminieren könnte. Das sind nur zwei vieler Defizite, mit denen wir es zu tun haben. 
 
Wie steht es um die Gesundheitsversorgung auf dem Land?
 
Die Tendenz zur Privatisierung der Gesundheitsversorgung ist das eine, das Fehlen einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung das andere. Darunter leiden die Dorfgemeinschaften, ob in der Amazonas- oder den andinen Regionen Perus. Am Coronavirus sterben die Menschen, die kein Geld haben. Denn die Ärzte halten die Hand auf - Armut tötet.

Interview: Knut Henkel

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