Kritik an Boliviens Übergangspräsidentin wegen Präsidentschaftskandidatur
Die Übergangspräsidentin Boliviens Jeanine Áñez hat durch ihre überraschende Entscheidung, bei den Präsidentschaftswahlen im Mai doch anzutreten, viel Kritik von Politikern aus verschiedenen Lagern bekommen. Zuvor hatte die konservative Politikerin im Staatsfernsehen erklärt, sie werde selbst kandidieren und eine „neue Phase“ des „demokratischen Übergangs“ einleiten, berichtet die Tageszeitung „La Razón“. Lange hatte Áñez ihre eigene Kandidatur ausgeschlossen.
Aus Protest gegen die Entscheidung der Ex-Senatorin war zunächst Kommunikationsministerin Roxana Lizárraga zurückgetreten. Sie kritisierte, Áñez habe ihr Übergangsmandat überschritten undunterscheide sich in ihrer Machtpolitik „nur wenig von den Praktikten von Evo Morales“. Sowohl die „Nutzung des staatlichen Fernsehens für Wahlkampf“, als auch die Ernennung des Präsidenten des Nationalen Wahlgerichts durch die Interimspräsidentin seien ein „Angriff auf die Demokratie“, zitiert die Tageszeitung „Página Siete“ die zurückgetretene Ministerin.
Die Kandidatur der Politikerin ist ein weiterer Schritt in Richtung Zersplitterung politischer Allianzen. Der bei den Wahlen im November zweitplatzierte Carlos Mesa erklärte, die Kandidatur sei „ein großer Irrtum“. Die 52 Jahre alte Ex-Senatorin sei „nicht ins Amt gekommen, um als Präsidentin zu kandidieren“. Ihr „einziges Mandat“ sei die Organisation von Wahlen, so Mesa. Auch der rechts-konservative Präsidentschaftskandidat Luis Camacho und der neoliberale Mitbewerber Samuel Medina kritisierten die Entscheidung. Aus dem Exil in Argentinien erklärte Morales, die Kandidatur sei „nicht ethisch“. (bb)