Ecuador: Im Bananenanbau droht eine Pleitewelle
Sieben Agrarminister Lateinamerikas haben die Alarmglocke geläutet. Steigende Preise für Container, Kartonagen, Verpackung und Agrar-Inputs sorgen dafür, dass viele Bananenproduzenten kaum mehr etwas verdienen. Eine Pleitewelle könnte die Folge sein. Die zeichnet sich in Ecuador bereits ab.
Edwin Benito Ordoñez hat gerade die Einladung zur Versammlung verschickt. Alle ihm bekannten Bananenbauern aus der Region von Machala in Ecuador sollen sich im Saal der Asociación de Bananeros Orenses (Vereinigung der Bananenbauern von El Oro) treffen, um über die düstere Situation zu sprechen. „Vielen steht das Wasser bis zum Haus. Vor allem denen, die, so wie ich, keine festen Abnahmeverträge haben. Wir müssen die Kiste Bananen manchmal für drei US-Dollar verkaufen. Das ruiniert uns“, sagt der kräftige 44-jährige Bananenbauer und Rechtsanwalt.
Er ist bekannt unter den Bananenbauern der Region, denn lange hat er für die Kleinbauernorganisation UROCAL gearbeitet und gemeinsame Interessen in der Region vertreten. Doch diesmal weiß auch Ordoñez, der Bio-Bananen und etwas Kakao auf sieben Hektar anbaut, nicht weiter. „Der vom Staat vorgegebene Mindestpreis pro Kiste mit 18,14 Kilogramm Bananen liegt bei 6,25 US-Dollar. Für Bio-Bananen sind es normalerweise 9,20 US-Dollar. Doch derzeit erhalte ich nur 7,50 US-Dollar und manchmal muss ich die Bio-Ware zum konventionellen Preis verkaufen“, klagt er. Schlimmer noch. Hin und wieder fahren Ordoñez und andere Kleinbauern aus dem kleinen Weiler, wo er lebt und arbeitet, die geerntete Ware zur Püree-Fabrik und erhalte nur ein paar Cent pro Kilo.
Dumping, steigende Preise und kaum Hilfe
Der Druck auf die Kleinbauern im Süden Ecuadors, in den Verwaltungsbezirken El Oro, Los Ríos und Guayas ist spürbar gestiegen. Das liegt nicht nur am Preis-Dumping der aufkaufenden Unternehmen, sondern auch an gestiegenen Kosten. Die hätten sich fast verdoppelt, so Ordoñez. Neben den gestiegenen Preisen für Kartonagen, Verpackung und Agrarinputs, wie Düngemittel, sind dafür die Preise für Container und Transport verantwortlich. Darunter haben Produzenten rund um den Globus zu leiden. Die Blechkisten sind ausgerechnet da knapp, wo sie benötigt werden. Auch die Treibstoffkosten kennen derzeit nur eine Richtung: nach oben.
„All das zieht uns die Schlinge um den Hals immer enger. Wir steuern auf eine Pleitewelle zu“, befürchtet Ordoñez. Die könnte in Ecuador, dem größten Bananenexporteur Lateinamerikas, tausende Kleinbauern treffen, die oft auf nur fünf bis zehn Hektar im Familienverbund anbauen. Erste Kreditprogramme hat die Regierung in Quito aufgelegt. Doch die ändern nichts an den strukturellen Problemen. Die Ankaufpreise der großen Fruchtkonzerne und Supermarktketten sind rückläufig. Erst 2020 hat Aldi den Ankaufpreis für die krummen Früchte um neun Prozent gesenkt. Argument damals: billigere Frachtkosten aufgrund von rückläufigen Diesel- und Schwerölpreisen.
Wenig Bauern sind gewerkschaftlich organisiert
Doch schon damals klagten Kleinproduzenten über Preisaufschläge bei Kartonagen, Verpackung und Co.. „Die großen“, so Jorge Acosta, Koordinator der einzigen Branchengewerkschaft Ecuadors, „sind davon nicht betroffen – sie haben längst derartige Fabriken übernommen“. ASTAC, so der Name der Gewerkschaft, die erst im Januar nach mehr als einem Dutzend Jahren der juristischen Scharmützel offiziell registriert wurde, bietet auch Kleinbauern Unterstützung an. Doch bisher sind koordinierte Aktionen die Ausnahme, denn Gewerkschaften wurden über Jahrzehnte stigmatisiert und sind unter den 200.000 Plantagenarbeitern des Landes kaum sichtbar. 3.000 Mitglieder hat ASTAC und wer sich outet, fliegt. So lautete die jahrelange Realität. Doch daran könnte sich etwas ändern. Gerade die Existenzkrise unter den Kleinbauern könnte den Prozess der gewerkschaftlichen Organisation beschleunigen.
Agrarminister beraten über "Bananenkrise"
Die Existenzkrise hat Mitte Januar erstmals die Agrarminister von sieben Anbauländern auf den Plan gerufen. Die Verkaufspreise lägen immer öfter unter den Produktionspreisen, kritisierten die Regierungen von Ecuador, Kolumbien sowie den mittelamerikanischen Anbauländern Costa Rica, Panama, Honduras und Guatemala. Einzig die Dominikanische Republik hatte sich der Initiative aus der Karibik angeschlossen, die eine soziale Verantwortung entlang der gesamten Lieferkette einfordern. Folgerichtig sind auch die deutschen Importeure angesprochen.
Die agieren zwar meist separat, aber die langjährige Kritik an Arbeitsbedingungen, Gewerkschaftsfeindlichkeit und Umweltstandards von Nichtregierungsorganisationen sowie gute Beispiele in England haben durchaus Effekte. Dazu zählt das Pilotprojekt zur Umsetzung existenzsichernder Löhne im Bananensektor. Das wurde am 9. Dezember von den beteiligten deutschen Supermarktketten, unter Vermittlung der deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), der deutschen Botschaft in Quito sowie von Landwirtschaftsminister Pedro Álava González gemeinsam mit Vertretern des Bananenclusters Ecuadors auf den Weg gebracht. Erklärtes Ziel sei das gemeinsame Handeln hin zu existenzsichernden Löhnen im Bananensektor abzustimmen, um einen nachhaltigen Wandel zu ermöglichen, so formulierten Vertreter der Supermarktketten, die alle mit Ausnahme von Edeka an der Initiative teilnehmen, das Ziel. So soll den mindestens 200.000 Menschen vor Ort, die im Bananensektor des Landes arbeiten, eine sichere Lebensgrundlage geboten werden.
Bananenproduzenten wollen protestieren
Eine positive Initiative aus Perspektive von Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam. Aber auffällig ist, dass Arbeitnehmerorganisationen nicht beteiligt sind, die schließlich am besten wissen, welche Hürden und Defizite auf dem Weg zum existenzsichernden Lohn abgebaut werden müssen. Jorge Acosta von ASTAC führt das zum einen auf die Stigmatisierung der Gewerkschaften in Ecuador zurück, die nur zwischen 1,5 und 3 Prozent der Arbeitnehmer vertreten, zum anderen auf den Unwillen der Branchenverbände. Lange Zeit war es üblich, gewerkschaftlich organisierte Plantagenarbeiterinnen und -arbeiter zu entlassen.
Das wird mit der Zulassung der ASTAC schwieriger, auch wenn das Arbeitsministerium noch keine Schutzmechanismen vorgestellt hat. Die sind überfällig. Gleiches gilt für die Einladung der Gewerkschaft zur bilateralen Initiative für existenzsichernde Löhne. Erste Initiativen für deren Umsetzung sollten aber zügig kommen, denn nicht nur auf den großen Plantagen, sondern eben auch bei den Kleinproduzenten ist die Situation derzeit prekär. Proteste, Straßenblockaden stehen nächste Woche an, um auf die Situation aufmerksam zu machen, prognostiziert Edwin Benito Ordoñez.