Zwischen Slums und rotem Teppich
Für die kleine Maria ist es der Besuch eines blonden Engels. Minutenlang starrt das siebenjährige Mädchen mit weit aufgerissenem Mund auf die zierliche Frau mit den Engelshaaren. Dann nimmt sie ihren ganzen Mut zusammen, spaziert auf die fremde und doch so vertraute Frau zu und streichelt ihr über die blonde Mähne.
Ja, sie ist es wirklich: Shakira Melbarak steht plötzlich mitten im Klassenzimmer. Unangekündigt und wie ein Wirbelwind huscht der Weltstar aus dem Fernsehen durch die Räume der Schule "Pies descalzos" in der Stadt Quibdo in der Provinz Choco. Hier ist die afrokolumbianische Bevölkerung zu Hause. Es ist brütend heiß, die Luftfeuchtigkeit ist unerträglich. Selbst Shakira, die normalerweise nie schwitzt, fließt der Schweiß aus allen Poren. Sie liebt diese unangekündigten Besuche. Gleich fünf Schulen hat sie mit ihrer Stiftung "Pies descalzos" bereits in ihrem Heimatland bauen lassen. Das Schulgelände in Quibdo ist eine der ersten Einrichtungen, deswegen trägt es den Namen der Stiftung.
Gefährliche Heimat des Popstars
Die Provinz Choco ist ein gefährliches Pflaster. Hier - weit weg von der kolumbianischen Hauptstadt Bogota - tobt der Drogenkrieg. Hier liefern sich die brutalen Rebellen der linksgerichteten Farc-Guerilla und die nicht minder skrupellosen rechten Paramilitärs täglich Gefechte. Es geht vor allem um die Beherrschung der Drogenanbaugebiete und der Schmuggelrouten. Die Armee kämpft gegen beide Seiten, oft bleiben zivile Opfer auf der Strecke, wenn die Bevölkerung zwischen die Fronten gerät.
Doch der Rest des Landes verschließt die Augen vor dieser unangenehmen Wahrheit. Shakira ist nicht das erste Mal hier. In der Regel hält sie ihre Besuche geheim. In dieser umkämpften Zone muss nicht jeder wissen, wenn Prominenz im Anmarsch ist. Die kriminellen Banden schrecken auch vor Entführungen von Prominenten nicht zurück. Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt kann ein Lied davon singen.
Um ihre Schule zu besuchen, muss sie das schwer gepanzerte Fahrzeug verlassen. Die letzten 200 Meter geht es nur noch zu Fuß weiter. Die letzten Schritte führen über eine Brücke, die aus einem nur schmalen Brett besteht. Sie fällt nicht nur auf, weil sie Shakira ist, sondern auch weil hier fast nur dunkelhäutige Menschen leben.
Kinder sind das Potential für bessere Zukunft
Nun genießt Shakira die Blicke und die Fragen der Kinder. "Ich habe viel Glück gehabt in meinem Leben. Ich habe geschworen, etwas davon abzugeben", begründet sie ihr Engagement. Deswegen baut sie dort Schulen, wo der Staat die Hoffnung längst aufgegeben hat. In den Slums von Bogota ebenso wie in ihrer Heimatstadt Barranquilla oder hier in der bettelarmen Provinz Choco.
"Wenn ich in diese Augen sehe, dann sehe ich ein Potential, das wertvoll für die Gesellschaft sein kann. Wir dürfen dieses Potential nicht einfach liegen lassen", mahnt sie ihre Landsleute. Mehr als 10.000 Kinder drücken in ihrer Heimat bislang die Schulbänke in von ihr finanzierten Schulen. Und es sollen noch mehr werden.
Hilfsaktionen von Prominenten sind nichts Außergewöhnliches, dennoch ist sie eine Ausnahme. Denn Shakira informiert sich vor Ort und persönlich über den Erfolg ihrer sozialen Arbeit. Sie kommt unangekündigt, ohne großen Medientross und selbst die wenigen Journalisten, die mitreisen dürfen, müssen bei besonders bewegenden Momenten draußen bleiben.
Gute Kontakte zur Politik
Längst ist Shakira in Lateinamerika so etwas wie eine Anwältin der Armen geworden. Sie hat aufgrund ihrer Prominenz Zugang zu den Mächtigen des Kontinents. Sie fordert in den Präsidentenpalasten von Santiago bis Bogota, von Buenos Aires bis Mexiko-Stadt vor allem mehr Kampf gegen die Armut.
Immer wieder verkündet sie ihre Botschaft: „Wir alle wissen, dass die Erziehung und Bildung der Schlüssel sind, um die Talente unserer Kinder zu entwickeln. Und sie sind ein machtvolles Instrument, um den Kreislauf der Armut zu durchbrechen.“ Was jetzt noch kommen könne, fragen sich nicht nur ihre Fans. In der Heimat verehrt wie eine Göttin, eine kommerzieller Erfolg, der seines gleichen sucht und weltweite Kontakte, die sich so mancher Staats- und Regierungschef wünscht. Ihre Antwort ist simpel: „Ich will weiter Musik machen und noch viel mehr Schulen bauen.“
Autor: Tobias Käufer