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Argentinien |

Wiedererstarkter Kirchnerismus auf dem Land

Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner sieht politischen Beobachtern zufolge am 23. Oktober einer ziemlich sicheren Wiederwahl entgegen. Vor drei Jahren wäre damit kaum zu rechnen gewesen: Der Regierung blies gerade in ländlichen Regionen heftiger Wind ins Gesicht. Zu Unrecht, meint Guillermo Martini.

Guillermo Martini (58), als Staatssektretär im argentinischen Landwirtschafsministerium für "Familien"-Landwirtschaft zuständig, verbrachte während der Diktatur fünf Jahre in Gefängnissen. Ein politisch ebenfalls aktiver Bruder wurde umgebracht. Martini gehört einer politisch engagierten Generation an, die von der Militärdiktatur (1976 – 1983) verfolgt wurde. Ihre Angehörigen wurden von den neoliberalen Regierungen der Demokratie ausgeschlossen und betraten erst 2003 mit der Wahl von Néstor Kirchner zum argentinischen Präsidenten die politische Bühne.

Von der Krise auf dem argentinischen Land zur fast sicheren Wiederwahl Cristina Kirchners. Was ist da passiert?

Die Regierung Kirchner beabsichtigte, kurz gesagt, die Steuern auf Exporte anzuheben. Die hiervon betroffenen Wirtschafssektoren und ihre politischen Repräsentanten fanden den idealen Vorwand, um den angestoßenen Prozess einer Umverteilung des nationalen Einkommens zu bremsen. Unter Führung der großen monopolistischen Medien in Argentinien wurde eine Kampagne gegen die Kirchner-Regierung gestartet, die durchaus Erfolg hatte und sich die Ablösung der Präsidentin und die Blockierung ihres Entwicklungsmodells zum Ziel setzte. Straßensperren, eine Nichtbelieferung der Städte, Drohungen und Aggressionen gehörten hierbei zur Strategie der Kirchner-Gegner. Das Ganze wurde orchestriert von den konservativsten Kräften der argentinischen Agrarwirtschaft, die die alte Grundbesitzeroligarchie beerbt haben und nach wie vor die Militärdiktatur verteidigen.

Aber schlugen die Kirchner-Gegner nicht auch aus Fehlern der Regierung Kapital?

Ja, es gab politische Fehler und auch Fehler in der Kommunikation der Regierung. Diese verlor zeitweise die kulturelle “Schlacht” und das, was den Peronismus (Anmerkung: in dessen Tradition der “Kirchnerismus” steht) ausgezeichnet hatte. Sprich: die Mobilisierung der Straße und die politische Initiative. Dies ermöglichte es den Gegnern, im Diskurs die Hegemonie zu erobern. Die Kirchner-Gegner appellierten erfolgreich an das argentinische Nationalgefühl. Bei den Mobilisierungen und Straßensperren waren haufenweise argentinische Fahnen zu sehen, die Nationalhymne wurde ohne Unterlass gesungen, aber auch Bilder der Jungfrau Maria kamen zum Einsatz. Kurioserweise machten sich auch einige städtische Sektoren die Losung “Wir alle sind das Land” zu eigen.

Und was brachte schließlich die Wende in diesem Konflikt?

Es gab mehrere Faktoren. Auf dem Land schuf die Kirchner-Regierung institutionelle Räume, um sich der kleinen und mittleren Agrarproduzenten anzunehmen – viele von ihnen hatten während der Krise die großen Exporteure unterstützt, in einer Art selbstmörderischer Haltung. Parallel hierzu erholte sich die Produktivkraft, und die Kaufkraft der Bevölkerung auf dem Land nahm wieder sehr schnell zu.

Gleichzeitig wirkten sich Umverteilungsmaßnahmen stark aus. Hier ist nicht zuletzt die Anhebung des Reallohns zu nennen. Es gab auch einen Pensionsplan für Personen, die nicht ins Rentensystem eingezahlt hatten. Die Regierung erhöhte deutlich die Renten. Dies alles geschah in einem neuen Klima des Dialogs, was es ermöglichte, dass dem “Putschversuch” gegen die Präsidentin der Wind aus den Segeln genommen wurde. Positiv war auch die Einführung von Vorwahlen in Argentinien, fast einmalig in Lateinamerika. Sie sorgen für direkte Demokratie.

Interview: Sergio Ferrari in Adital, deutsche Bearbeitung: Bernd Stößel

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