Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Honduras |

Widerstand mit Kreativität und Sanftmut

Die honduranische Sängerin Karla Lara ist Feministin und politische Aktivistin. In ihrer Heimat wird sie „Stimme des Widerstands“ genannt. Im Interview spricht Lara über die Menschenrechtslage in Honduras und die im November anstehenden Wahlen.


Frau Lara, Sie haben gegen den Militärputsch von 2009 in Honduras mit der Veröffentlichung einiger Widerstandslieder protestiert – in einem Land mit einer der höchsten Mordraten in der Welt. War das ein mutiger Akt?

Ich glaube es war das, was ich machen musste. Musik mache ich schon lange, und als es zum Putsch kam, konnte ich nicht anders, als zu den Vorgängen auf meine Weise Position zu beziehen. Ich bin eine öffentliche Person und mache sozial engagierte Musik. Eines der Lieder, die wir aufgenommen haben, war eine neue Version der honduranischen Nationalhymne. In unser Kultur ist die Nationalhymne ein Symbol der Macht – es ist ein kriegerischer Militärmarsch. Zusammen mit Yeco Hernández haben wir daraus ein „Trova“-Lied gemacht. Mit Kreativität und Sanftmut haben wir versucht, uns die Nationalhymne wiederanzueignen – um sie den Menschen wiederzugeben.

Honduras ist vor allem für Menschenrechtler und kritische Journalisten ein gefährliches Land. Allein nach dem Putsch 2009 wurden bereits 26 Journalisten umgebracht. Es gibt Beobachter, die sagen, Menschenrechtsverletzungen hätten in den vergangenen Jahren sogar zugenommen.

In Honduras ist die Mehrheit der Bevölkerung großen Risiken ausgesetzt. Meiner Auffassung nach gibt es eine staatlich verordnete Vernichtungspolitik, die sich gegen verschiedene Gruppen richtet, vor allem gegen Frauen und die Jugend. Ganz gewöhnliche Bürger werden tagtäglich umgebracht. Und daran, wie schlimm die Ermordeten oft zugerichtet sind, ist unschwer zu erkennen, dass es ein systematisches Vorgehen ist. Vor kurzem sind mehrere Leichen zerstückelt und in Plastiktüten verpackt an öffentlichen Orten aufgetaucht. Damit soll gezeigt werden, dass es jeden treffen kann. Ganz bewusst wird Angst verbreitet. Und vor allem jene, die die Menschenrechte verteidigen, befinden sich in Gefahr – Journalisten oder Anwälte, aber auch Bauern, die Widerstand leisten. Zunehmend werden die Menschen, die sich einmischen, von staatlicher Seite kriminalisiert und gerade werden etwa Prozesse gegen einige Frauen geführt. Das sind politische Prozesse, in denen auch schon einmal vorbeugend Gefängnisstrafen ausgesprochen werden. Dabei sind Frauen als Mütter besonders verletzlich, zum Teil werden ihre Kinder bedroht. Darum leben meine Kinder auch im Ausland.

Sie sind Mitglied im „Nationalen Netzwerk der VerteidigerInnen der Menschenrechte” („Red Nacional de Defensoras de Derechos Humanos“). Was macht dieses Netzwerk genau?

Wir begleiten Menschenrechtler, die aufgrund ihrer Arbeit Probleme haben, zum Teil juristisch, aber auch psychologisch oder dadurch, dass wir uns um ihre Familien kümmern. Zum anderen versuchen wir langfristige, nachhaltigere Strategien für die Menschenrechtsarbeit zu entwickeln und dabei auch Räume für den freien Austausch zu etablieren. Zuletzt geht es um uns selbst, unsere Sicherheit und unser allgemeines Wohlbefinden.

Im November finden in Honduras Wahlen statt. Antreten wird dabei auch die „Partei der Freiheit und der Neugründung” (Partido Libertad y Refundación/LIBRE), die neue Mitte-Links-Partei des 2009 aus dem Amt gepuschten Ex-Präsidenten Manuel Zelaya, mit seiner Ehefrau Xiomara Castro als Spitzenkandidatin. Hat LIBRE Chancen, die Wahl zu gewinnen?

Es gibt jetzt schon deutliche Hinweise, dass es zu Wahlfälschungen kommen wird. Ich glaube nicht, dass die Rechten 2009 geputscht haben, um jetzt zuzulassen, dass Ciomara zur Präsidentin gewählt wird.

Und was halten Sie von der Unificación Democrática (UD), die als Zusammenschluss mehrerer linker Gruppen und Parteien bereits vor dem Putsch gegründet wurde?

Ich glaube, dass es ein Fehler der UD war, an den 2009 nach dem Putsch durchgeführten Wahlen teilzunehmen. Man hat es gemacht, um nicht von der politischen Bildfläche zu verschwinden. Es ist eine kleine Partei, und mit einem Wahlboykott hätte die UD ihren Parteistatus verloren. Noch kritischer sehe ich allerdings, dass sich die UD anschließend an der „Regierung der Nationalen Einheit” beteiligt und das Landwirtschaftsministerium übernommen hat. Damit hat sich die UD an einem perversen Spiel des Establishments beteiligt, ohne eine wirklich andere Politik zu betreiben.

Für Sie sind die Wahlen also kein Ereignis, durch die Sie sich Veränderungen erhoffen?

Ich kann nicht sagen, dass sie kein wichtiger Moment sind. Aber ich denke zugleich, dass es überall in der Welt zunehmend um mehr geht, als nur danach zu gucken, wer auf den Amtssitz gehoben wird. In Lateinamerika mischt sich die Zivilgesellschaft mehr und mehr in die Politik ein und es gibt zahlreiche Beispiele lokalen Widerstands – gerade der Indigenen. Auch in Honduras haben die sozialen Bewegungen an Bedeutung gewonnen und es wird zum Beispiel gegen Bergbau- oder Staudammprojekte protestiert. Diesen Bewegungen geht es um alternative Formen des Lebens, zum Beispiel um die Frage des Gemeinbesitzes, welcher der westlichen Logik der Kommerzialisierung aller öffentlichen Güter entgegensteht. In den 80er Jahren habe ich noch mit einer Coca-Cola in der Hand die Revolution gefordert. Meine Kinder haben mich auf die Widersprüchlichkeit eines solchen Verhaltens aufmerksam gemacht.

Was muss sich in Honduras Ihrer Meinung nach grundlegend ändern, damit sich das Land zum Besseren entwickeln kann?

Das vielleicht größte Problem ist die allumfassende Straflosigkeit – in einem Land mit einer hohen Gewaltquote, dem Drogenhandel, einer korrupten Polizei und einer Armee, die den Interessen der „Patrone“ dient. Es ist meist schwierig zu sagen, was gewöhnliche Kriminalität ist und welche Verbrechen vom Repressionsapparat des Staates verübt wurden. Solange das so bleibt, wird sich kaum etwas grundlegend verbessern. Dazu kommt, dass nicht nur transnationale Unternehmen, sondern auch internationale Organisationen mit den Mächtigen im Land kooperieren, die weiter unantastbar sind. So beteiligt sich die Weltbank in Honduras etwa finanziell an Großprojekten, ohne dass die ILO-Vereinbarung 169 (Internationale Arbeitsorganisation) zur Notwendigkeit einer vorherigen öffentlichen Anhörung der betroffenen Indigenen tatsächlich eingehalten wird.

Autor: Ole Schulz

Die Sängerin Karla Lara setzt sich in ihrer Heimat Honduras für Menschenrechte ein. Foto: Ole Schulz.

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