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Kolumbien |

"Wer singt, erzählt - Wer tanzt, überlebt"

In "Wer singt, erzählt - Wer tanzt, überlebt" von Alexandra Endres geht es um Menschen, die Kolumbien bewegen.
In "Wer singt, erzählt - Wer tanzt, überlebt" von Alexandra Endres geht es um Menschen, die Kolumbien bewegen.

Und tatsächlich: Wer sich die zahlreichen städtebaulichen Veränderungen, all die Seilbahnen, Rolltreppen, Bibliotheken, Sportstätten und Parks ansieht, wer den Rückgang der Kriminalität in ehemals verrufenen Stadtteilen zur Kenntnis nimmt, mag zustimmen, dass Medellín zurecht als Reiseziel beliebt ist. Möglicherweise gilt das auch generell für Kolumbien, jetzt, nachdem das Friedensabkommen unterzeichnet ist und erste Schritte zur Entwaffnung von Bürgerkriegsakteuren unternommen werden...

Die Journalistin Alexandra Endres hat sich auf eine Reise durch Kolumbien begeben und berichtet nun davon in ihrem lesenswerten Sachbuch "Wer singt, erzählt - Wer tanzt, überlebt". Sie besuchte Großstädte wie Bogotá, Medellín und Cartagena, war an der Pazifik- wie an der Karibikküste, überquerte die Anden und durchfuhr den Regenwald. Und auch wenn reisebegeisterte Leserinnen und Leser Endres' Buch als Vorlage für den eigenen Urlaub nehmen können, so liegt der Gehalt des Buches vor allem in den reportageartigen Beschreibungen der kolumbianischen Lebenswirklichkeit und in den Portraits von Menschen, die das Zusammenleben in dem vom Bürgerkrieg geschundenen Land verbessern wollen.

Musik, Tanz und die Künste

Nicht ohne Grund verweist schon der Buchtitel auf Gesang und Tanz, zwei künstlerische Ausdrucksformen, die dazu beitragen können, dem Alltag zu begegnen oder ihn zu kommentieren. In Cartagena besucht Alexandra Endres eine Musikschule, in der vor allem Kinder und Jugendliche unterrichtet werden, deren Familien aufgrund der laufenden Gentrifizierung an die Ränder der Großstadt gedrängt werden. Sie lernen in der Schule nicht allein das Musizieren, sondern beschäftigen sich mithilfe selbst verfasster Songtexte auch mit wichtigen gesellschaftlichen Phänomenen: Was tun gegen Bandenkriminalität, ausufernden Drogenkonsum und die hohe Zahl von Mädchenschwangerschaften?

Auch die Cantaoras liefern Beiträge zur Heilung vielfältiger Traumata. Es sind Frauen wie Cecilia, die durch die Straßen ziehen und dabei alltägliche Probleme besingen: "Von Cecilia lerne ich, dass die Cantaoras das lebende Gedächtnis der afrokolumbianischen Gemeinschaften sind und in ihnen eine wichtige spirituelle Rolle spielen. Ihre Gesänge helfen den Menschen, nicht verrückt zu werden, bei sich zu bleiben angesichts der Gewalt und Diskriminierung, die viele ertragen müssen."

Weisheit und Misstrauen der Indígenas

Am Beispiel der Begegnungen mit Angehörigen verschiedener indigener Gemeinschaften lässt sich die inhaltliche Bandbreite des Buches verdeutlichen. Die Autorin fährt beispielsweise mit einem mobilen Ärzteteam einen Tag lang in die Siedlungen der Wayúu. Dort lernt sie das Misstrauen kennen, mit dem viele Wayúu den "weißen" Kolumbianern begegnen. Es ist dies eine passende Gelegenheit, einige historische Aspekte des Zusammenlebens zwischen Indigenen und der europäisch geprägten Mehrheitsgesellschaft zu beleuchten.

Allzu negativ waren offenkundig die früheren Erfahrungen mit einzelnen Anthropologen, Medizinern, Beamten und Klerikern. In der Summe lehnt diese Gemeinschaft nun den "weißen" Einfluss ab, da sie befürchten, die eigenen Traditionen könnten weiter korrumpiert werden. So führt die Beschreibung einer Begegnung zur Beschäftigung mit den Hintergründen, ehe es zurückgeht zu den beschreibenden Passagen

Mamo Camilo, ein spirituellen Führer der Arhuaco, kommt auf ein weiteres großes Problem zu sprechen: Die Ausbeutung von Bodenschätzen durch multinationale Unternehmen und die Verschmutzung der Gewässer: "Sie glauben, das gehört alles ihnen. Aber für uns sind es Körperzellen der Mutter Erde."

In Bogotá trifft Endres schließlich die indigene Richterin Belkis Izquierdo Torres, die versucht, die staatliche mit der traditionellen indigenen Gerichtsbarkeit zu versöhnen. Während die Rechtsprechung des Staates die Strafe in den Mittelpunkt stelle, konzentriere sich die indigene Herangehensweise auf die soziale Rehabilitation. Auch wenn es durchaus drakonische Sanktionen gebe, sei das Ziel stets, die Harmonie der Welt wiederherzustellen und für Versöhnung zu sorgen.

Einsatz für die Armen - Kirchliche Akteure

Nicht zuletzt sind es in der Kirche beheimatete Akteure, die sich für ein gerechteres, gewaltfreies Leben in Kolumbien einsetzen. So sehr Teile der Metropolen zu begehrten Reisezielen werden und die Eliten in neue Hotelburgen investieren, sorgt die auseinanderklaffende soziale Schere für unzählige Menschen, die dringend Hilfe benötigen.

In der Stadt Quibdó lernt die Autorin Ursula Holzapfel kennen, die sich unter anderem mit Handarbeitskursen um Frauen kümmert, die vor der grassierenden Gewalt in die Region Chocó mitten im Regenwald geflüchtet sind. Ursula Holzapfels Arbeit für die Binnenflüchtlinge wird übrigens ebenso von Adveniat unterstützt wie Padre Darío Echeverri, der in der Basilika Voto Nacional in der Altstadt von Bogotá die Messe liest und von dort zahlreiche soziale Aufgaben für die Bewohner der umliegenden Barrios koordiniert.

Alexandra Endres erzählt vom Leben in der "Bronx von Bogotá" und schildert dann einen Gottesdienst, in dessen Verlauf Padre Daríos Charisma deutlich wird: "Er predigte und sang im Kirchenschiff, inmitten seiner Gemeinde, er umarmte die Leute und schüttelte Hände, er stellte Fragen, statt zu belehren, er drohte nicht mit Strafen, sondern feuerte seine Zuhörer an, Gutes zu tun, und er sprach in einer klaren, schlichten Sprache, die jeder verstand."

Autor: Thomas Völkner

Alexandra Endres: "Wer singt, erzählt. Wer tanzt, überlebt" - Eine Reise durch Kolumbien
Ostfildern: DuMont Reiseverlag 2017
281 Seiten 14,99 Euro
ISBN 978-3-7701-8284-8

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