Weltweit gröüter Anstieg der Militärausgaben
Mit 5,8 Prozent auf eine Gesamtsumme von umgerechnet 63,3 Mrd. US-Dollar stiegen 2010 die Militärausgaben in Südamerika so stark an wie in keiner anderen Region der Welt. Im Zeitraum 2001 bis 2009 nahmen die Militärausgaben pro Jahr durchschnittlich um 3,7 Prozent zu. Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI, das die Daten ermittelt hat, zeigt sich erstaunt angesichts des Fehlens einer echten militärischen Bedrohung für den Kontinent.
Nach Ansicht von Carina Solmirano, die Lateinamerika-Expertin des Friedensforschungsinstituts, überrasche der anhaltende Zuwachs insofern, als die drückenden sozialen Probleme in Südamerika eine Antwort erforderten. Eine teilweise Erklärung für das hohe Militärbudget findet sich laut SIPRI-Bericht in der Tatsache, dass die Volkswirtschaften Lateinamerikas und der Karibik die weltweite Rezession vergleichsweise gut durchstanden.
Brasiliens internationale Ambitionen
Vor allem Brasilien steigere systematisch die Ausgaben für die Modernisierung seines Militärs, um neben der Rolle als regionaler Führungsmacht auch auf internationaler Ebene ein Wort mitzureden. In den Fällen Kolumbien und Peru wiederum seien es interne Konflikte, welche zu einem deutlichen Wachstum des Militärbudgets führten – im Falle Perus 16 Prozent gegenüber 2009, der größte Zuwachs in ganz Südamerika. Was Argentinien betreffe, so hätten vor allem Gehaltserhöhungen zu Buche geschlagen, heißt es in dem Bericht.
Bolivien, Uruguay, Venezuela: Weniger Militärausgaben
Bei den Waffenkäufen sei in den kommenden Jahren mit einer Verlangsamung des Wachstums zu rechnen, nachdem schon Sorgen über ein mögliches Wettrüsten aufgekommen waren. Chile als größer Waffenimporteur habe ein Sondergesetz abgeschafft, das dem Militär zehn Prozent der Kupfererlöse des Landes für Waffenkäufe hatte zukommen lassen. Dies dürfte den Umfang der Anschaffungen verringern. Bolivien, Uruguay und Venezuela verringerten 2010 gegen den Trend ihre Militärausgaben.
Kolumbien verdoppelte seinen Anteil in 20 Jahren
Eine Studie der Universität Córdoba zu den Militärausgaben in Argentinien und Südamerika für den Zeitraum 1988 bis 2009 weist darauf hin, dass das starke Wachstum der Militärausgaben in Brasilien keineswegs – wie von Kritikern behauptet – ein Phänomen der Präsidentschaft Lulas gewesen sei (Amtszeit: 2003 bis 2011). Es habe vielmehr bereits 1992 unter Präsident Itamar Franco eingesetzt. Allein auf Brasilien entfielen im Untersuchungszeitraum mit Ausnahme weniger Jahre 50 Prozent und mehr der Militärausgaben der südamerikanischen Länder. An zweiter Stelle folgt Kolumbien, das seinen Anteil in den rund 20 Jahren auf knapp 20 Prozent fast verdoppelt hat. Auf Platz 3 liegt Chile. Argentiniens Anteil sank über die Jahre von 12 Prozent auf 5 Prozent.
Bei den Militärausgaben pro Kopf der Bevölkerung führte 2009 deutlich Chile, während Brasilien mit seinen knapp 200 Mio. Einwohnern hier nur Rang 3 belegt.
Beim Blick auf den prozentualen Anteil der Militärausgaben am Bruttoinlandsprodukt fällt auf, dass Brasilien diesen seit 2003 auf 1,5 Prozent festgelegt hat. 2008 lagen hier Kolumbien und Chile vorne, mit 3,7 Prozent und 3,5 Prozent.
Bernd Stößel