Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Ecuador |

Was ist das Wichtigste im Leben?

Warum wollen Jugendliche vom Land weg? Wegen des Geldes? Oder steckt etwas anderes dahinter? Und was ist überhaupt wichtig im Leben? Der 70-jährige "Pacho" Gangotena ist ein führender Aktivist der Ökobauernbewegung in Ecuador. Er war eingeladen worden, auf der Versammlung der Kaffeebauern-Kooperative AACRI zu sprechen. Im Folgenden gekürzt seine Ansprache an die Bauern:

Schaut Freunde, ich habe eine vier Hektar große Finca, von der wir leben. Nicht eine Chemikalie kommt uns aufs Feld. Mehr als 40 Jahre habe ich hart gearbeitet. Jetzt, so scheint mir, gibt es in ganz Ecuador trotz der landwirtschaftlichen Entwicklungsprogramme und Hilfen ein ziemlich vertracktes Problem auf dem Land: Sagen wir, es vergehen noch 15 weitere Jahre, dann brauchen wir einen Gehstock und werden nicht mehr arbeiten können. Und die jungen Leute? Wo sind die jungen Leute, ich sehe fast keine jungen Leute hier!

Warum suchen die Jugendlichen das Weite? Weil es keine Arbeit gibt? Weil sie sich nicht quälen wollen? Sie wollen Bequemlichkeit und es gibt keine Arbeit, sagt ihr? Schaut, ich habe viel den Eltern zugehört. Die sagen: “Verflixt, ist das Leben hart. Man muss im Morgengrauen aufstehen, muss stark sein. Und trotzdem habe ich kein Geld. Aber man muss Dinge einkaufen, Dünger kaufen - und es fehlt das Geld. Es fehlt am Geld. Es fehlt am Geld.” Auf diese Weise sagen wir selbst den Kindern: Sohn, geh in die Stadt. Dort lebst du ruhiger, dort wirst du Geld haben und musst nicht so schuften wie deine Mutter und ich.

Geld, Geld, das liebe Geld

Und, wofür brauchen wir das Geld? Um zu überleben, sagt ihr, ohne Geld geht nichts. Aber ich schufte mich fast zu Tode und das Geld reicht trotzdem nicht. Wenn wir nicht Hilfen von außerhalb erhalten, geht es nicht voran. Das Geld, das Geld, das liebe Geld. Das hören unsere Kinder von kleinauf: Das Wichtigste ist das Geld. Und der Vater sagt: Geh studieren, geh ins Ausland studieren, streng dich an, dann wirst du Geld haben. Was wird also der Traum unserer Kleinen? Zu Geld zu kommen! Und sie gehen in die Stadt und sie gewöhnen sich daran, alles mit Geld zu lösen. Sie wollen zurückkommen, aber der Boden gibt nicht mehr viel her. Ach, warum denn dann aufs Land zurückgehen? "Ciao liebe Eltern! Ich werde euch besuchen kommen und Geschenke mitbringen. Macht euch keine Sorgen!"

Wir haben also unseren Teil beigetragen dazu, dass es so gekommen ist. Inzwischen bin ich selbst nun schon 70 Jahre alt und manchmal frage ich mich: Was brauchen wir eigentlich im Leben? Was suchen wir? Was ist das Wichtigste? Gesundheit, sagt ihr? Liebe? Ja, das ist gewiss wichtig, da habt ihr Recht. Aber ich meine, am wichtigsten ist, dass wir zufrieden sind. Wir wollen, dass die Kinder zufrieden sind. Dass die Familie zufrieden ist. Und wir wollen, dass unsere Kuh zufrieden ist und viel gute Milch gibt.

Was will ich für meine Kinder?

Oft habe ich mich gefragt: Was will ich für meine Kinder? Ich will gar nicht, dass sie dauernd produzieren. Ich möchte, dass sie sich am Leben freuen können, zufrieden sind. Dass sie Freude an der Arbeit, zu Essen und ihr Dach über dem Kopf haben. Ah, aber da tauchen gleich wieder jene auf, die sagen: "Großväterchen, du willst zufrieden leben? Das funktioniert nur mit einem gut gefüllten Geldbeutel." Stimmt, sagt ihr?

Meine Familie sagte zu mir: Lerne, studiere! Und ich studierte. Hart war das, weil ich kein Geld hatte. Mit einem Stipendium ging ich in die USA. Dann war das Stipendium zu Ende, und ich schuftete bis zum Umfallen, um weiter studieren zu können. Später arbeitete ich in meinem Job, aber oh jeh: Diese Arbeit erfüllt mich überhaupt nicht! Und mir gefiel die Landwirtschaft. Schließlich schmiss alles hin und widmete mich dem Ökolandbau. 1.000 US-Dollar hatten meine Frau und ich gespart, damit fingen wir an.

Tauschhandel und ein bisschen Geld

Wenn der beste Ort für uns einer ist, an dem wir zufrieden sind, dann müssen wir eine Finca haben, auf der wir zufrieden sind. Ich habe 36 Produkte auf meinem Land: vier Kühe, Kartoffeln, Zwiebeln, Salat... das ist eine lange Liste. Butter, Joghurt und Käse machen wir selbst. Wir verkaufen auch ich sage ja nicht, dass wir kein Geld bekommen. Doch liebe Freunde, eine bäuerliche Finca sollte die meisten Lebensmittel für die Familie selbst produzieren.

Ihr seht, dass ich eine Lähmung von einem Schlaganfall habe. Seit sieben Jahren muss ich jede Woche einmal zum Arzt, früher sogar drei Mal. Und das kostet mich kein Vermögen, nein. Der Arzt kommt auf den Markt, er füllt sich seine Kiste mit Joghurt, einem Huhn, Kartoffeln und allem, was er braucht und sagt: “Bis bald, Pacho!”. Und wenn wir zum Arzt gehen, brauchen wir nicht einmal einen Termin, wir kommen schnell dran, ich und meine Familie. Ich gehe zum Eisenwarenhändler. Seine Frau ist krank und ich frage: “Wollen Sie gesunde Produkte?” “Jaja”, sagen sie, “lass uns tauschen”.

“Oh, kein Gift bitte!”

Wir denken oft, eine Finca sei eine Produktionsmaschine. Aber, es ging doch darum, zufrieden zu sein, nicht? Ich schließe Freundschaft mit meiner Finca. Zuallererst mit den Mikroorganismen und den Würmern in der Erde. Ich geh also hin und frage sie ich bin ein bisschen verrückt, und rede mit ihnen ich frage sie also: “Was braucht ihr?” “Oh, kein Gift bitte! Damit würdest du uns umbringen. Aber wir hätten gern viele Abfälle und Heu”. “Und was gebt ihr mir dafür,” frage ich sie. “Wir machen dir den Boden fruchtbar und kräftig”, antworten sie mir dann. Ich gehe zu den Vögeln und frage: "Was wollt ihr?" “Wir wollen Bäume”, sagen sie mir. Alle 30 Meter habe ich eine Baumreihe gepflanzt. Ich habe 22 Vogelarten auf meinem Land gezählt, und zwölf davon fressen Insekten.

Ich schließe also Freundschaften, schmiede Allianzen. Entschuldigt, dass ich von mir soviel erzählt habe. Aber ich lebe zufrieden. Ab und zu streite ich mich mit meiner Ehefrau herum, aber wir sind zufrieden. Meine Kinder sind übrigens auch zum Studieren ins Ausland gegangen. Und jetzt kommen sie wieder! Da hat mein Sohn Tontechniker gelernt und sagt: "Ich will nie wieder ins Ausland, ich will hier leben, auf der Finca!" Und warum? Weil sie den Geschmack des Landes lieben gelernt haben.

Protokoll: Bettina Hoyer

Was stimmt uns froh und zufrieden? Kaffeebauern während der Rede von "Pacho" Gangotena / Foto: Hoyer

Förderhinweis: Unsere Autorin bereiste Ecuador mit Unterstützung von Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst.

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz