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Argentinien |

Warum Tausende schwangere Russinnen nach Argentinien kommen

Mehr als 10.000 schwangere Russinnen sind in den letzten Monaten nach Argentinien eingereist. Die Behörden vermuten dahinter die Jagd nach dem begehrten argentinischen Reisepass. Zuweilen fällt auch das Stichwort Mafia.

Buenos Aires ist aktuell ein beliebtes Ziel schwangerer Russinnen. Foto (Symbolbild): Adveniat/Jürgen Escher

Das russische Paar versucht die Speisekarte im Café "Dulce Charlotte tienda" im schicken Ortsteil Palermo zu verstehen. Doch nach ein paar Minuten geben die hochschwangere Frau und ihr Begleiter auf. Des Spanischen sind sie nicht mächtig und das Risiko, zu teuer zu bestellen, wollen sie offenbar nicht eingehen. Also ziehen die jungen Russen weiter. Die Kommunikation funktioniert nicht.

Und nicht nur in diesem Café in Buenos Aires gibt es Probleme. Argentinien beobachtet derzeit mit einer Mischung aus Verwunderung, Sorge, aber auch Hilfsbereitschaft die Welle von schwangeren russischen Frauen, die in dem südamerikanischen Land ihr Kind zur Welt bringen wollen. Dahinter steckt offenbar der Wunsch, leichter an einen argentinischen Pass zu kommen, der im Falle einer Ausdehnung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine helfen könnte, das Land zu verlassen; oder eben schon jetzt sich dem Zugriff der russischen Behörden zu entziehen. Seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine vor fast einem Jahr sind nach offiziellen Angaben bereits rund 10.500 schwangere russische Frauen zur Entbindung nach Argentinien gereist.

Begehrter Pass

"Gestern Abend kamen mit dem letzten Flug der äthiopischen Fluggesellschaft 33 russische Staatsbürger mit Schwangerschaften zwischen 32 und 33 Wochen an", erklärte die Leiterin der Migrationsbehörde, Florencia Carignano, im Interview des TV-Senders "Todo Noticias" in dieser Woche. Laut Carignano reisen die meisten werdenden Mütter im letzten Schwangerschaftsdrittel ein, im Gepäck ein Gesamtpaket mit einem befristeten Mietvertrag bis nach der erwarteten Geburt des Kindes.

Der argentinische Pass ist deshalb so begehrt, weil er eine visafreie Einreise in 171 Länder erlaubt. Unter anderem können argentinische Staatsbürger ohne spezielles Visum in die Europäische Union, das Vereinigte Königreich und nach Japan reisen. Die internationale Beweglichkeit mit dem russischen Pass hingegen ist deutlich eingeschränkter. Ausländische Eltern, deren Kind in Argentinien geboren ist, haben das Recht nach zwei Jahren die Staatsbürgerschaft zu beantragen, wenn sie einen ununterbrochenen Aufenthalt im Land nachweisen können.

Wirtschaftskrise

In dieser Woche berichtete die Zeitung "La Nacion", die Behörden führten Stichproben-Kontrollen durch, um festzustellen, ob sich die eingereisten russischen Frauen auch an ihrem angegebenen Aufenthaltsort befinden. Die meisten kontrollierten Personen waren allerdings nicht anzutreffen und hielten sich nicht in der bei der Einreise angegebenen Stadt auf.

3.000 Personen aus Russland hätten in den letzten zwölf Monaten einen Antrag auf ständigen Aufenthalt beziehungsweise Niederlassung in Argentinien gestellt. Insgesamt reisten aber 22.000 Russinnen und Russen ein; ob die anderen 19.000 alle zurückgekehrt sind, ist nicht ganz klar.

"Die Russen, die nach Argentinien kommen, brauchen kein Visum. Wenn sie aber kommen, weil sie sich niederlassen wollen, brauchen sie ein Visum für das Konsulat. Wenn sie kommen, um ein Kind zu bekommen, brauchen sie ein Visum für medizinische Behandlung", erklärte Migrationsbehördenchefin Carignano die eigentlich gültigen Regeln. "Wenn sie ein argentinisches Kind haben, haben sie das Recht auf einen Reisepass", sagte Carignano. Dieses Recht gelte aber nicht für diejenigen, die nach Argentinien kommen, um dort zu leben. "Und ganz besonders nicht für Mafiagruppen, die den Pass an Leute verkaufen, die nie in Argentinien leben werden und dann allen Argentiniern Probleme bereiten", betonte die Behördenleiterin.

Denn die könnte Argentinien, das derzeit eine schwere Wirtschaftskrise erlebt, nicht gebrauchen. Mit einer schwindelerregenden Inflation und einer Armutsrate von etwa 40 Prozent scheint es nicht gerade wie die Insel der Glückseligen - eigentlich.

Autor: Tobias Käufer (KNA)

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