"?Versöhnung und Armutsbekämpfung müssen jetzt Prioritäten sein"?
Er war im engeren Kreis der Papstkandidaten nach dem Tod von Johannes Paul II. und gehört zu den einflussreichsten Persönlichkeiten von Honduras. Ein Exklusiv-Interview mit Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga über die Lage nach den Wahlen und die Zukunft des mittelamerikanischen Landes, das nach dem Putsch gegen Manuel Zelaya im Juni zum internationalen Paria-Staat wurde.
Sie waren bei der Amtseinführung Manuel Zelayas dabei und galten als sein enger Berater, haben sich dann aber vom Präsidenten distanziert und ihm nach seinem Sturz nahegelegt, er solle nicht zurückkehren. Was ist da vorgefallen?
Die Regierung hat vom Schuldenerlass profitiert, für den sich unter anderem die Kirche sehr eingesetzt hat, und hatte so 400 Millionen Dollar jährlich zur Verfügung für soziale Projekte. Zu Beginn gab es auch gute soziale Programme, dann aber wurde leider alles dem Projekt der Wiederwahl untergeordnet. Das war für mich eine grosse Enttäuschung. Im Ausland wurde das gar nicht wahrgenommen.
Wie beurteilen Sie die Lage nach den Wahlen?
Trotz des Boykottaufrufs des Widerstands sind die Menschen wählen gegangen. Das war sehr positiv und eine Hommage an die Demokratie. Die Wahlen waren ein wichtiger Schritt nach vorne. Ich habe mit dem Sieger Pepe Lobo gesprochen und ihm nahegelegt, sich jetzt um die Aussöhnung und die Armutsbekämpfung zu kümmern. 47 Prozent der Honduraner sind unter 18. Das ist eine grosse Herausforderung für ein Land, das ein miserables Bildungssystem hat.
Der Kongress hat Manuel Zelaya nicht wieder eingesetzt, wie der Großteil der internationalen Gemeinschaft gefordert hat, um die Legalität in Honduras wieder herzustellen. Welchen Ausweg gibt es nun?
Die Abgeordneten haben letztlich ihre Entscheidung vom Juni bestätigt, Zelaya wegen Gesetzesverstößen abzusetzen. Zelaya braucht jetzt wohl einen guten Berater, der ihm klar macht, dass er in die Zukunft blicken muss und die Zeit nicht zurückdrehen kann.
Welche Rolle wird die Kirche jetzt spielen?
Wir haben die Aussöhnung zum Motto unserer Weihnachtsaktion gemacht. Wir Honduraner können unterschiedlich denken, aber deshalb sind wir keine Feinde. Die Versöhnung wird aber wohl ihre Zeit dauern. Eine positive Geste kam bereits vom Widerstand, der angekündigt hat, nicht mehr auf die Straßen zu gehen sondern sich auf friedlichem politischem Wege für eine Verfassungsgebende Versammlung einzusetzen. Es gibt aber noch gesellschaftliche Gruppen, die eine etwas verengte Perspektive haben.
Das Interview führte Sandra Weiss.