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Ecuador |

Verfassung- und Justizreformen per Volksentscheid?

Keine drei Jahre ist sie alt die ecuadorianische Verfassung, schon soll sie wieder geändert werden. Elf Millionen Ecuadorianer sind am Samstag aufgerufen, per Volksabstimmung über zehn Fragen zu befinden, die von der linken Regierung unter Präsident Rafael Correa ausgearbeitet wurden.

Umfragen zufolge dürfte der Staatschef auch diesmal wieder Erfolg haben und einen neuen politischen Triumph einstecken. Vom Verbot von Stier- und Hahnenkämpfen bis zu Restriktionen von Bankenbeteiligungen an Medienhäusern und strafrechtliche Konsequenzen für Unternehmer, die ihre Angestellten nicht zur Sozialversicherung anmelden reicht das Themenspektrum. Was aber vor allem die Gemüter erhitzt und dem Präsidenten heftige Gegenwehr von der rechten Opposition, aber auch von ehemaligen Verbündeten aus dem linken Spektrum einbringt, sind die geplanten Änderungen im Justizsystem.

Oberster Justizrat soll aufgelöst werden

Unter anderem soll der Oberste Justizrat aufgelöst und durch ein dreiköpfiges Übergangsgremium ersetzt werden, das innerhalb von 18 Monaten eine Justizreform ausarbeiten soll. Die Regierung, das Parlament und der Rat für soziale Kontrolle und Transparenz sollen je ein Mitglied benennen dürfen. Damit unterwerfe Correa die Justiz der Exekutive, fürchten Kritiker der Volksbefragung, darunter zahlreiche ehemalige Mitstreiter Correas wie die Ex-Minister Gustavo Larrea und Alberto Acosta. Letzterer kritisiert als ehemaliger Vorsitzender der Verfassungsgebenden Versammlung das Referendum zudem als „Verrat an der Verfassung von Montecristi“.

Zuviel Macht der Exekutive

Larrea hält einige Fragen für bedenkliche Eingriffe in die Unabhängigkeit der Justiz, darunter die Einschränkung der richterlichen Möglichkeit, alternative Strafen zu verhängen und die geplanten Sanktionen für Richter, Staatsanwälte und Anwälte für das Verschleppen von Prozessen. Acosta spricht sich gegen eine „von der Exekutive gesteuerte Justizreform“ aus, kritisiert das Referendum als Mischmasch von Grundsätzlichem und Irrelevantem. „Wichtige, in der Verfassung vorgesehene Änderungen wie die Agrarreform und die Wasserverteilung bleiben hingegen außen vor“, sagt Acosta, der dem Staatschef auch vorwirft, sich von den sozialen Bewegungen und der Basis entfernt zu haben. Der Vorsitzende der einflussreichen Indigenaorganisation Conaie, Humberto Cholango, kritisiert „Machtkonzentration“ und sieht eine „Gefahr für die Demokratie“.

„Totalitäre Anwandlungen“

Zusammen mit der bürgerlichen Opposition um den Bürgermeister von Guayaquil, Jaime Nebot, und dem rechten Ex-Präsidenten Lucio Gutierrez machen sie Werbung für ein „nein“ bei der Volksbefragung. Auch Correas Bruder Fabricio hat sich auf die Seite der Kritiker geschlagen und spricht von „totalitären Anwandlungen“ seines Bruders. Allerdings wohl eher aus persönlichen Gründen: wegen angeblicher Mauscheleien bei Staatsaufträgen wurde er voriges Jahr vom Präsidenten zurecht gestutzt.

Die „Ja-Anhänger“ argumentieren, dass eine Justizreform längst überfällig ist. „Das aktuelle System ist unglaubwürdig, korrupt und versinkt jeden Tag mehr im Chaos“, so der Richter Germanico Maya. „Die Gegner der Volksbefragung verteidigen die Rechte der Verbrecher, die Regierung diejenigen der Opfer“, argumentiert Justizminister Jose Serrano. Außerdem sei es letztlich eine souveräne Entscheidung des Volkes, ob es die Vorschläge des Präsidenten akzeptiere. Bei der Justiz seien mehr als eine Million Fälle anhängig, zwischen 2007 und 2010 hätten wegen verstrichener Fristen 4000 Verbrecher aus Untersuchungshaft entlassen werden müssen, so Sicherheitsminister Homero Arellano.

Polarisierung des Landes

Correa regiert seit 2007 und hat seither die Verfassung reformiert und ist danach wiedergewählt worden. Seine linkspopulistische „Bürgerrevolution“ hat das notorisch instabile Andenland polarisiert; voriges Jahr kam es zu Protesten der Polizei, die fast im Sturz Correas mündeten. Dazu kommt eine durchwachsene Wirtschaftsbilanz. Insbesondere die Mittelschicht ist Umfragen zufolge der radikalen Rhetorik und der Polemik mit Kirche und Medien überdrüssig. Die Reform der unpopulären Justiz trifft jedoch den Nerv der breiten Bevölkerung. Einige Beobachter sehen in dem Referendum einen Versuch Correas, sich im Vorfeld der Neuwahlen 2013 gut zu platzieren.

Sandra Weiss, Puebla

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