Unfreiwillige indigene Migration
Seit der Ankunft der Spanier waren Indigene in Mittelamerika immer wieder gezwungen, ihre Heimatregionen zu verlassen. Die Folgen: sozioökonomischer, politischer und kultureller Ausschluss. Ein Kommentar von Theologiestudent Carlos René Sop Xivir.
Junge Angehörige der Maya in Guatemala zieht es häufig in die USA. Es handelt sich überwiegend um Campesinos mit einer einfachen Schulbildung, die mitunter nicht Spanisch sprechen. Kehren sie dann wieder nach Guatemala zurück, so ist ihr Verhalten durch den langen Aufenthalt im Norden geprägt. In den großen US-Städten mit den zahlreichen Ablenkungen, wie Bars und Diskotheken, schlagen viele der jungen Migranten über die Stränge und gehen Risiken ein. Ganz anders das traditionelle, einfache Leben im Heimatdorf: Hier geht alles seinen gewohnten Gang – die Menschen treiben Sport, praktizieren ihre Religion oder machen ihren Abendspaziergang. Die Vergnügungsmöglichkeiten für die Jungen sind normalerweise dünn gesät.
Computerspiel-Geschäft im Pueblo
Bei meinen Besuchen einiger indigener Dörfer auf dem Altiplano Guatemalas beobachtete ich, dass viele Rückkehrer und ihre Angehörigen dem Alkohol und Drogen verfallen sind. Vor allem junge Indigene hatten sich mit HIV infiziert. Es entstanden Probleme hinsichtlich der kulturellen Identität. Familien zerfielen, Banden trieben ihr Unwesen. Auf einmal gab es Bars im Dorf, Geschäfte für Computerspiele.
Sicher, es gibt auch vieles, das sich zum Positiven hin wandelt: Die Verbesserungen im Wohnungsbau oder die Investitionen ins Bildungswesen dank der Geldsendungen der Migranten. Insgesamt bringt der Wandel die traditionelle Lebensweise der Maya aber gehörig durcheinander. Häufig überfordern die Veränderungen die Indigenen und rufen schwerwiegende Identitätsprobleme hervor, vor allem bei den Jungen.
Zerstörte Illusionen in Mexiko
Neben der Migration in die USA suchen viele Indigene aus Guatemala weiterhin ihr Glück im Nachbarland Mexiko. Tausende finden eine vorübergehende Beschäftigung, in der Landwirtschaft, hier vor allem bei der Kaffee-Ernte oder im Bau. Indigene Frauen arbeiten häufig in Haushalten. Sich von Guatemala nach Mexiko aufzumachen ist dabei nicht so einfach, wie es sich vielleicht anhört. Die Migranten erleiden zahlreiche Verletzungen ihrer Grundrechte.
Im Mai 2009 ordnete die mexikanische Regierung neue Kontrollen an. Anders als aufmunternde Schilder im Grenzgebiet glauben machen, ist es ein komplizierter, ziemlich langwieriger Prozess, eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Indigene werden von den Beamten sehr schlecht behandelt und eindeutig diskriminiert. Es bilden sich lange Warteschlangen. Wer nicht während der öffnungszeit dran kommt, muss am kommenden Tag erneut anstehen. Die Papiere gibt es auch illegal gegen nicht gerade wenig Geld - Korruption ist an der Tagesordnung. Taxifahrer und Beamte verdienen sich so etwas dazu. Die Migranten sind trotz der Verachtung, die ihnen entgegenschlägt, gern gesehene Kunden. Wer es schließlich nach Mexiko geschafft hat, auf den warten Verletzungen seiner Arbeitnehmerrechte und Hungerlöhne. Ganz zu schweigen von den Problemen, welche die Trennung von der Familie aufwirft.
Quelle: adital, deutsche Bearbeitung: Bernd Stößel