Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Mexiko |

Tourismus als Waffe gegen die Zapatisten

Welche Strategien wendet die Regierung von Chiapas an, um touristische Projekte zu entwickeln?

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass in Mexiko generell alle großen touristischen Zentren mit einer Enteignung eingeleitet werden. Chiapas ist dadurch touristisch attraktiv, dass es über die spektakulärsten Naturräume in Mexiko verfügt. Hier gibt es Wasser im Überfluss, jede Menge unglaublicher Flüsse, Wasserfälle. Einfach einen großen Reichtum an Natur. Genau auf diese Gegenden richtet sich der Druck der Regierung, touristische Projekte zu entwickeln. Was Chiapas zusätzlich so interessant für Touristen macht, ist die attraktive indigene Kultur, das Kunsthandwerk zum Beispiel.

Doch der Tourismus dient nur als Speerspitze, er ist nicht das wirkliche Ziel, das die Regierung in Chiapas verfolgt. Diese Projekte treffen auf den totalen Widerstand der autonomen Gemeinden. Deshalb konnte zum Beispiel die Straße zur Grabungsstätte nach Palenque nicht gebaut werden. Ein ehrgeiziges Projekt, welches das gesamte Gebiet der Tzeltal durchqueren würde.

Die Regierung von Chiapas setzt ganz bewusst auf den Tourismus, weil er eine Einnahmequelle ist, aber ich glaube, dass es hier eine Grenze gibt, wenn der Tourismus eine gewisse Größe erreicht hat. Das Entscheidende jedoch ist: Wenn die indigenen Völker erst einmal die Kontrolle über ihr Land verloren haben, dann haben die Bergbauunternehmen freie Bahn, und es können Wasserkraftwerke und Straßen gebaut werden. All dies hat natürlich mit dem Tourismus überhaupt nichts zu tun.

Was aber die touristischen Projekte betrifft, so werden diese den Bewohnern der betroffenen Gegenden als finanziell attraktiv verkauft. Es heißt, ihr werdet Arbeit bekommen, es gibt Einkünfte. Tatsächlich aber werden aus Herren über ihr eigenes Land Kellner, man könnte auch sagen Sklaven. Die Regierung treibt natürlich zugleich Projekte voran, von denen die Einheimischen scheinbar profitieren, so werden zum Beispiel Kooperativen geschaffen. Es gibt mehrere Fälle, in denen zapatistischen Gemeinden ihr Land weggenommen wurde, es profitieren in der Folge die von der Regierung begünstigten Gruppen. Sie sind es, die dann die Touristen begrüßen. Um es klar zu sagen: Chiapas ist nicht Cancún. Hier ist der Tourismus eine Begleiterscheinung der tatsächlich beabsichtigten Projekte in Bereichen wie Bergbau und Energie.

Welche konkreten Auswirkungen hat der Tourismus in Chiapas?

Der Tourismus bringt, wie an jedem ursprünglichen Ort, die unterschiedlichsten Menschen, besonders aus Europa und den USA. Er hat eine Auswirkung auf die Kultur der Einheimischen und auf ihre Konsumgewohnheiten. Ein Drittel von Chiapas ist indigen, es handelt sich aufgrund der landschaftlichen Schönheit um das touristisch attraktivste Gebiet. Die Touristen kommen nach San Cristóbal de las Casas, weil es dort Indigene gibt. Die anderen Bewohner der Stadt selbst aber hassen die Indigenen. Gäbe es nicht die Indigenen, käme kein Tourist hierher. Gut, es wäre eine Kolonialstadt, Leben verleihen ihr aber die Indigenen. Es ist ein authentisch indigener Ort, wie es ihn auch in Ecuador oder Peru gibt.

Im Fall von Chiapas bin ich mir nicht so sicher, ob der kulturelle Einfluss sehr negativ ist, denn hier passiert etwas Besonderes im Unterschied zu anderen Gegenden Mexikos. Der Zapatismus ist in Kontakt mit Ausländern getreten, die normalerweise als Touristen zu bezeichnen wären. Es kommen zum Beispiel Italiener, Franzosen oder Argentinier, aber bei ihnen ist es eher eine Frage der Haltung dem Zapatismus gegenüber. Die Einheimischen sind Kontakt mit Ausländern also stärker gewohnt als üblicherweise. Außerdem kamen nach San Cristóbal immer schon US-Anthropologen, und es gibt traditionell einen Ethno-Tourismus. Der Tourismus, der hierher kommt, ist nicht sehr kaufstark, die Menschen hätten lieber reiche Gringos als Rucksacktouristen. Aber es zieht auch viele Mexikaner in die Stadt, vor allem in den Ferienzeiten. Chiapas ist in Mode gekommen, sicher auch durch die Zapatisten, aber hier ist es außerdem ruhiger als im Rest des Landes. Wer nach Acapulco fährt, riskiert sein Leben. Nach San Cristóbal kann man mit der Familie kommen. Was ist der Grund für diese Sicherheit? Die zapatistischen Indigenen kontrollieren einen Teil des Gebietes: Hier gibt es keinen Drogenhandel, es ziehen keine Migranten durch, es fehlt schlicht die Illegalität, die sich Mexikos bemächtigt hat.

Was den Tourismus betrifft, so haben sich die letzten mexikanischen Regierungen die Spielart des ökotourismus ausgedacht. Es geht darum, den Zugang zum Wald zu rechtfertigen mit dem Argument, man wolle ihn schützen. Nehmen wir den Fall Miramar, ein zuvor wirklich unberührter Ort. Da die Touristen keine unberührten Orte mehr kennen, zahlen sie für dieses Erlebnis. Sie kommen aus Norwegen oder aus London. Dadurch aber hören diese Orte auf, ursprünglich zu sein. Die große Bedrohung, die vom Tourismus in Chiapas ausgeht, ist also zum einen die Aneignung von Land, und zum anderen die Tatsache, dass nach dem Tourismus noch etwas anderes kommt. Zum Beispiel gibt es in Chiapas mehr als 50 Konzessionen für dern Bergbau, auch wenn die Regierung ein Moratorium verhängt hat. Für einen großen Teil von Chiapas sind bereits Bergbaukonzessionen vergeben worden. Und die Unternehmen wollen alles, nicht nur Gold und Silber, sondern auch Koltan und andere Erze. Die Unternehmen, aus Kanada, den USA, Südkorea, aber auch aus Mexiko selbst, haben keine Eile, sie können warten. Klar ist, dass sie großen Druck ausüben werden. In Chiapas stoßen sie aber auf Widerstand, denn hier gibt es – abgesehen vom Zapatismus – grundsätzlich viele Widerstände.

Wie stehen die Zapatisten zu diesen touristischen Projekten?

Sie haben sich nicht ausdrücklich zu diesem Thema geäußert. Grundsätzlich gibt es hier aber keine einheitliche Theorie oder Politik. Innerhalb weniger Kilometer kann es sein, dass die einen Zapatisten den Tourismus ablehnen, die anderen aber Tourismus betreiben. Der Widerstand der Zapatisten richtet sich nicht gegen den Tourismus, sondern es geht ihnen einfach um die Verteidigung ihres Gebietes. Der Begriff Tourismus passt auch nicht gut zum Zapatismus, da mit ihm eine kapitalistische Mentalität verbunden ist.

Was ist von einem sogenannten “Zapaturismo” zu halten?

Gut, das ist ein Wortspiel. Vor einigen Jahren wurde ja schon einmal das Wort “Zapatour” kreiert. Es brachte zum Ausdruck, dass die Leute nach Chiapas kamen, um dem Revolutions-Tourismus zu frönen. Das Wort wurde aber nicht in Mexiko erfunden, und Revolutions-Tourismus gibt es auch schon immer. Im Fall des Zapatismus hat er nachgelassen, weil die Gemeinden sich inzwischen sehr stark abgeschlossen haben. Früher boten diese Touristen den Zapatisten übrigens Schutz, sie dienten quasi als Schutzschild. Denn solange Ausländer in der Gegend unterwegs waren, konnte das Militär nicht angreifen. Manche kamen vielleicht nur der Sonne wegen, aber die Zapatisten nahmen das Ganze nie als Tourismus wahr.

Radio-Interview: Karolina Caicedo Flórez, Radio Itinerante, Quelle: adital, deutsche Bearbeitung: Bernd Stößel

Zapatisten in Chiapas, Mexiko. Foto: Sebastian Stallabrass

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz