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Mexiko |

Tödliches Geschäft mit Mexiko – Prozess gegen Heckler & Koch am Bundesgerichtshof  

Der deutsche Waffenhersteller Heckler & Koch lieferte illegal Gewehre nach Mexiko. Das Unternehmen musste Millionenstrafen zahlen – und zwei Mitarbeiter wurden verurteilt. Nun wurde der Fall am Bundesgerichtshof neu verhandelt. 

Heckler & Koch lieferte illegal nach Mexiko mehr als 4.500 G36 Sturmgewehre. Foto: Pixabay

Als rund 300 junge Mexikaner am 12. Dezember 2011 im Bundesstaat Guerrero auf eine Autobahn zogen, um gegen die Regierung zu protestieren, passierte etwas, das nie hätte passieren dürfen. Schwere Geländewägen der Polizei rollten an, Polizisten sprangen ab, es fielen Schüsse – die Sicherheitskräfte feuerten auch mit G36-Sturmgewehren aus deutscher Schmiede von Heckler & Koch. Zwei Demonstranten starben. Drei Jahre später erlangte derselbe Bundesstaat weltweit traurige Berühmtheit: In Iguala verschwanden 43 Studenten der Hochschule Ayotzinapa spurlos. Was genau geschah, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Doch der Jurist Christian Schliemann vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) erklärt: "Es haben sich an den verschiedenen Tatorten Patronenhülsen finden lassen, die Gewehren von Heckler & Koch zuzuordnen waren. Es lässt sich also davon ausgehen, dass diese Waffen eingesetzt wurden."  

Das Problem: Rüstungsexporte in die Bundesstaaten Guerrero sowie Chiapas, Chihuahua, und Jalisco waren verboten. Alle vier Regionen galten als unsicher, weil dort die Gewalt der Drogenkartelle besonders heftig wütet. Dennoch gelangten zwischen 2006 und 2009 rund 4.500 Sturmgewehre des Typs G36 von Heckler & Koch in diese Unruheprovinzen. Am Donnerstag hat nun der Bundesgerichtshof diesen Fall verhandelt.

Schon 2019 hatte das Landgericht Stuttgart zwei Mitarbeiter von Heckler & Koch zu Bewährungsstrafen verurteilt, weil das Unternehmen an illegalen Waffenlieferungen nach Mexiko beteiligt war. Zudem muss das Unternehmen eine Strafe von rund 3,7 Millionen Euro zahlen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass bewusst falsche Endverbleibserklärungen (EVE) erschlichen worden waren. Normalerweise sollen die EVE regeln, dass Exporte in einer dafür vorgesehenen Region bleiben. Demnach war es legal, Waffen in sichere Bundesstaaten Mexikos zu liefern – doch dort hätten sie auch bleiben müssen. Genau das ist nicht passiert: Denn unter dem damaligen Verantwortlichen im mexikanischen Verteidigungsministerium, General Humberto Alfonso Guillermo Aguila, wurden die Waffen einfach an Militärs und Polizisten in den verbotenen Regionen weiterverteilt. Mitarbeiter des Unternehmens wussten vermeintlich Bescheid, doch die Gewehre wurden trotzdem ausgeliefert. Das Unternehmen selbst wollte sich auf Anfrage von Blickpunkt Lateinamerika mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht äußern. Der Staatsanwalt des Stuttgarter Prozesses urteilte damals: «Es ist nicht richtig, dass es straflos sein soll, Waffen nach Mexiko zu liefern, von denen man weiß, dass sie in Bundesstaaten landen, die nicht beantragt waren (...) Die Endverbleibserklärungen wären reine Makulatur.»

Zu wenig Kontrolle

Beide Seiten, sowohl die Angeklagten als auch die Kläger, gingen in Revision – und zogen damit vor den Bundesgerichtshof (BGH). Der Friedensaktivist Jürgen Grässlin, der zusammen mit dem Rechtsanwalt Holger Rothbauer den Prozess ins Rollen brachte, erwartet sich von dem BGH-Prozess ein Grundsatzurteil mit Signalwirkung für den Gesetzgeber und die gesamte Rüstungsindustrie. Es soll nun endgültig geklärt werden, dass Endverbraucherklärungen kein angemessenes Mittel seien, um illegale Rüstungsexporte zu verhindern. "Ich hoffe, dass die Urteilsverkündung am 11. März durch den BGH hier absolute Klarheit schafft. Denn der Prozess gegen Heckler & Koch am BGH hat nachdrücklich aufgezeigt, dass bisher kein effektives Genehmigungs- und Kontrollverfahren seitens des Bundes bei Rüstungsexporten existiert“, sagt Grässlin. Er wünsche sich die Schaffung eines neuen effizienten Rüstungsexport-Kontrollgesetzes.

Zu einem ähnlichen Urteil kommt Christian Schliemann vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR): "Der Fall Heckler & Koch zeigt, dass Endverbleibserklärungen oft das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben wurden." Noch immer seien Waffenexporte häufig intransparent: "Wir haben den Rüstungsexportkontrollbericht von der Bundesregierung – da stehen zwar mengenmäßige Angaben drin, aber man weiß selten, was für konkrete Waffen, wann und mit welcher Genehmigung irgendwohin geliefert werden." Ein Schritt in die richtige Richtung seien sogenannte Post-Shipment-Kontrollen. Darin behält sich die Bundesregierung vor, auch nach der Lieferung in bestimmte Länder überprüfen zu dürfen, ob die Waffen tatsächlich in dem in der Endverbleibserklärung vorgesehenen Gebiet geblieben sind.  Damit hätte sich auch die illegale Weitergabe der G36-Gewehre verhindern lassen. Schon jetzt wendet das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrollen das Gesetz in Einzelfällen an. 

Gerechtigkeit für die Opfer

Einen Etappensieg sieht Jürgen Grässlin durch seine Klage bereits erreicht. Heckler & Koch hat einen Exportstopp für Mexiko verhängt – seit 2010 unterhält das Unternehmen nach eigenen Angaben keine Geschäftsbeziehungen mehr zu dem lateinamerikanischen Land. "Somit haben wir mit meiner Strafanzeige viel erreicht", sagt Grässlin, der auch einer der Sprecher der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ ist. Heckler & Koch hat daraufhin zudem eine Grüne-Länder-Strategie eingeführt. Darin heißt es, die Firma beliefere nur noch Staaten der Europäischen Union, der NATO oder der NATO gleichgestellte Länder – dazu zählen Japan, Australien, Neuseeland und die Schweiz.

Nun erhofft sich Jürgen Grässlin von dem Urteil des Bundesgerichtshofs noch eine weitere Signalwirkung: Gerechtigkeit für die Opfer in Mexiko. "Heckler & Koch muss die Millionenstrafe vollumfänglich bezahlen. Verantwortliche dieses unglaublichen Exportdeals saßen nicht einzig in der zweiten Reihe, sondern auch in der Geschäftsführung. Endverbleibserklärungen waren und sind rechtlich bindend“, sagt Jürgen Grässlin. Die Rechtsanwältin im Fall der 43 verschwunden Studenten in Mexiko sagte ihm, dass sie in Mexiko überhaupt keine Chance hätten, juristisch gegen die Verantwortlichen vorzugehen. "Sie hoffen sehr darauf, dass unsere Anklage gegen Heckler & Koch einen Erfolg bringt. Denn das ist die einzige Chance, eine gewisse Form der Gerechtigkeit in Mexiko herzustellen."

 

Autor: Julian Limmer 

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