Studenten rufen Kirche um Hilfe
Juan Requesens, einer der prominentesten Sprecher der seit zwei Wochen demonstrierenden oppositionellen Studenten, erklärte in einer Pressekonferenz am Donnerstag: "Im Namen der Bewegung der Studenten Venezuelas möchten wir die Repräsentanten der Kirche bitten, dass sie in den nächsten Stunden einen Vertreter oder Sprecher zu benennen, der in dieser Situation vermitteln kann." Requesens unterstrich am Abend, die Ursache für die Proteste seien die ungeahndete Kriminalität, die fehlende Meinungsfreiheit und die wirtschaftlichen Probleme.
Einer der möglichen Kandidaten für eine erhoffte Vermittlung könnte Bischof Mario Moronta sein, der aus den Reihen der Venezolanischen Bischofskonferenz den regierenden Sozialisten am nächsten steht und auch die Trauerfeier für den im März vergangenen Jahres verstorbenen Präsidenten Hugo Chavez leitete. "Was dieses Land braucht ist eine Versöhnung, aber dafür sind auch Treffen und ein Dialog notwendig", zitierte die Tageszeitung El Universal den Bischof von San Cristobal noch vor wenigen Tagen. Venezuelas Präsident Nicolas Maduro hatte am Mittwoch in einer Fernsehansprache erklärt, er stehe für einen Dialog mit den Studenten bereit.
Dokumentation der Gewalt
Unterdessen stellt sich auch nach knapp zwei Wochen die Situation unübersichtlich da. Die Opposition berichtete am Donnerstag erneut über schwere Menschenrechtsverletzungen, Polizeigewalt und staatlicher Repression seitens regierungsnaher bewaffneter paramilitärischer Gruppen. Um die Anschuldigungen auch dokumentieren und beweisen zu können, ließ das Lager von Oppositionspolitiker Henrique Capriles eine E-Mail-Adresse einrichten, an die sich Opfer werden können. Dort sollen Videos, Fotos und Zeugenaussagen gesammelt werden. Kardinal Jorge Urosa erklärte am Donnerstag, es gäbe viele bewaffnete Gruppen, "die anscheinend nicht den staatlichen Sicherheitskräften angehören. Die Regierung muss diese Gruppen an die Leine nehmen." Die Regierung entsandte unterdessen Armeeeinheiten in die Unruheprovinz Tachira.
Für die Opposition könnten unterdessen die Proteste in einem Desaster enden. Zum einen präsentieren sich ihre führenden Köpfe nicht geschlossen, zum anderen sitzt einer ihren prominentesten Kräfte Leopoldo Lopez mittlerweile im Militärgefängnis. Präsident Maduro machte sich nicht einmal die Mühe zu verheimlichen, dass er die Justiz, die eigentlich unabhängig arbeiten müsste, beauftragt hat, Lopez hinter Gitter zu bringen: "Der Chef des Faschismus ist schon gefangen, und ich werde das mit allen Faschisten machen, wo immer sie sein mögen." Lopez wird Anstachelung zur Gewalt aufgerufen. Ob und wann Lopez frei kommt, wie es zahlreiche Menschenrechtsorganisationen und mittlerweile auch Künstler aus ganz Lateinamerika fordern, ist derzeit völlig offen.
Harte Hand gegen Regierungskritik
Unterdessen setzt Maduro auch seinen harten Kurs gegen regierungskritische TV-Sender fort. Nachdem der Präsident bereits den aus Kolumbien sendenden konservativen Nachrichtensender NTV24 aus dem Netz werfen ließ, droht dies inzwischen auch dem Nachrichtenkanal CNN, wenn der weiterhin ein falsches Bild von den Zuständen in Venezuela verbreiten werde, so Maduro. Es gebe im Land kein Bürgerkriegsszenario wie es CNN seinen Zuschauer vermittelte, kritisierte der sozialitische Politiker am Abend. CNN greift bei seiner Berichterstattung vor allem auf eingesandte Augenzeugenvideos zurück, die Polizeiübergriffe zeigen sollen. Die staatlichen Sender zeigen unterdessen Szenen von öffentlichen Einrichtungen, die von gewalttätigen Gruppen der Oppositionsbewegung zerstört worden sein soll.
CNN nahm am Abend eine Diskussion ins Programm, die es in dieser Form in den staatlichen kontrollierten Medien schon lange nicht mehr gab: Eine ernsthafte und seriöse Debatte von sechs Vertretern der Studentenbewegung aus allen politischen Lagern, die ihre Argumente zwar in leidenschaftlicher Atmosphäre, aber in respektvoller Form miteinander austauschten.
Autor: Tobias Käufer.
Foto: AndresAzp. CC BY-ND 2.0