Strafverfahren gegen Ex-Präsident de la Rúa
Erstmals in der Geschichte Argentiniens muss sich ein Ex-Präsident wegen Bestechung vor Gericht verantworten. Am Dienstag begann vor dem 3. Bundesgericht der Strafprozess gegen Ex-Staatsoberhaupt Fernando de la Rúa (1999 – 2001). Für die »Verabschiedung des Gesetzes zur Arbeitsmarkt-Reform« soll der heute 74-Jährige im Jahr 2000 mehreren hochrangigen Senatoren Geld angeboten und später auch gezahlt haben, so die Anklageschrift.
Wegen »aktiver Bestechung« sitzen neben de la Rúa auch zwei seiner damaligen Minister auf der Anklagebank. Vier Ex-Senatoren müssen sich wegen »passiver Bestechung«, das heißt der Annahme von Geld, rechtfertigen. Bei einem Treffen des mächtigen Personenkreises April 2000 im Büro des Präsidenten sei im Tausch für die Zustimmung zum Gesetzesvorhaben die Zahlung von fünf Millionen Pesos vereinbart worden, erklärte die Staatsanwaltschaft.
Mario Pontaquarto, rechte Hand von de la Rúa´s mittlerweile verstorbenen Senatschef José Genoud, hatte das Bestechungsgeld eigenen Angaben zufolge persönlich von der Geheimdienstzentrale SIDE abgeholt und zwecks Übergabe in den Senat transportiert, berichtet die Nachrichtenagentur »Telam«. Für Bestechung sieht das argentinische Recht Haftstrafen von ein bis sechs Jahren Haft vor.
Das damals höchst umstrittene Gesetz zur Arbeitsmarktreform, das für die neoliberale Deregulierungspolitik der Rúa-Administration laut Gericht »existentiell« gewesen sei, bedeutete für Argentiniens abhängig Beschäftigte einen massiven Einschnitt in ihre Rechte, unter anderem Lohnsenkungen, Aufweichung des Kündigungsschutzes und Schwächung der Gewerkschaften. Nach dem Ausbruch sozialer Proteste und dem Staatsbankrott floh de la Rúa im Dezember 2001 im Helikopter aus dem Regierungspalast. (bb)