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"Sicherheit geht vor Exklusivität"

Wer in Mexiko über den Drogenkrieg schreibt, lebt gefährlich: Über 50 ermordete Journalisten zählt die blutige Statistik allein in den vergangenen fünf Jahren. Allein im vergangenen Jahr kamen elf Journalistenmorde hinzu. Nach Angaben des interamerikanischen Journalistenverbandes SIP wurde seit 1998 nur ein einziger Mord an Pressevertretern aufgeklärt. Viele Redakteure und Fotografen verlassen die Verlagshäuser nur noch in Gruppen, um zu den Tatorten zu gelangen.

Die meisten Journalisten tragen im Außendienst eine schusssichere Weste. Adveniat sprach mit Pedro Torres, dem stellvertretenden Direktor der Tageszeitung "El Diario de Ciudad Juarez" über die Auswirkungen des Drogenkrieges und der alltäglichen Gewalt auf die Arbeit der Journalisten. Die nordmexikanische Stadt Ciudad Juarez an der Grenze zu den USA gilt als die Stadt mit der weltweiten höchsten Mordrate der Welt.

Frage: Wie wirkt sich die tägliche Gefahr auf die Arbeit der Journalisten aus?

Pedro Torres: Wir haben die Art und Weise, wie wir arbeiten, verändern müssen, um die Sicherheit unserer Mitarbeiter zu gewährleisten. Unter anderem werden Artikel, Fotos oder Videos, die über die Gewalt berichten, nicht mehr grundsätzlich mit dem Namen des Autors versehen, allerdings sind nicht alle Redakteure oder Fotografen damit einverstanden. Sie sind stolz auf ihre Arbeit und wollen, dass die Menschen das auch sehen. Wir kennzeichnen trotzdem Beiträge, die für den Autor gefährlich werden können, als eine Arbeit der Redaktion. Es gibt in Ciudad Juarez keinen Tag ohne Morde und schreckliche Gewalt. Wir raten den Journalisten nur in Gruppen aufzutreten. Die Sicherheit geht vor Exklusivität.

Frage: Es gibt Berichte, dass die mexikanischen Versicherungskonzerne für Journalisten keine Lebensversicherungen mehr abschließen wollen.

Torres: Es gibt keinen Grund warum sie das tun sollten. Wir Journalisten haben unsere Policen stets pünktlich bezahlt. Wir haben unsere Verärgerung darüber zum Ausdruck gebracht. Und wir sind nicht allein betroffen: Auch über Lebensversicherungen von anderen Berufsgruppen, die ein hohes Risiko eingehen wie Polizisten oder Mediziner wird nachgedacht. Was uns erstaunt ist, dass die Versicherung, die uns bislang betreut hat, zum Firmenimperium von Carlos Slim gehört. Er ist der reichste Mann der Welt, der sich gerne damit brüstet, dass seine Firmen eine soziale Verantwortung tragen. Was dieser Herr und seine Firma macht, ist verantwortungslos, weil sie ausgerechnet den Berufsgruppen den Schutz entziehen, der lebenswichtige Aufgaben wie den Schutz der öffentlichen Sicherheit, die Betreuung von Verletzten und die unabhängige Berichterstattung gewährleisten.

Seit 2007 sind mehr als 27 Journalisten ermordet worden, weitere sieben sind verschwunden. Ist es das wert?

Torres: Die Frage ist, ob jemand das gerne macht was er tut, dann ist er auch bereit ein Risiko auf sich zu nehmen. Wir wissen, dass die journalistische Arbeit Risiken beinhaltet. Das gilt vor allem für unsere Stadt seitdem die Situation noch gefährlicher geworden ist. In unserer Zeitung wurde ein Kollege ermordet. Wir wurden bedroht und wir werden weiterhin bedroht, weil wir lieben was wir tun, zu recherchieren und dorthin zu gehen, wo wir die Informationen bekommen, die wir brauchen.

Ist angesichts der Gewalt überhaupt ein klarer und tiefgründiger Journalismus möglich?

Torres: Wir sind manchmal wie das Wasser, das versucht sich einen Weg durch unwegsames Gelände zu bahnen. Stoßen wir auf Widerstand, nehmen wir einen Umweg in Kauf. Wir hatten vor einem halben Jahr einen Fall, als uns Informanten den Hinweis zu einer Organisation von Geldwäschern in unserer Stadt gaben. Wir haben die Namen einiger Wechselstuben und einiger Banken in Ciudad Juarez und in Los Angeles erhalten. Als wir die Informationen veröffentlicht wollten, kamen die Drohungen. Wir haben dann entschieden nicht alles zu veröffentlichen um das Leben unserer Informanten nicht zu gefährden. Manchmal dauert es eben etwas länger, bis die Dinge an die öffentlichkeit kommen.

Glauben Sie, dass sich die Situation in einigen Jahren eher verbessert oder verschlechtert?

Torres: Ich glaube, dass es interessant ist, dies als ein Ziel zu sehen.

Wir sollten das Positive aus dieser sehr schwierigen Situation, die wir gerade durchmachen, herausziehen. Am Ende sind wir uns selber schuldig, unsere Arbeit stetig zu verbessern, unsere Arbeit sicherer zu machen und vielleicht auch einmal aus einer anderen Perspektive zu sehen. Die Menschen haben diese Krise herbeigeführt und die Menschen müssen einen Ausweg aus dieser Krise finden. Ich hoffe, dass wir die Dinge zum Besseren verändern können.

Das Gespräch führte Tobias Käufer.

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