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Mexiko |

Sesam öffne dich!

Mehr Wettbewerb, faire Preise und einen besseren Zugang zu Information für die Bevölkerung. Das und noch viel mehr soll die letzte Woche vom mexikanischen Parlament verabschiedete Telekommunikationsreform erreichen. Marktöffnung und staatliche Regulierung gelten als Wunderwaffe im Kampf gegen die Telekom- und TV-Monopole des Landes.

Nach 17 Stunden Diskussion und hitzigen Debatten hatte das mexikanische Abgeordnetenhaus endlich um 4.17 Uhr am Donnerstagmorgen über die 33 Artikel des neuen Telekommunikationsgesetztes entschieden. Mit kleinen inhaltlichen Änderungen wurde die von Präsident Enrique Peña Nieto vorgeschlagene Gesetzesinitiative zur Neuregelung des Mediensektors in Mexiko mehrheitlich angenommen. Francisco Arroyo Vieyra, Präsident des Abgeordnetenhauses, nimmt an, dass der bearbeitete Gesetzesvorschlag sogar noch vor Ostern vom mexikanischen Senat verabschiedet werde. Damit dürfte einer von Investoren schon lange erwarteten öffnung des mexikanischen Telekommunikationssektors nichts mehr im Wege stehen.

Den Mediensektor im Land neu zu ordnen und dadurch die vorherrschenden Telekom- und TV-Monopole zu brechen, das hatte sich Präsident Enrique Peña Nieto noch vor Amtsantritt gut leserlichauf die Brust geschrieben. Um für sein mit Abstand ehrgeizigstes Projekt aus einer Reihe geplanter Reformen möglichst viele Kongressabgeordnete zu überzeugen, verwendete er bewusst pathetische Worte: „Keinen Zugang zu Telekommunikation zu haben ist auch eine Form von Analphabetismus und signalisiert für viele Mexikaner einen Ausschluss aus der Gesellschaft“.

Wahrhaftig ist der Zugang zu Information und qualitativer Berichterstattung in Mexiko eine Mangelware. Während zwar in den meisten Haushalten des fast 115 Millionen Einwohner großen Landes ein Fernseher vorhanden ist, besitzen nur drei von zehn Haushalten einen Computer, 78 Prozent haben gar keinen Zugang zum Internet. Gleichzeitig wohnt in Mexiko laut US-Magazin Forbes der reichste Mensch der Welt: Carlos Slim Helú mit einem geschätzten Privatvermögen von 73 Milliarden US-Dollar. Sein Reichtum geht zurück auf das neoliberale Jahrzehnt der damaligen PRI-Regierung unter Carlos Salinas de Gortari. Der ehemalige Präsident vermachte ihm im Zuge der Privatisierung die staatliche Telefongesellschaft. Heute kontrolliert Slim mit seinem Unternehmen AméricaMóvil rund 80 Prozent des Festnetzmarktes, rund 70 Prozent des Mobilnetzes und mehr als 60 Prozent der Breitbandanschlüsse. Einen guten Service sowie eine faire Preispolitik für Kunden anzubieten scheint für den Multimilliardär daher wohl nicht als beachtenswert.

Stark konzentriert zeigt sich ebenfalls der TV-Sektor. Hier beherrscht das Duopol Televisa und TV-Azteca mit mehr als 90 Prozent fast den kompletten Fernsehmarkt und über die Hälfte aller Kabelangebote. Diese Marktdominanz soll sich mit der verabschiedeten Reform nun endlich ändern. Durch die Gründung einer autonomen Bundesaufsichtsbehörde für Telekommunikation (Ifetel), welche die bisherigen korruptionsverdächtigen Behörden ersetzt, soll die Konzentration der Frequenzen begrenzt werden. Ebenfalls soll das neue Institut erstmals ohne politische Kontrolle Lizenzen vergeben aber auch entziehen können. Zusätzlich soll der Behörde die Befugnis erteilt werden, dominierende Unternehmen mit über 50 Prozent Marktanteil zum Verkauf von Lizenzen zwingen zu können.

Ein weiterer zentraler Punkt der Reform ist die öffnung des Radio- und TV-Markts von bis zu 49 Prozent für Auslandsinvestitionen. Im Fest- und Mobilfunkmarkt soll sogar eine 100-prozentige ausländische Beteiligung möglich sein. Von der Marktöffnung erhofft sich die neue Regierung vor allem mehr Wirtschaftswachstum und einen größeren Wettbewerb, in Folge dessen auch mehr Qualität und fairere Preise für die Kunden. Zudem soll ein landesweiter öffentlicher Fernsehkanal aufgebaut werden. Televisa und TV-Aztecadürfen sich daran aber nicht beteiligen auf Grund ihrer hohen Marktkonzentration.

In den TV-Markt einsteigen darf neuerdings aber AméricaMóvil, das in der Vergangenheit noch von den zuständigen Behörden daran gehindert wurde. Man möchte diesen Beschluss nur zu gerne als eine Art Wiedergutmachungsgeste für den Unternehmer Carlos Slim verstehen, dessen AméricaMóvil-Aktie nach Bekanntmachung der Gesetzesinitiative auf den niedrigsten Stand seit Juni 2009 abgerutscht war. Für den Multimilliardär, der sein Firmenkonglomerat durch weltweite Investitionen jedoch schon längst unantastbar gemacht hat, aber noch lange kein Grund zur Panik. Er, sowie seine Kollegen in der Chefetage von Televisa und TV-Azteca, begrüßten die Reformvorschläge und hießen den internationalen Wettbewerb in Mexiko willkommen.

Einstimmig ablehnend auf die neue Gesetzesvorlage reagierten die linken Parteien „Arbeitspartei“ (PT) und „Bürgerbewegung“ (MovimientoCiudadano) sowie viele Nichtregierungsorganisationen. Ihrer Meinung nach verfehlt die Initiative eine notwendige Demokratisierung der mexikanischen Medienwelt, da wichtige Forderungen wie das Recht auf Meinungsfreiheit und wahrheitsgemäße Information nicht aufgegriffen werden. Ebenfalls wurden die Forderungen indigener Gruppen nach einem Recht auf eigene Kommunikationsmittel sowie einen diskriminationsfreien Zugang zu anderen Medien bei dem Reformbeschluss nicht berücksichtigt. Die Mehrheit der Abgeordneten von PRI, PAN, PVEM und „Neue Allianz“ rechtfertigten die Ablehnung einer Vergabe von Radio-Lizenzen an die indigenen Gemeinden mit dem Argument, die Frequenzen könnten als Mittel zur Staatsauflehnung missbraucht werden. Mit dieser Entscheidung hat der mexikanische Staat wieder einmal mehr bewiesen, dass er an der Entfaltung der indigenen Kultur durch moderne Kommunikationsmittel und Förderung der indigenen Sprachenvielfalt wenig Interesse zeigt.

Text: Sarah Charlotte König

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