Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Venezuela |

Presse auf dem Weg zur Gleichschaltung

Sitz der venezolanischen Tageszeitung "El Impulso", die ihr Erscheinen mangels Papier einstellen muss. Foto: Barquisimeto - Ciudad Crepuscular, CC BY-NC-SA 2.0.
Sitz der venezolanischen Tageszeitung "El Impulso", die ihr Erscheinen mangels Papier einstellen muss. Foto: Barquisimeto - Ciudad Crepuscular, CC BY-NC-SA 2.0.

"El Impulso ist damit die sechste Zeitung innerhalb eines Jahres, die dieses Schicksal erleidet. Das Zeitungssterben ist Teil der Medienstrategie der Regierung", meint Axel Capriles.

Der Kommentator der Traditionszeitung "El Universal" wurde vor einigen Wochen entlassen - nachdem die Zeitung an ein ominöses, erst kurz vorher gegründetes Konsortium verkauft worden war. Daraufhin wurde der Spielraum für Kritik und investigativen Journalismus merklich enger. Dutzende Mitarbeiter mussten gehen, andere schluckten zähneknirschend, dass ihre Beiträge mit regierungsfreundlichen Passagen und Überschriften versehen wurden. Denn inzwischen verbreitet die Zeitung ebenso offizielle Propaganda wie die meisten Blätter, Radios und TV-Stationen. Im Index der Medienfreiheit von "Freedom House" rangiert das südamerikanische Erdölland auf dem 171. von 197 Plätzen - Tendenz fallend.

Strategie: Medien unter Druck setzen

Hatte der verstorbene Präsident Hugo Chávez noch die Konfrontation mit den oppositionellen Privatmedien gesucht und ihnen Konzessionen entzogen, fährt sein Nachfolger Nicolás Maduro eine dezentere, aber umso effektivere Strategie: er setzt die Medien so lange unter Druck - mithilfe der Steuerbehörde, indem er Geldstrafen wegen angeblicher Verstösse gegen das Mediengesetz verhängt oder kritische Zeitungen einfach keine Devisen für den Einkauf von Papier mehr bekommen - bis ihre Eigentümer das Handtuch werfen und an neureiche, regierungsnahe Strohmänner verkaufen. "Das funktioniert so wie das Kinderlied von den zehn kleinen Negerlein", schrieb die nicaraguanische Zeitung "El Confidencial". Viele sind nicht mehr übrig: "Unseren Erhebungen zufolge werden mittlerweile 80 Prozent aller Medien direkt oder indirekt von der Regierung kontrolliert", sagt Carlos Correo vom Medienobservatorium "Espacio Público". Formal freilich, sind die meisten von der Regierung unabhängige Privatmedien.

Unter Maduro wurden die Mediengruppe "Cadena Capriles" und der letzte oppositionelle TV-Sender Globovisión von regierungsnahen Unternehmern gekauft und 40 Radiostationen geschlossen, teilweise mit Militärgewalt. Die Zeitung "Tal Cual" musste 100.000 US-Dollar Strafe zahlen für einen satirischen Brief an Chávez Tochter, einer anderen Zeitung wurde vorgeworfen, aufrührerische Parolen in ihren Kreuzworträtseln zu verstecken. "El Nacional" wurde eine hohe Geldstrafe auferlegt, weil die Zeitung eine Reportage und Fotos aus dem überfüllten Leichenschauhaus veröffentlicht hatten, was "Kindern psychisch unzumutbar" sei. Die beiden sind die letzten, unabhängigen nationalen Printmedien.

Sanktionen gegen Staatsmedien wie die Sender VTV, Tves, Vive und Telesur, die Nachrichtenagentur AVN oder Radio del Sur sind hingegen selten. Viele dieser Medien haben mickrige Auflagen und Einschaltquoten, doch in der sozialistischen Logik geht es nicht um Gewinn, sondern um "Kommunikationshegemonie", wie Ex-Informationsminister Andrés Izarra es definiert hat. Dem Volk solle seine Stimme zurückgegeben werden, die von der Bourgeoisie gekapert worden sei. Mit diesem Argument erhielten nun auch die auf Linie gebrachten Streitkräfte und die staatliche Erdölfirma PDVSA einen TV-Kanal.

Liste unliebsamer Korrespondenten

Die Eingriffe machen auch vor ausländischen Medien nicht Halt: Im Februar, auf dem Höhepunkt der Studentenproteste, wurde CNN-Staransagerin Patricia Janiot das Visum entzogen, der kolumbianische Nachrichtensender NTN24 wurde aus dem Kabelnetz genommen; der argentinische Enthüllungsjournalist Jorge Lanata wurde am Flughafen stundenlang von der Militärpolizei festgehalten und seines Materials beraubt. "Ich weiss, dass meine Telefone abgehört werden", sagt die Korrespondentin der konservativen spanischen Zeitung ABC, Ludmila Vinogradoff. Ihre Berichte wurden schon mehrfach von der Regierung öffentlich angeprangert. "Die Schlinge zieht sich auch um uns zu", sagt sie. Vor einiger Zeit hing im Kommunikationsministerium, wo sich die Korrespondenten akkreditieren, sogar eine schwarze Liste unliebsamer Korrespondenten aus, darunter die so renommierter Blätter wie die FT. Der Korrespondent ging inzwischen nach Buenos Aires.

Für Journalisten ist es laut Vinogradoff zunehmend schwierig, an Informationen zu kommen, denn die Regierung veröffentlicht nur noch sporadisch Schlüsselzahlen, etwa über die Zahlungsbilanz oder die Inflation. Zu Pressekonferenzen und Veranstaltungen der Regierung haben nur ausgewählte Journalisten Zutritt. Die kritische Öffentlichkeit ist ins Digitale abgewandert - wie zum Beispiel der Journalist Nelson Bocaranda, dessen erfolgreiche Sendung "runrunes" ihren Sendeplatz im Radio verlor, nun aber auf twitter fast eine Million Fans hat. Mit neun Millionen Facebooknutzern und vier Millionen Twitter-Konten ist Venezuela proportional Spitzenreiter in Lateinamerika.

Doch der digitale Frühling könnte bald in einen Herbst umschlagen, fürchtet Correa. In politisch kritischen Momenten wie der Studentenproteste im Februar schaltete die staatliche Telekombehörde kurzzeitig Internet ab. Inzwischen wurden auch schon die ersten Internetcafés durchsucht, die ersten Blogger verhaftet, unter dem Vorwurf der verschwörerischen Volksverhetzung. "Das dient der Einschüchterung", sagt Vinogradoff. "Am liebsten würden sie Internet kontrollieren wie in Kuba oder China und die Kritiker mundtot machen, aber bisher schrecken sie noch davor zurück, derart radikal das Rad der Zeit zurückzudrehen."

Autorin: Sandra Weiss, Foto: Barquisimeto - Ciudad Crepuscular, CC BY-NC-SA 2.0

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz