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Politische Literatur von beiden Seiten des Atlantiks

Das Internet-Projekt „Los Superdemokraticos“ zwischen zwei Buchdeckeln

Anlässlich der Feiern zum „Bicentenario“ wurde im vergangenen Jahr der deutsch-lateinamerikanische Internet-Blog „Los Superdemocraticos“ ins Leben gerufen, auf dem rund 30 Autorinnen und Autoren von beiden Seiten des Atlantiks veröffentlichen. In der Hauptphase des Projekts zwischen Juni und Oktober 2010 erschienen insgesamt über 200 kurze Essays, welche parallel Spanisch und Deutsch online gingen. Die Initiatoren sprechen davon, einen „intellektuellen Fairtrade“ zwischen Deutschland und den lateinamerikanischen Staaten angestoßen zu haben, der die wichtigen Themen des 21. Jahrhunderts behandele. Der gleichberechtigte Austausch von Ideen, Meinungen und politischen Ansichten erfolge zwar in erster Linie virtuell, werde aber durch regelmäßige Sommersalons in Berlin und Aktionen während der Buchmessen in Frankfurt/Main, Leipzig und im mexikanischen Guadalajara ergänzt.

Überführung ins gedruckte Medium

Während das spannende Literatur- und Kommunikationsexperiment im Netz weiterläuft, hat es jüngst auch den Sprung in die Offline-Welt gewagt. Eine Auswahl von Texten und Diskussionsbeiträgen liegt in einem von Rery Maldonado und Nikola Richter herausgegebenen Sammelband vor. Aufgeteilt in die Großkapitel „Geschichte“, „Körper“, „Bürger“ und „Globalisierung“ findet man darin ein breites Spektrum an Meinungen und literarischen Formen: Ausführungen, Einlassungen, aufgeregte Wortmeldungen, Sentenzen, Gedichte und Texte in freier Form. Das Buch bildet das Projekt in gewisser Weise ab, bietet aber gleichzeitig aufgrund der Auswahl und Zusammenstellung der Beiträge ganz eigenständige Rezeptionsmöglichkeiten. Dabei stellt es den ursprünglich online geführten Diskurs nach, indem es den Haupttexten jeweils einige Kommentare und Vorschläge von den anderen am Projekt beteiligten Autoren/innen hinzufügt.

Schlaglichter auf die Inhalte der Debatte

Javier Badani, ein Zeitungsredakteur aus Bolivien, schreibt im Kapitel „Geschichte“ beispielsweise über eine These aus dem 17. Jahrhundert, derzufolge der biblische Garten Eden im Regenwald Amazoniens gelegen habe. Diese Vorstellung würde natürlich beinhalten, dass Adam und Eva von kleiner Statur und dunkelhäutig waren, was den Nachfahren der weißen Eroberer Südamerikas – so Badanis Einschätzung – missfallen haben dürfte.

Die argentinische Lyrikerin María Medrano denkt über die jüngere Geschichte ihres Landes nach und stellt sich eine Touristenkarte vor, auf der zusätzlich zu den steinernen und architektonischen Zeugnisse der Vergangenheit auch die Orte des Widerstandes gegen Unterdrückung und Diktatur verzeichnet sind. Darunter versteht sie nicht nur geographische Orte, sondern auch intellektuelle Positionen – egal ob es sich um die innere Opposition von Einzelnen oder um öffentliche Akte des Widerstandes gehandelt hat. Bestes Beispiel hierfür wäre ein „Karteneintrag“ zu den Müttern und Großmüttern von der Plaza de Mayo, die während der Diktatur begonnen haben, eine offizielle Stellungnahme zum Verbleib ihrer verschwundenen Söhne einzufordern.

Identität und der große Nachbar im Norden

Lena Zúñiga, die in Costa Rica aufgewachsen ist und heute in den Vereinigten Staaten lebt, berichtet im Kapitel „Bürger“ von ihrem Wunsch, die US-Staatsbürgerschaft zu erwerben. Die Autorin, Tochter politisch linker Eltern und mit einer Vielzahl progressiver Ideen und Standpunkte bestens vertraut, schiebt ihre eigenen Vorurteile sowie die in Lateinamerika weit verbreiteten Bedenken gegen die USA beiseite. Was ihr heute wichtiger erscheint als der Diskurs über die Vormachtstellung der Gringos, ist die aktive politische Teilhabe an jenem Ort, den sie zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht hat. Zúñiga möchte über die lokal wichtigen Themen mitentscheiden, ggf. auch legal protestieren können, wenn etwa kommunale Einrichtungen zur Disposition stehen. Die Autorin weiß natürlich, dass sie, ob mit oder ohne US-Staatsbürgerschaft, zu den privilegierten Latinos in den USA gehört und dass eine große Zahl von Migranten aus dem Süden sich über viel elementarere Dinge sorgen müssen.

Thomas Völkner

Rery Maldonado / Nikola Richter (Hg.): Los Superdemokraticos
Berlin: Verbrecher Verlag 2011
250 Seiten, EUR 14,00
ISBN 978-3-940426-73-4

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