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Argentinien |

Pérez Esquivel: "Widerstand ist die Essenz meines Lebens"

Das Leben mancher Menschen ist so prall gefüllt mit Ereignissen, Beschäftigungen und Wendungen, dass es für mehrere reichen würde. Einer von ihnen ist der Argentinier Adolfo Pérez Esquivel.

Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel kämpft unbeirrt für die Einhaltung der Menschenrechte. Foto: Adveniat/Carolin Kronenburg

Für schwer erziehbare und lernbehinderte Jugendliche aus den Armenvierteln in Argentinien gründete Adolfo Pérez Esquivel sogenannte Friedensdörfer (SERPAJ), wo sie nach dem Prinzip von landwirtschaftlichen Genossenschaften unterrichtet und ausgebildet werden. Foto: Adveniat/Carolin Kronenburg

Die etwas zu lange graue Künstlermähne, lebendige, quirlige Augen. Adolfo Pérez Esquivel wirkt nicht 90 Jahre alt - und doch wird er es sein ab dem 26. November. 90 Jahre, so voll von Lebenserfahrung wie sonst nur drei oder vier Leben. Pérez Esquivel war arm und war Waise, war Professor, Maler, Bildhauer, Architekt. Menschenrechtler, Friedensnobelpreisträger, fast schon tot während der Militärdiktatur in Argentinien. "Das Gefühl, den nächsten Tag nicht mehr zu erleben, ist furchtbar", sagte er einmal der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Aber am Ende bin ich noch immer da und mische mich ein. Widerstand zu leisten, das ist die Essenz meines Lebens, das ist wie Atmen."

Waisenkind, Professor und Menschenrechtler

Für sein Engagement zugunsten der Ausgegrenzten musste sich Adolfo Pérez Esquivel nicht lange entscheiden. "Ich konnte die Welt der Armen als einer von ihnen entdecken", sagt er. Die Mutter starb früh, als er drei war. Die Geschwister wurden aufgeteilt - er selbst kam ins Waisenhaus. "Ich habe nie eine Familie gehabt." Mit zehn Jahren kehrte er zurück zum Vater - und schlug sich als Zeitungsjunge durch. Danach lebte er bei seiner Großmutter, einer Guaraní-Indigenen. "Sie war meine größte Lehrmeisterin, eine Analphabetin von großer Weisheit. Ich dachte immer, sie spinnt ein bisschen, wie sie mit den Tieren geredet hat - aber die Blumen sind unter ihren Händen schöner geworden. Von ihr habe ich auch die Stille gelernt."

Knapp dem Tod entkommen

Mehrmals trat er für die Menschenrechte von Ausgegrenzten und für die Meinungsfreiheit in den Hungerstreik. "Gewaltlosigkeit bedeutet nicht Passivität", lautet eines seiner Credos. Die Machthaber der Militärdiktatur (1976-1983) verhafteten ihn, sperrten ihn monatelang in eine dunkle Zelle. Als er an jenem 5. Mai 1977 gefesselt in ein Flugzeug verfrachtet wurde, wusste er, was die Stunde geschlagen hatte. In Genf hatte er die Fotos von Leichen gesehen, die an der Küste Uruguays angeschwemmt wurden: argentinische Dissidenten, systematisch abgeworfen über dem Rio de la Plata.

Das Flugzeug kreiste. Plötzlich die Wende: Rückflug und weitere 32 Tage in einer winzigen Zelle eines Hochsicherheitsgefängnisses, an deren Wand ein Vorgänger mit seinem eigenen Blut geschrieben hatte. Menschenrechtler und kirchliche Organisationen weltweit hatten sich für Pérez Esquivel eingesetzt. "Die internationale Solidarität hat mir das Leben gerettet", ist er überzeugt - "und das Gebet".

Friedensnobelpreis 1980

Mit dem überraschenden Friedensnobelpreis 1980 stand der mutige Mann mit einem Schlag im Fokus der Weltöffentlichkeit - und konnte nun nicht mehr so leicht beseitigt werden. Auch nach der Diktatur blieb er sich treu, streitet für die Aufarbeitung von Verbrechen, in Landkonflikten. Seine Menschenrechtsorganisation SERPAJ, die vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstützt wird, ist heute in vielen Ländern tätig.

Weltweit bekannt wurde sein Misereor-Hungertuch von 1992, dem 500. Jahr der Eroberung und Missionierung Lateinamerikas. Pérez Esquivel verbindet darin die Leiden Christi mit dem Leiden der Völker Lateinamerikas. Bis heute malt er solche monumentalen, wandfüllenden Szenerien, zeigt Freunde, Gefallene, Mitstreiter - und in der Mitte Christus.

Den amtierenden Papst Franziskus nahm Pérez bei einer Begegnung unmittelbar nach dessen Wahl 2013 vor Anschuldigungen hinsichtlich seiner Rolle während der Militärdiktatur in Schutz. "Der Papst hatte nichts mit der Diktatur zu tun. Er war weder ein Komplize der Diktatur, noch gehörte er zu jenen Bischöfen, die sich am meisten für die Menschenrechte einsetzten", so der Bürgerrechtler. Jorge Mario Bergoglio war ab 1973 Leiter der argentinischen Provinz der Jesuiten. In der Diktatur habe er "auf stille Diplomatie gesetzt, um nach Verhafteten und Verschleppten zu forschen".

Widerstand als "Ausdruck von Hoffnung"

Eine bessere Welt will Pérez als die des Neoliberalismus. Eine Welt von Teilhabe und Gerechtigkeit, mit Schuldenerlassen für die Länder Lateinamerikas, die nicht mehr über die Nutzung ihrer eigenen Ressourcen entscheiden können. Und mit Menschenrechten, die für alle gelten. "Widerstand, das ist immer auch Ausdruck von Hoffnung", sagt Adolfo Pérez Esquivel. Und es klingt so jung und zuversichtlich, als wäre nicht so viel Übles geschehen seit den 70er Jahren, als ein junger Akademiker sein etabliertes Leben aufgab, um ein anderes zu wählen.

Text: Alexander Brüggemann (kna)

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