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Bolivien |

Ökostrom bedroht Lebensraum: Indigene Völker klagen

Bald unter Wasser? Ein Lehmhaus des indigenen Volkes der Uchupiamonas im Departamento Beni, Bolivien. Foto: Viaje a Bolivia, CC BY 2.0.
Bald unter Wasser? Ein Lehmhaus des indigenen Volkes der Uchupiamonas im Departamento Beni, Bolivien. Foto: Viaje a Bolivia, CC BY 2.0.

Es ist ein Megaprojekt, das Boliviens Regierung der "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) in den grünen Dschungel des nordöstlichen Departamentos Beni bauen will. "Diese Energie wird ins Ausland exportiert werden", erklärte Staatschef Evo Morales bei der Vorstellung des vielleicht wichtigsten Infrastrukturvorhabens in den nächsten Jahren. "Bisher verdienen wir nur Geld durch den Verkauf von Gas", warb der Präsident für Unterstützung des wohl teuersten Einzelprojektes in der Geschichte des 11-Millionen-Einwohnerlandes.

In fünf bis sechs Jahren soll eine Abschlussstudie fertig sein. Eine Firma aus Italien wurde mit den Berechnungen beauftragt. Frühestens 2021 werden dann die ersten Bagger die Andenhänge ins Amazonasbecken hinunter rollen, um das "Proyecto Hidroeléctrico El Bala" am Amazonas-Fluss Beni aus dem roten Waldboden zu stampfen.

Energie ist für das einstige Armenhaus Lateinamerikas sehr wichtig. 2006 hatten die neu gewählten Sozialisten die heimischen Gas- und Ölreserven wie versprochen unter öffentliche Kontrolle gebracht. Die um ein Vielfaches gestiegenen Einnahmen nutzte der Staat für ein nie dagewesenes Armutsbekämpfungsprogramm: Neue Schulen, Krankenhäuser und Straßen wurden gebaut; die Gesundheitsversorgung war für jeden gratis.

Geldsorgen führen zu Meinungswechsel

Heute weht längst Vergangenheit. Angesichts schwankender Handelspreise für Gas und Öl, Klimawandel und der anstehenden globalen Energiewende will auch La Paz ins Geschäft mit der sauberen, unbegrenzten Energie einsteigen. Gewinnen sollen Staatskasse und Umwelt - so lautet der Plan. 1,2 Millionen US-Dollar werde der Export von Ökostrom in die Nachbarländer Brasilien und Argentinien, aber auch Chile und Peru bringen, jedes Jahr. So zumindest die Vision.

In nur sechs Jahren habe der staatliche Energieversorger seine Investitionen dann wieder eingespielt. Die Linksregierung will die Energiegewinnung in einem der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder der Erde von Fossil auf sauber umstellen.

Indigene Kultur vor dem Versinken retten

Doch stößt der Megastaudamm nicht überall auf Gegenliebe. Anfang Januar 2017 kündigten 18 indigene Gemeinden ihren Widerstand an. Denn die indigenen Völker Tacana, Chimán, Mosetén Lecos und Uchupiamonas sind die Verlierer des Entwicklungsvorhabens. Ihre Dörfer, Kultur und Lebensgrundlage würden in den Fluten des 679 Quadratkilometern großen Sees versinken. Damit begründete diese Woche der Sprecher der indigenen Gemeinden, Alex Villca, einen Gang vor nationale und internationale Gerichte. "Wir werden mit Verfassungsrechtlern eine Popularklage gegen den Staat vorbereiten", gibt sich Villca kämpferisch.

"Wir sind in Alarmbereitschaft", die Rechte der indigenen Minderheiten drohten sonst für immer unter den Wassermassen des Staudammprojekts unterzugehen. Neben den heimischen Gerichten werde man auch den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen. Auch die Klimafreundlichkeit des Damms steht unter Kritik. Die Umweltorganisation "Pablo Solón" verwies auf den nicht Umstand, dass Methan-Gase überschwemmter Gebiete weitaus klimaschädlicher sein könnten als das Verbrennen von Gas und Öl.

Verständnislosigkeit im Konflikt

Mehr Wohlstand fürs ganze Land oder Schutz von Minderheitenrechten? Entwicklung oder Umweltschutz? Der Linksregierung steht ein klassischer Konflikt ins Haus. Zuletzt hatten beim umstrittenen Straßenbau durch das Natur- und Indigenenschutzgebiet TIPNIS in Zentralbolivien Umweltschützer und indigene Gemeinden jahrelangen Widerstand geleistet, Protestmärsche organisiert und internationale Kampagnen zum Schutz des Regenwaldes angeschoben. Mit Erfolg: Die Straße wurde bis heute nicht gebaut, trotz einer Mehrheit, die in einer Volksbefragung schließlich für den Asphaltweg gestimmt hatte.

Präsident Morales überstand auch diese innenpolitische Krise und wurde mit Rekordwerten wieder gewählt. Trotzdem reagiert er gewohnt dünnhäutig auf die Protestler. "Es gibt natürlich wieder einige Schwestern und Brüder denen es gut geht, aber die sich manchmal gegen Großprojekte stellen", zeigt sich Morales verständnislos. Seine Partei und die hinter der "demokratisch-kulturellen Revolution" stehenden sozialen Bewegungen wollen eigentlich die Stärkung indigener Minderheitenrechte in der neuen Verfassung des Vielvölkerstaates verankert haben.

Wachstumsraten im hier und heute oder Bewahrung der Lebensgrundlagen für die Zukunft - auch Evo Morales hat dafür keine einfachen Antworten: "Wir müssen die Umwelt schützen, das ist unsere Pflicht. Aber wir haben auch die Pflicht zu planen, um neue Bereiche zu finden, die uns Geld bringen."

Autor: Benjamin Beutler, Foto: Viaje a Bolivia,CC BY 2.0.

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