Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Peru |

Neue Regierung muss gegen Rassismus vorgehen

Es wird kein besseres Peru geben, ohne das Problem des grassierenden Rassismus anzugehen. Eine gewaltige Aufgabe für die neue Regierung, denn viele Peruaner leugnen die alltägliche Diskriminierung gegen Cholos, Mestizen und Schwarze.

Ein Kommentar von Wilfredo Ardito Vega.

„Das ist eine Lüge! Ich habe im Medienbereich gearbeitet und nichts von dem, was du sagst, stimmt!" Bei verschiedenen Gelegenheiten bin ich mit Publizisten aneinander geraten. Sie reagierten empört auf meine Aussage, dass in den Medien Rassismus reproduziert werde. (...) Der Regierung Alan García ist es in den vergangenen fünf Jahren ihrer Amtszeit nicht gelungen, ein derart ernstes Problem wie das des Rassismus´ anzugehen.

Das Leugnen von Rassismus ist einer der Gründe dafür, dass er überhaupt weiter existiert. Das Opfer verneint und zieht es vor zu denken, dass es misshandelt wird, weil es "nichts wert ist" oder weil "der andere ein übergriffiger Typ ist". Und der Rassist bestreitet ebenfalls, dass es sein verhalten rassistisch sei. So erscheint Diskriminierung als selbstverständlich, ein völlig normales Verhalten. Diese Haltungen führen letztlich dazu, dass eine schmerzhafte und komplizierte Wahrheit nicht akzeptiert wird. Viele von uns Peruanern werden diskriminiert und diskriminieren selbst andere unserer Landsleute.

Keine Schwarzen, keine Cholos

Aber die rassistischen Ausbrüche nach den Wahlen, die in Facebook und Twitter aufgetaucht sind, machen weiteres Leugnen schlicht unmöglich. Das Internet ermöglicht es, dass sich rassistische Äußerungen über den kleinen Kreis hinaus verbreiten, in dem es sie schon immer gegeben hat. Und vor einer Tastatur haben die Menschen weniger Hemmungen, als wenn sie einem Gesprächspartner aus Fleisch und Blut gegenübersitzen. Deshalb die zahlreichen brutalen Äußerungen, in denen sich viele Gefühle und Ansichten widerspiegeln.

In den rassistischen Botschaften der vergangenen Wochen bin ich wiederholt auf Phantasien der Ausrottung gestoßen; Phantasien von einem „besseren“ Peru, in dem die „Indios und Cholos“, die in die Städte gekommenen Indigenen, verschwunden sind. Da waren jene, die erklärten, dass sie nun keinerlei Kampagnen für das Sammeln von Essen oder Geld mehr unterstützen. Damit wollten sie erreichen, dass die Hinterwäldler/Indios/Einwohner der Hochgebirgsregion Puno vor Hunger und Kälte umkämen. Andere wiederum hoben die massiven Kampagnen zur Sterilisierung während des Fujimori-Regimes hervor und wieder andere erklärten, dass sie Indigene, die eine Straße überqueren, ohne mit der Wimper zu zucken überfahren würden.

Phantasie der Ausrottung

Diese Äußerungen erinnern mich an Aussagen, die der Psychoanalytiker Jorge Bruce zu den Morden während der achtziger Jahren einmal gemacht hat. Er sagte, bei vielen Angehörigen der Oberschicht hätten die Nachrichten über die Toten Zufriedenheit ausgelöst, denn sie hätten es vorgezogen, dass "sich die Cholos alle gegenseitig umbringen".

Im Grunde genommen hat sich diese Phantasie der Ausrottung in den ersten Jahren der Diktatur geoffenbart, als die Militärs Tausende Bauern in Ayacucho, Huancavelica und Apurímac einzig wegen ihres physischen Erscheinungsbildes umbrachten. Und weniger gewalttätig und doch ebenso effizient zeigt sich diese Phantasie der Ausrottung in den Werbeanzeigen. Sie präsentieren immer häufiger eine glückliche Gesellschaft, in der weder Cholos noch Schwarze vorkommen.

Ich muss gestehen, wenn ich diese Kommentare in Facebook lese, scheint es mir, als würde ich eine alte Hetzschrift aus der Zeit des Sendero Luminoso lesen. Denn auch damals trieb die Phantasie der Ausrottung ihr Unwesen, nur bezog sie sich auf Andersdenkende.

Es wäre ein großer Fehler, Rassismus allein darauf zu beschränken, was einige Personen sagen oder denken. Die schrecklichsten Seiten des Rassismus´ sind Armut, Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Millionen von Peruaner haben darunter zu leiden. Der Rassismus bewirkt zudem, dass diese Situation als natürlich angesehen wird. Man geht eben davon aus, dass es immer so sein wird oder noch schlimmer: dass die Opfer es verdient haben.

Rassismus bleibt

In keinem Land der Welt hat sich der Rassismus von selbst verflüchtigt. Die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage einiger Mestizen oder Bewohner des Andenraumes macht das Problem lediglich sichtbarer. Es sind also politische Maßnahmen des Staates nötig, um gegen diese Situation anzugehen. Der Regierung obliegt es, auf zwei Ebenen zu arbeiten: Die Lebenssituation der Allerärmsten grundlegend zu verbessern und die rassistische Mentalität zu verändern. In den USA geschieht dies seit den siebziger Jahren und in Brasilien wird seit der Regierung Lula daran gearbeitet, indem das Ministerium für ethnische Gleichstellung geschaffen wurde.

Doch ebenso ist es notwendig, dass der Staat Rassismus stärker sanktioniert: Die Opfer von Diskriminierung sind wehrlos - es gibt keine staatliche Institution, die ihnen zur Seite stehen würde. Im Fall von Rassismus in der Werbebranche müssen die Opfer eine Gebühr an die Aufsichtsbehörde INDECOPI zahlen. Falls die Beschwerde als rechtmäßig eingestuft wird, erhalten die Opfer nicht einen Cent des festgelegten Bußgeldes.

Zentrale Aufgabe für die Regierung Humala

Wichtig wäre auch, dem anhaltenden Rassismus in den öffentlichen Einrichtungen selbst zu begegnen. Wie viele Mitglieder der Marineschule sind Andine, Mestizen oder Schwarze? Und wie viele Fernsehmoderatoren? Letzteres wäre ein ausgezeichnetes Instrument, gegen den Rassismus vorzugehen. Man könnte Verhaltensnormen unter die Leute bringen, Kampagnen initiieren und fordern, dass Werbung diesen Normen gerecht werden muss. Leider hat man es in den vergangen Jahren völlig versäumt, daran zu arbeiten.

Hilfreich wäre zudem eine Allianz der Lokalregierungen. Leider hat der fortschrittliche Stadtrat von Lima leider noch immer keine Abteilung für Diskriminierung eingerichtet, in anderen Städten und Lokalregierungen ist sie bereits an der Arbeit.

Um auf dem Weg zu einer menschlicheren und gerechteren Gesellschaft voranzukommen, muss der Kampf gegen den Rassismus zum einem der wichtigsten Ziele der neuen Regierung werden.

Wilfredo Ardito Vega in Adital; deutsche Bearbeitung: Bettina Hoyer

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