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Nach dem Sieg von Lula: Brüssel setzt auf Neustart mit Brasilien

Nicht alles wird besser mit Lula, aber vieles doch einfacher für die EU als mit Bolsonaro. Der Machtwechsel in Brasilien bringt aus Brüsseler Sicht wahrscheinlich neuen Schwung in die Diplomatie. Bernd Riegert berichtet.

Luiz Inácio Lula da Silva (hier auf einer Veranstaltung nach dem ersten Wahlgang) hat die Stichwahl ums Präsidentenamt in Brasilien gegen Jair Bolsonaro gewonnen. Foto: Adveniat/Thomas Milz

Luiz Inácio Lula da Silva (hier auf einer Veranstaltung nach dem ersten Wahlgang) hat die Stichwahl ums Präsidentenamt in Brasilien gegen Jair Bolsonaro gewonnen. Foto: Adveniat/Thomas Milz

Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, gratulierte dem Wahlsieger, wie das international unter Demokraten üblich ist. "Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen bei der Bewältigung drängender globaler Herausforderungen, von der Ernährungssicherheit über den Handel bis hin zum Klimawandel", schrieb von der Leyen in Brüssel auf Twitter. Eine ähnliche Formel hätte sie wohl auch bei einem anderen Wahlausgang gewählt.

Auch wenn man es aus ihren Worten nicht direkt herauslesen könne, dürften die EU-Spitzenvertreter erleichtert sein, dass Luíz Inacio Lula da Silva zum neuen Präsidenten Brasiliens gewählt wurde, meint Jamie Shea, Lateinamerika-Experte bei der Denkfabrik "Friends of Europe" gegenüber der Deutschen Welle (DW). "Im ersten Moment wird es einen Seufzer der Erleichterung geben. Lula ist zurück. Wir können pragmatischer agieren, ein neuer Anfang, eine Wiederherstellung der Beziehungen", so Jamie Shea, allerdings habe auch Lula seine Schattenseiten.

EU hofft auf Wandel

"Es gibt Hoffnung auf einen Wandel. Lula war ja schon einmal im Amt und kennt die EU sehr gut. Andererseits ist er auch ein Populist in dem Sinne, dass er sich zu großen sozialen Ausgaben verpflichtet hat", so Jamie Shea. Der in den Präsidentenpalast zurückkehrende linke Präsident habe schon immer Kritik am Westen und an den aus seiner Sicht großen kapitalistischen Mächten geübt. Das werde sich jetzt nicht schlagartig ändern.

Er werde Brasilien geopolitisch irgendwo in der Mitte zwischen den USA, Russland und China positionieren, glaubt Shea. "Lula ist einer, der es mag, eine Position gegen den Westen einzunehmen, wenn es darum geht Sanktionen gegen Russland zu unterstützen." Er würde sich in diesem Punkt kaum von seinem rechtsnationalen Vorgänger Jair Bolsonaro unterscheiden, der die Sanktionen gegen das Krieg führende Russland ablehnt. Außerdem profitiert Brasilien indirekt von dem Krieg gegen die Ukraine, da Energie und Nahrungsmittel aus Brasilien auf dem Weltmarkt stärker nachgefragt werden.

Die stellvertretende Vorsitzende der Brasilien-Delegation des Europäischen Parlaments, die grüne Abgeordnete Anna Cavazzini, sieht es ähnlich: "Lula hat keinen Hehl daraus gemacht, dass er nicht die engste Zusammenarbeit mit den USA haben will. Er wird neutraler bleiben und sich nicht der europäischen und US-amerikanischen Sanktionspolitik gegenüber Russland anschließen. Aber ich glaube, Lula hat ein offeneres Ohr für die Anliegen der Europäischen Union und wird offener und pragmatischer auftreten als Bolsonaro."

Ende des Abholzens?

Anna Cavazzini ist trotzdem sehr zufrieden, dass der linke Kandidat die Wahlen für sich entschieden hat. Ihr macht vor allem die Aussicht auf mehr Schutz für den Regenwald im Amazonasbecken Hoffnung. "Ich bin unheimlich froh, dass Lula die Wahl gewonnen hat. Eine weitere Amtsperiode von Bolsonaro hätte wirklich die Katastrophe für den Schutz des Waldes und auch für die Demokratie in Brasilien bedeutet. Lula hat jetzt die Chance, viele Politiken, die Bolsonaro zurückgefahren hatte, wieder auf den neusten Stand zu bringen." Die Europa-Abgeordnete erwartet, dass der neue Präsident die Abholzung des für den Klimaschutz so wichtigen Regenwaldes wieder einschränken wird. "Ich habe noch Fragezeichen, ob sie ausreichen wird, angesichts der Katastrophe, angesichts der Rekord-Abholzung, die wir gerade sehen. Deswegen glaube ich, dass internationaler Druck von der Zivilgesellschaft, der EU-Kommission, den europäischen Abgeordneten genauso wichtig ist. Das wird kein Selbstläufer, denn Lula steht unter Druck der großen Agro-Unternehmen in Brasilien", sagte Anna Cavazzin der DW in Brüssel.

Freihandelsabkommen neu aufsetzen

Um sich gegen die Agrarlobby durchzusetzen und eine andere Wirtschaftspolitik machen zu können, brauche Luíz Inacio Lula da Silva Reformansätze in Brasilien, meint Jamie Shea, Lateinamerika-Experte bei den "Friends of Europe". Der Präsident müsse mehr Handel zulassen und ausländische Investitionen anziehen. "Das bedeutet, dass er die brasilianische Wirtschaft weiter öffnen muss. Seine sozialen Programme werden außerdem einen Realitätscheck aushalten müssen." Das seit 20 Jahren verhandelte, aber nicht in Kraft getretene Freihandelsabkommen Südamerikas mit der EU, genannt Mercosur-Abkommen, will Brasiliens neuer Präsident offenbar aufschnüren und neu verhandeln. Ob die Europäische Union, die das Abkommen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Uruguay, Paraguay und Brasilien bislang nicht ratifiziert hat, da mitziehen wird, ist ungewiss.

"Wenn Lula Nachverhandlungen will, sollten wir das mit offenen Armen aufnehmen, dann sollte die EU-Kommission sich noch einmal hinsetzen und das Abkommen gezielt an einigen Stellen nachverhandeln, denn so wie es jetzt ist, kann es nicht verabschiedet werden", empfiehlt die Europaabgeordnete Anna Cavazzini. Bei Umweltstandards, Nachhaltigkeit und Waldschutz müsse Mercosur dringend nachgebessert werden. Das wichtigste Ziel für die EU müsse sein, den Klimaschutz in Brasilien zur vorrangigen Politik zu machen. "Ich hoffe, dass die Europäische Union da viel Rückenwind geben kann, über finanzielle Mittel, über Zusammenarbeit, aber auch politischen Druck."

Quelle: Deutsche Welle, Autor: Bernd Riegert

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