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Honduras |

Mit harter Hand im Windschatten der USA

Präsident Juan Orlando Hernandez (links, Mitte) trifft sich mit der amerikanischen Delegation. Foto: Tim Kaine/Flickr
Präsident Juan Orlando Hernandez (links, Mitte) trifft sich mit der amerikanischen Delegation. Foto: Tim Kaine/Flickr

Eine Stimme in Honduras kostet manchmal nur zwei Tüten Reis und Bohnen. Das jedenfalls war im „Solidaritätspaket“, das Wendy Guillén neulich von der Regierung bekommen hat. „Ich muss mich und meine behinderte Tochter durchbringen. Da ist selbst das kleinste bisschen viel wert“, sagt die 22jährige und schwenkt enthusiastisch die blaue Fahne mit dem weissen Stern der regierenden Nationalpartei unter Präsident Juan Orlando Hernández, der sich am Sonntag zur Wiederwahl stellt obwohl die Verfassung das eigentlich verbietet. Ein Hindernis, das Hernández mittels eines Urteils des ihm nahestehenden Obersten Gerichts aus dem Weg schaffen konnte.

Seine Kampagnenhelfer haben gute Vorarbeit geleistet in Talaubé, einem Dorf in den Bergen des mittelamerikanischen Landes. Die Stimmung ist ausgelassen, Fahnen und Bändchen finden großen Anklang. Der Präsident selbst landet mit dem Hubschrauber, gibt sich dann aber volksnah in Jeans und Bergschuhen, appelliert an den Nationalstolz, führt seine Erfolge bei der Kriminalitätsbekämpfung an und verspricht das Übliche: mehr Sozialprogramme, eine anständige Markthalle, Kredite für Kleinbauern. JOH, wie er im Volksmund genannt wird, stammt selbst aus der unteren Mittelschicht, den Traum vom Aufstieg kann der 49jährige der Bevölkerung glaubwürdig verkaufen. „Er hält sein Wort und hört auf das Volk. Honduras ist jetzt ein stabileres und sichereres Land“, lobt die 58jährige Sekretärin Adela Osorio.

Die Armen hoffen auf Nasralla

Komplett anders hört sich das in El Pedregal an, einem der heißesten Armenviertel der Hauptstadt Tegucigalpa. Dort haben kriminelle Jugendbanden das Sagen. Zwar patrouillieren jetzt öfter Polizei und Armee hier, zwar sind einige der Bandenchefs in den neuen Hochsicherheitsgefängnissen gelandet, und die Jugend kann wieder den Sportplatz benützen, ohne ständige Angst, ins Kreuzfeuer zu geraten. Doch der Überlebenskampf ist trotzdem nicht einfacher geworden. „Es gibt keine Arbeit, und die Banden haben die Schutzgeldforderungen erhöht“, klagt Erika Fernández, die einen Obststand am Eingang des Viertels betreibt. Ihr Umsatz ist in den letzten vier Jahren um 30% gesunken. Wie die meisten hier überlebt sie dank Überweisungen von Angehörigen, die in die USA ausgewandert sind. Für sie ist es klar, dass sie am Sonntag Salvador Nasralla ihre Stimme geben wird.

Der schrille, ehemalige Sportjournalist an der Spitze seiner Anti-Korruptions-Partei (PAC) hat ein Bündnis mit dem liberalen Expräsidenten Manuel Zelaya und dessen linker Partei Libre geschlossen. Zelaya war 2009 von einer Allianz aus Militär und Unternehmern aus dem Amt geputscht worden, nachdem er mit dem sozialistischen Venezuela geliebäugelt hatte und ein Plebiszit über die Wiederwahl abhalten wollte. Dass heute möglich ist, was damals zum Umsturz führte, zeige die Scheinheiligkeit der Elite des Landes, sagt der Jesuitenpriester und Radiodirektor Ismael Moreno. Regeln und Institutionen seien den herrschenden zwei Dutzend Familien egal, so lange ihre wirtschaftlichen Interessen und ihr politischer Einfluss gewahrt bliebe, so Moreno.

Diese Interessen erstrecken sich vom Handel über das Finanzwesen und die Export-Landwirtschaft bis zu erneuerbaren Energien. Und sie sind häufig der Grund für die Land- und Umweltkonflikte, die voriges Jahr im März in der Ermordung der Umweltaktivistin Berta Cáceres gipfelten. Hinter dem Mord steckten Angestellte der Firma, die einen umstrittenen Staudamm auf indigenem Stammesland bauen wollte, zusammen mit Polizisten und anderen Verbündeten in der Justiz und dem Sicherheitsapparat, die die Ermittlungen behinderten. Das ist die häßliche Fratze der staatlich-privaten Partnerschaften (PPP), mit denen Hernández die Infrastruktur ausbaut, das Land modernisieren und in einen Logistikhub verwandeln will.

Ausgang unklar

Was der Wahlsonntag bringen wird, ist unklar. Zuverlässige Umfragen sind Fehlanzeige, interne Kampagnen-Daten ergeben einen leichten Vorsprung für Hernández mit rund 44 Prozent gegenüber 42 Prozent für Nasralla bei der Ungenauigkeit der Messmethoden sei das eigentlich ein Patt, so der Berater Gerardo Martínez. Daran, dass Hernández gewinnen wird, hegt er trotzdem keine Zweifel. „JOH ist der Kandidat der Elite und der USA, die hier nichts anbrennen lassen wollen.“ Moreno fügt hinzu: „JOH hat sämtliche Institutionen unter Kontrolle, auch das Wahlgericht und die Justiz.“ Einzig der Kongress fehle ihm noch.

Den USA geht es vor allem um Stabilität und Kontrolle in einer Region, die in den letzten 20 Jahren aus dem Ruder gelaufen ist. In den vergangenen acht Jahren hat Washington unter der Federführung des Verteidigungsministeriums Honduras erneut zu einem wichtigen Militärstützpunkt in der Region ausgebaut, um Drogenhandel und Migration zu bekämpfen. Systematisch haben US-Agenten die Netzwerke zwischen Mafia und Politik zerschlagen. Unter die Räder kamen nicht nur Kriminelle, sondern auch ihre Hintermänner, darunter der Sohn von Expräsident Porfirio Lobo und die einflussreiche Bankiersfamilie Rosenthal, Verbündete von JOH. Auch der Präsident selbst ist unter Beschuss, nachdem ein in die USA ausgelieferter Drogenboss dort gestand, er habe Geschäfte mit Hernández Bruder Tony gemacht. „Keiner steht über dem Gesetz“, distanzierte sich JOH öffentlich von seinem Bruder. Ein Präsident, der intern mit harter Hand regiert, aber erpressbar ist ein besseres Szenario könnte es für die USA kaum geben.

Autorin: Sandra Weiss

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