Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Guatemala |

Militarisierung ist keine Antwort auf Gewalt

In Guatemala gehört Gewalt zum Alltag. Zuletzt schockierte der Mord an 27 Tagelöhnern und brutale Frauenmorde das In- und Ausland. Ordensleute und Menschenrechtsorganisationen prangern die strukturelle Gewalt und die Militarisierung im Land an und rufen zum „Kampf für Leben und Gerechtigkeit“ auf. Hier der Aufruf in leicht gekürzter Form:

In den vergangenen Wochen sind wir wieder einmal Zeugen von Gewalttaten und Straflosigkeit geworden. Die Achtung unserer Rechte ist an einen weiteren Tiefpunkt einer unkontrollierbaren Spirale gelangt. Die Gesellschaft muss die Welle der Gewalt, die sich insbesondere gegen Frauen und Kinder richtet, entschieden zurückweisen. Trotz Rückschlägen muss unser Kampf gegen die Gewalt weitergehen. Er trägt Früchte des Friedens, die wir schützen müssen.

Das Leben guatemaltekischer Familien ist andauernder und tiefgehender Gewalt ausgesetzt. Dazu kommen die Straflosigkeit und die Angst. Die Hauptopfer dieser Todesspirale sind Frauen und Kinder. Jeden Tag wird das Recht auf Leben gewalttätig beschnitten - auf dem Land wie in der Stadt –, und zwar nicht allein wegen der Morde und der Missachtung der Opfer und Überlebenden, sondern auch wegen der Abwesenheit des Staates, der Sicherheit und der Justiz.

Strukturelle Gewalt

Es gibt eine strukturelle Gewalt. Das Justizsystem gilt nicht für alle im gleichen Maß. Menschen werden brutal vertrieben. Die Nachlässigkeit der Behörden und der Regierung und die Schwäche der Strafverfolgung zeigen, dass die Justiz nicht für die Armen da ist. Die hundertfache Ausbeutung der kleinen Landwirte und Tagelöhner offenbart sich mit all ihrer Grausamkeit. Allein im Polochic-Tal wurden 14 Gemeinden gewaltsam vertrieben, ein Mensch starb dabei, mehrere wurden verletzt.

Die Gewalt des Drogenhandels terrorisiert Guatemalteken und Guatemaltekinnen. Sie unterwirft uns einem Gesetz des Schreckens und des Gehorsams auf Basis von Angst und Erpressung. Sie trifft sowohl Angestellte des Staates als auch die Menschen in Dörfern und Gemeinden. Das organisierte Verbrechen ist Teil unserer Gesellschaft geworden und hat in seiner grausamen Ausdrucksform die schrecklichsten Sprosse des Krieges hervorgebracht: die Kaibiles (Anm. der Red.: Kaibiles sind die Elitesoldaten der Streitkräfte Guatemalas.).

Das guatemaltekische Heer weigert sich, die Ergebnisse der Kommission zur Aufarbeitung der Geschichte (CEH) anzuerkennen und erkennt damit auch nicht die Menschenrechtsverbrechen der Militärs und der Elitesoldaten an, die erneut die Gesellschaft verraten. Durch diese Weigerung werden die Einheiten nicht zur Rechenschaft gezogen und ihre Vorgehensweise nicht in Frage gestellt. Das Ergebnis sehen wir nun: Massaker, Ermordungen und Folter gehen auf das Konto derjenigen, die sich schon während der bewaffneten Konflikte in Guatemala schuldig gemacht haben. Das guatemaltekische Militär fällt der Gesellschaft erneut in den Rücken, in dem es nicht eingesteht, was man seit fünf Jahren weiß: die Drogenbande „Los Zetas“ nährt ihre Strukturen aus den Kaibiles.

Stärkung der Justiz

Es gibt die Versuchung, dem Zerstörenden mit Zerstörung zu entgegnen. Wir befürworten eine andere Vorgehensweise, die vielleicht langsamer ist, aber eine sichere Grundlage hat: die Stärkung der Justiz. Dazu gehört auch die Stärkung der Staatsanwaltschaft.
Wir dürfen nicht apathisch und frustriert in Schweigen versinken und damit die Angriffe auf die Steuerbehörde und die Internationale Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) indirekt unterstützen. Das Oberste Gericht hat mit seiner Kampagne „Null Toleranz für Korruption und Vetternwirtschaft“ einen wichtigen Schritt gemacht.

Wir müssen weiterhin eine Reinigung des Justizsystems fordern und zu diesem Zweck Staatsanwaltschaft, Oberstes Gericht und Verfassungsgericht im Auge behalten.

Gegen eine Militarisierung

Wir halten nichts von einer Militarisierung als Antwort auf die Gewalt. Perverserweise wird argumentiert, dass eine Abnahme der Militärbasen und der Soldaten der Grund für die um sich greifende Kriminalität ist. Die Argumentation ist verlogen, denn viele Drogenkartelle haben ihre Präsenz dann verstärkt, als das Militär landesweit eingesetzt war. Unter militärischer Aufsicht konnten sich die kriminellen Aktivitäten entwickeln. Nicht die Durchlässigkeit der Grenzen, sondern die der Ethik des Militärs gewährte den Verbrechern Schutz.

Mit dem Argument, Sicherheit zu garantieren, wird heute der Ausnahmezustand im Land „institutionalisiert“. Doch seine Wirksamkeit ist fragwürdig, ebenso wie die militärischen Operationen, die damit einhergehen. In Alta Verapaz, wo der Ausnahmezustand herrscht, haben die kriminellen Aktivitäten der Kartelle und die Gewalt zugenommen. Es ist dringend notwendig, die Schließung der Kaibil-Schule (zur Ausbildung der Elitesoldaten) zu fordern, denn die Soldaten bieten keine Lösung der aktuellen Situation, sondern sind vielmehr Teil des Problems.

Es gibt Pakte der Straflosigkeit, die einflussreiche Gruppen untereinander schließen, um sich gegenseitig zu schützen und zu vermeiden, sich vor der Staatsanwaltschaft und der Internationalen Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) verantworten zu müssen. Am 9. und 10. Mai sind wir Zeugen von zwei Gerichtsurteilen geworden (Freisprüche für Ex-Präsident Alfonso Portillo und Alejandro Giamattei; Portillo war wegen Veruntreuung angeklagt worden und Giamattei wegen extralegaler Hinrichtungen). Diese Urteile gehen gegen das Recht, denn sie entlasten Mitglieder krimineller Strukturen, um noch viel machtvollere Personen vor Strafverfolgung zu schützen. Wir haben gesehen, wie Anwälte Teil dieser Straflosigkeitspakte werden und Drogenhändler verteidigen. Der Zwirn, mit dem diese Pakte genäht werden, bleibt nicht verborgen.

Kampagne „Für das Leben und die Gerechtigkeit"

Bis zum 30. Juni rufen wir die Kampagne „Für das Leben und die Gerechtigkeit“ aus. Damit wollen wir unsere Arbeit stärken. Als Zusammenschluss verschiedener Bewegungen und Organisationen stellen wir uns vor allem in Wahlkampfzeiten gegen einen Diskurs des Terrors und des Todes.

Convergencia por los Derechos Humanos (CALDH, CIIDH, Fundación Sobrevivientes, ICCPG, ODHAG, SEDEM, UDEFEEGUA); Unión Nacional de Mujeres de Guatemala (UNAMG); Fundación Guillermo Toriello; Concejo Ecuménico Cristiano de Guatemala; Conferencia de Religiosos de Guatemala (CONFREGUA); Sector Mujeres de Sociedad Civil; Centro de Análisis Forense y Ciencias Aplicadas (CAFCA); Equipo Comunitario de Apoyo Psicosocial (ECAP)

Quelle: Adveniat, deutsche Bearbeitung: Verena Hanf

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