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Mexiko: "Frauen sind stark" - Interview zum Weltfrauentag

In Mexiko direkt am Grenzzaun zu den USA arbeiten die vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstützten Hormigas, die „Ameisen“. Das von ehemaligen Ordensfrauen gegründete Hilfsprojekt in einem Armenviertel außerhalb von Ciudad Juárez wirkt in kleinen Schritten den Auswirkungen von Armut und Gewalt in den Familien entgegen. Ihr besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Stärkung von Frauen und Mädchen. Alejandra Esparza Marín, Anthropologin und Mutter zweier erwachsener Kinder, ist seit Jahresanfang als neue Direktorin mit dabei. 

Blickpunkt Lateinamerika: Frau Esparza, haben Sie sich bei den Hormigas gut eingelebt?

Alejandra Esparza: Unbedingt. Ich habe ich mich gleich für ihre Arbeit und den sensiblen Umgang mit Menschen begeistert. Beim Auswahlgespräch fragten mich die Gründerinnen, ob ich mir vorstellen könnte, aus der beschaulichen Landeshauptstadt Chihuahua nach Ciudad Juárez zu ziehen. Sofort! Ich habe einen Koffer gepackt und hier bin ich. Bei den Hormigas ist alles warmherzig und stimmig, am Eingang wirst du von Musik und der Hauskatze empfangen. Selbst die Mauern aus Lehm vermitteln Geborgenheit und Zuversicht. 

Sie sind hier an die Grenze mit einer schwierigen Lebensrealität konfrontiert...

Das stimmt. Anapra, wo das Zentrum und der Arbeitsschwerpunkt der Hormigas liegt, ist von Armut und Gewalt geprägt. Allerdings waren meine Eltern Lehrer in der entlegenen Sierra de Chihuahua. Dort bin ich groß geworden und mit entbehrungsreichen Lebensumständen vertraut. Noch wohne ich mitten in der Stadt, aber ich bin auf der Suche nach einem Haus hier im Viertel, wo unsere Arbeit stattfindet. Anapra bildet eine Enklave in der Wüste nördlich von Juárez, und zieht sich an der Mauer zur USA entlang. Die Menschen arbeiten in ermüdenden Schichten in den Montagefabriken am anderen Ende der Stadt und verdienen einen Hungerlohn.

Worin besteht die Arbeit der „Ameisen“ hier vor Ort?

Familien kommen auf uns zu, weil ihre Kindern als „auffällig“ oder „schwer erziehbar“ gelten. Doch wir wissen genau, dass die Kinder die Probleme ihrer Umgebung widerspiegeln. Deshalb bieten wir Therapien für die gesamte Familie an. Unser pädagogisches Konzept ist das von Maria Montessori und unser therapeutisches basiert auf der Gestalttherapie.

Welcher Ansatz der Hormigas ist Ihnen als neue Direktorin besonders wichtig?

Mir liegt besonders am Herzen, Frauen zu stärken. Das ist auch allgemein der Ansatz der Hormigas: einen Wandel bei dir selbst zu beginnen. Wenn eine Frau es schafft, sich ihrer eigenen Stärken bewusst zu werden und Zirkel negativen Denkens und Handelns zu durchbrechen, ändert sich die gesamte Dynamik in einer Familie. Die Frauen sind ihr Dreh- und Angelpunkt. Sie sind sehr stark, aber oftmals wird Übermenschliches von ihnen gefordert: Sie sollen Geld verdienen, aber auch den Haushalt machen und eine perfekte Mutter, Partnerin, Pflegekraft und Moderatorin innerfamiliärer Konflikte sein. Deshalb müssen wir sie stärken und unterstützen.

Vor welchen Herausforderungen stehen im Viertel aufwachsende Mädchen?

In Anapra sind Drogenkartelle und Schlepperbanden präsent. Viele junge Mädchen haben einen Freund, der in diesen Kreisen schnelles Geld verdient. Das bietet erstmal Schutz, Ansehen und finanzielle Sicherheit in einer Umgebung, wo all dies zumeist völlig fehlt. Aber es sind auch sehr gewalttätige und machistische Zirkel, die für junge Mädchen viele Risiken bergen.

Wie gehen die Kinder, die sonst bei Ihnen ein- und ausgehen, mit der Pandemie um? 

Corona trifft die Kinder am härtesten. Sie sind von der Außenwelt isoliert. Wenn wir Kinder mit unserer mobilen Schulaula zuhause besuchen, sind sie außer sich vor Freude. Alle vermissen ihre Spielkameraden schmerzlich. Und dabei sind in ihrem Alter Übertragungen von SarsCov2 kaum bekannt. Wir werden erst, wenn alles vorüber ist, die Folgen für die jüngsten Generationen feststellen. Doch den Hormigas sind die Hände gebunden, wir dürfen seit fast einem Jahr keine Kinder in unserer Einrichtung empfangen. Die Kinder endlich wieder in die Schule und außerschulische Aktivitäten zu entlassen, muss eine politische Entscheidung sein. 

Wie konnte die Arbeit der Hormigas unter Corona fortgesetzt werden? 

Einzeltherapien und Therapien in kleinen Erwachsenengruppen sind zum Glück möglich. Doch bei kindlicher Sprachtherapie und der Unterstützung von Kindern in ihrer Entwicklung sind die Hormigas vor neue Herausforderungen gestellt. Unsere „guías“, unsere Begleiterinnen, sind digital präsent und fragen die Kinder nach Haushaltsgegenständen, um Montessori-Materialien zu improvisieren. Die Eltern bitten wir, die Mädchen vor dem Bildschirm allein mit uns sprechen zu lassen. Denn gerade Mädchen werden zuhause viel gerügt. 

Wie wichtig sind Glauben und Spiritualität in diesen schwierigen Zeiten in Ihrer Arbeit? 

Wichtiger denn je. Unsere Therapien sind darauf ausgerichtet - unabhängig einer religiösen Zugehörigkeit - zu einer eigenen Spiritualität zu finden. Zu etwas, das uns Kraft und Ruhe gibt, das hilft, Harmonie in uns und unserem Umfeld zu schaffen und einen Sinn und größeren Zusammenhang in Begebenheiten im Alltag zu finden. Ich sehe es als konkrete Aufgabe der Hormigas an, Glauben und Zuversicht im Leben zu vermitteln. Wir bewegen Vieles, aber im Kleinen. Das ist schließlich unser Konzept: das der Ameisen. Die Kinder und Menschen, mit denen wir arbeiten, bekommen Werkzeuge an die Hand, die sie befähigen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Mütter und Kinder stark machen
Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstützt die Arbeit der Hormigas für Mädchen und Frauen in Ciudad Juárez. Helfen auch Sie mit einer Spende!

Interview: Kathrin Zeiske

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