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Argentinien |

Menschenrechte auch in Demokratie bedroht

Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel (1980) feiert am 26. November seinen 80. Geburtstag. Unermüdlich nimmt er nach wie vor Stellung zu gesellschaftlichen Fragen.

Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass Menschenrechte und Demokratie unteilbar sind, geht man von ihrem ganzheitlichen Verständnis als Rechte der Völker aus. Argentinien hat im Laufe seiner Geschichte schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte und der Rechte der Völker erlebt, die tiefe Spuren im Leben der indigenen Gemeinschaften hinterließen. Diese litten unter der spanischen Conquista, die sie unterdrückte und versklavte, ebenso wie später die afrikanischen Sklaven. Die Gräueltaten hörten auch nicht auf nach dem Ende der Unabhängigkeitskämpfe und der offiziellen Abschaffung der Sklaverei im Jahr 1813. Beispielhaft hierfür war die sogenannte „Campaña del Desierto” (Wüstenfeldzug) der Jahre 1833/34 unter General Rosas. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte Argentinien eine Abfolge von Regierungen, die zwischen Diktaturen und schwachen Zivilregierungen hin- und herschwangen. Bis sich schließlich 1976 die letzte, bis 1983 herrschende Diktatur durchsetzte, die mit ihrer „Doktrin der Nationalen Sicherheit“ Schmerz und Leid über das Land brachte. Es wäre jedoch falsch, die Menschenrechtsverletzungen auf die Zeit der Militärdiktatur begrenzen zu wollen - dies würde bedeuten, den Argentiniern die Erinnerung und das Recht auf Wahrheit und Gerechtigkeit zu nehmen.

Kein Schlussstrich unter die Militärdiktatur

Unter der Regierung von Raúl Alfonsin gelang es, wenn auch unter vielen Widersprüchen, den ersten drei Juntas den Prozess zu machen. Allerdings machte die Regierung später einen starken Rückzieher, unter dem Druck des Militärs und aus Mangel an Mut. Ausdruck hiervon waren Gesetze über Straffreiheit, einen Schlussstrich und den seinerzeit gebotenen Gehorsam. Präsident Néstor Kirchner sollte dann die Beschwerden von Menschenrechtsorganisationen und der argentinischen Gesellschaft insgesamt aufnehmen, das Parlament hob die Straffreiheits-Gesetze auf. Dies bedeutete einen klaren Erfolg für den Rechtsstaat. Die argentinische Justiz sprach daraufhin Urteile gegen für Menschenrechtsverletzungen Verantwortliche, was auch einen bedeutenden Fortschritt für die Festigung der Demokratie darstellte. Es wurden Präzedenzfälle nicht nur für Argentinien, sondern für die Menschenrechte weltweit geschaffen.

Föderaler oder feudaler Staat?

Was nun die Situation der Menschenrechte im heutigen Argentinien betrifft, so gibt es Licht und Schatten, sowie Zwischentöne – nicht nur, wenn man sich die Entscheidungen der Regierung in Buenos Aires aussieht, sondern auch jene der Provinzregierungen. Die Verfassungsreform aus dem Jahr 1994 legt fest, dass Argentinien ein föderaler Staat ist - schauen wir uns allerdings die Regierungspraktiken an, so sind diese eher feudal als föderal zu nennen. Dies zeigt sich in schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen. Ein Beispiel hierfür ist die Diskriminierung und Verfolgung der indigenen Völker. Ihre Rechte, vor allem auch auf Land, werden von den Provinzregierungen systematisch verletzt. Die Justiz ist hierbei der politischen Macht unterworfen. Es werden Rechte verletzt, welche die argentinische Verfassung in Artikel 75 garantiert, ebenso wie Übereinkommen 169 der Weltarbeitsorganisation ILO und die UN-Erklärung zu den Rechten der indigenen Völker. So werden die Menschenrechte und die Menschenwürde, auch von Frauen und Kindern, in den überfüllten Gefängnissen fortwährend verletzt. Unter Ausblendung der sozialen Ursachen für die Kriminalität fordern Staat und Medien eine Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters. Die institutionalisierte Gewalt in Argentinien ist ein Überbleibsel der Diktatur, das in der Demokratie nicht ausgerottet wurde.

Menschenrecht auf gesunde Umwelt

Zu den Menschenrechten muss aber auch das Recht auf eine gesunde Umwelt gezählt werden. Dieses wird durch Monokulturen und die Zerstörung von Biodiversität verletzt. Weder die Regierung in Buenos Aires noch die Provinzregierungen kontrollieren zum Beispiel die Anwendung von für den Menschen nachgewiesenermaßen schädlichen Agrogiften. Sie führen etwa bei Neugeborenen zu Missbildungen. Die staatlichen Stellen wissen Bescheid, tolerieren das Ganze aber. Ebenso erleidet die Bevölkerung Schaden durch Bergbau im großen Stil, da zur Gewinnung von Gold, Silber oder Kupfer Zyanid und Quecksilber eingesetzt wird. Diese Gifte sickern ins Grundwasser ein - eine wie auch immer geartete Kontrolle gibt es nicht. Argentinien kann die Lage aber noch rechtzeitig wenden und die verloren gegangene Souveränität zurückerobern. Notwendig hierfür sind Entschlossenheit, Mut und das gemeinsame Handeln aller gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bereiche, mit Unterstützung der Kirchen. Hierin besteht heute der gesamtheitliche Kampf für die Menschenrechte.

Quelle: http://alainet.org/active/50690 deutsche Bearbeitung: Bernd Stößel

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