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Peru |

Langes Warten auf Gerechtigkeit

Tausende von peruanischen Frauen warten immer noch auf späte Gerechtigkeit: In den neunziger Jahren wurden sie Opfer eines Sterilisierungsprogramms der damaligen Regierung von Präsident Fujimori. Insgesamt sollen 300.000 Frauen gegen ihren Willen sterilisiert worden sein. Im letzten Oktober hat die neue peruanische Regierung unter Druck der interamerikanischen Kommission für Menschenrechte den Weg für ein neues Verfahren eröffnet. Bis heute aber ist nichts geschehen, die Opfer befürchten ein weiteres Mal betrogen zu werden.

Michaela Flores aus Cusco erinnert sich noch an jedes Detail, als sie zusammen mit anderen 15 Campesinas, also Landarbeiterinnen, zu einem staatlichen Gesundheitszentrum abgeholt wurde: „Sie sperrten mich ein, zwei hielten mich fest und sagten, sie werden einen kleinen Schnitt machen“. Gewaltsam wurde sie betäubt – und sterilisiert. 1995 hatte der damals teilweise mit Notdekreten wie ein Diktator regierende Präsident Alberto Fujimori auf einem Frauenkongreß in Peking ein staatliches Familienplanungsprogramm angekündigt, das den Peruanern eine genaue Prognose über die Zahl ihrer Kinder erlaube. Unter der zynischen Formel wurden bis Ende der neunziger Jahre rund dreihunderttausend Frauen gewaltsam unfruchtbar gemacht.

„Das Ziel war die Geburtenrate in den ärmsten Bevölkerungsschichten zu senken. Der Staat hat alles geplant. Es war ein systematisch geplantes Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ konstatiert Alejandra Cárdenas vom Programm für Lateinamerika und der Karibik. Viele der Zwangssterilisierungen wurden zudem unter unhaltbaren hygienischen Umständen durchgeführt, mindestens 18 Frauen starben während des Eingriffes.

Nach der Flucht Fujimoris aus Peru im Jahr 2000 wurde aufgrund von über 2000 Strafanzeigen „wegen Mord und fahrlässiger Körperverletzung“ ermittelt, zu Prozessen kam es nie, und im Jahr 2009 wurden die Verfahren wegen Verjährung eingestellt. Erst im vergangenen Oktober zwang die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte die peruanische Regierung, die Zahl von dreitausend Opfern zu bestätigen und ein neues Verfahren wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ einzuleiten. Die enorme Opferzahl ist einzigartig in Lateinamerika. „Ein Fall wie in Peru geschah lediglich in den siebziger Jahren in Indien“, sagt Alejandra Cárdenas. Trotz des monströsen Umfangs der Sterilisierungen ist bis heute eine einzige Staatsanwältin mit der Vorbereitung eines Verfahrens beschäftigt. Edith Alicia Chamorro, die erste Staatsanwältin des Staatsgerichtshofes, bestätigt der Presse gegenüber lediglich, dass sie „die Akten evaluiere“. Für Michaela Flores, heute Mitarbeiterin der „Vereinigung der von Zwangssterilisierung betroffenen Frauen“, ist das völlig unverständlich: „ Es ist beschämend was sie mit uns machen“. Ex-Präsident Alberto Fujimori, der 2009 nach seiner Rückkehr nach Peru wegen zweier Massaker des Militärs zu 25 Jahren verurteilt wurde und im Gefängnis sitzt, wurde wegen der Sterilisierung nie angeklagt. Bis heute hat er viele Anhänger im Land und verfügt über einflussreiche Kontakte. Seine Tochter Keiko unterlag bei der letzten Präsidentenwahl nur knapp dem Linksnationalisten Humalla. Die Opfervereinigung fordert, dass alle mit dem Sterilisierungsprogramm befassten Personen zur Rechenschaft bezogen werden, inklusive Fujimori. Serafina Illha, die 1997 nach der Geburt ihres siebten Kindes gegen ihren Willen sterilisiert wurde, erinnert sich noch heute an die Worte ihrer Peiniger: „Bedanke Dich bei der Regierung Fujimori, die Dich operieren ließ, damit Du nicht länger wie ein Karnickel Kinder bekommst“.

Autor: Gottfried Stein, Buenos Aires

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