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Venezuela |

Konterrevolution in Caracas?

Foto: Reuters/J. Silva
Foto: Reuters/J. Silva

Die von vielen befürchteten Gewaltausbrüche nach der Wahl sind ausgeblieben. Dazu hatte auch die relativ versöhnliche Reaktion von Präsident Nicolás Maduro beigetragen: "Wir haben eine Schlacht verloren, aber jetzt beginnt der Kampf für den Sozialismus."

Noch kurz vor den Wahlen hatte Maduro verbal massiv aufgerüstet und davon gesprochen, die Revolution mit allen Mitteln verteidigen zu wollen. Ein noch unaufgeklärter Mord an einem lokalen Oppositionspolitiker heizte das Klima vor den Wahlen noch weiter auf. "Es kommt jetzt darauf an, ob Maduro auch in Zukunft das Ergebnis akzeptiert und Venezuela damit parlamentarische Züge gewinnen könnte," sagt Politikwissenschaftler Nikolaus Werz von der Universität Rostock. Bisher winkten die Sozialisten die Gesetze von Präsident Maduro weitestgehend durch.

Das wird sich nach den Parlamentswahlen ändern. Allerdings verfügt der Präsident in Venezuela über sehr viel Macht. So könnte er noch bis zur ersten Sitzung des neuen Parlaments im Januar mithilfe seiner Mehrheit und seiner Allianzen sogenannte Ermächtigungsgesetze verabschieden.

Stillstand oder Annäherung?

Die Blicke richten sich deshalb auf die Vergabe der letzten 22 Sitze im Parlament. Nach Einschätzung von Experten müssten die Ergebnisse aus den abgelegeneren Landesteilen in den nächsten Tagen vorliegen. Sollte die Opposition auf eine Dreifünftelmehrheit kommen, könnte sie ein solches Ermächtigungsgesetz ab Januar 2016 wieder rückgängig machen. Bei einer Zweidrittelehrheit (112 Sitze) wäre das vereinte Wahlbündnis "Mesa de la Unidad Democrática" auch in der Lage, wichtige Posten in der Justiz neu zu besetzen.

Das wäre vor allem in Hinblick auf die Inhaftierung vieler Oppositioneller wichtig. So hat beispielsweise Lilian Tintori, die Frau des inhaftierten Oppositionspolitikers Leopoldo López, sofort nach dem Wahlergebnis die "Freilassung aller politischen Gefangenen" gefordert. "Ich hätte nicht gedacht, dass der Protest so heftig ausfällt", sagt Alba Caroso. Die Vorsitzende der Lateinamerika-Stiftung Rómulo Gallegos mit Sitz in der venezolanischen Hauptstadt Caracas steht politisch auf Seite der Regierung und gilt als gemäßigt.

Weckruf an der Wahlurne

"Der Chavismus hat lange Zeit gehalten, was er versprochen hat - nämlich ein besseres Leben für die Mehrheit der Venezolaner. Das hat er in letzter Zeit nicht mehr erreicht. Der Alltag für die Venezolaner ist beschwerlich geworden", so Caroso."Die Wahl war nicht das Ende des Chavismus, aber ein sehr lauter Alarmruf." Die Gründe dafür liegen in der schweren Wirtschaftskrise. Das Land mit den größten Ölreserven wetlweit leidet unter Rezession, Inflation, Warenmangel und zunehmender internationaler Isolation. Stundelanges Schlange stehen für elementare Güter wie Klopapier oder Mehl gehören für viele Menschen zum Alltag.

In der Nacht von Sonntag auf Montag erreichte die Anspannung ihren vorläufigen Höhepunkt. Die ersten Wahlergebnisse wurden im Fernsehen verlesen. Die Opposition hatte auf diesen Moment hingefiebert. Der Erfolg sollte noch größer ausfallen, als es die Prognosen vorhergesagt hatten.

Umkehr der Machtverhältnisse

Nach bisher inoffiziellen Ergebnissen liegt das oppositionelle Wahlbündnis mit 112 Parlamentssitzen deutlich vor den Sozialisten, die bisher nur auf 51 von insgesamt 167 Sitzen kommen. Das ist insgesamt eine Umkehr der Machtverhältnisse. Denn in den vergangenen fünf Jahren verfügten die regierenden PSUV und ihre Bündnispartner über 99 Sitze, die Opposition kommt auf 64 Mandate.

Für Alba Caroso ist es eindeutig, dass Regierung und Opposition nun miteinander arbeiten müssen. "Es muss Anpassungen im Verhältnis zwischen den Parteien geben, ansonsten schliddern wir in eine Phase der politischen Unsicherheit." Im schlimmsten Fall könnte es auf einen dauerhaften Zweikampf zwischen Präsident und Parlament hinauslaufen. Für beide bedeutet dies eine Bewährungsprobe. Denn auch die Opposition bietet momentan noch keine langfristigen Alternativen. "Die müssen jetzt ein Programm entwickeln und nicht nur sagen, was sie nicht wollen, sondern was für sie wichtig ist", so Werz von der Uni Rostock.

Schon in der Vergangenheit habe sich die Opposition wegen ihrer Zerstrittenheit selbst ein Bein gestellt. So besteht das aktuelle Wahlbündnis aus rund 20 Parteien, die konservative, neoliberale und sozialdemokratische Strömungen umfassen. Allein die Festlegung auf einen Kandidaten für die kommende Präsidentschaftswahl dürfte schwierig werden.

Auf Staatschef Maduro könnte eine Präsidentschaftswahl früher zukommen, als ihm lieb sein kann. Die venezolanische Verfassung sieht nämlich bei genügend Unterschriften oder einer entsprechenden Mehrheit im Parlament ein Referendum über den Verbleib des Präsidenten nach der Hälfte seiner Amtszeit vor. Das wäre im Falle Maduros vom April kommenden Jahres an möglich. Dann könnten sich die Venezolaner gänzlich von der Revolution abwenden. "Der Transitionsprozess ist eingeleitet, der Ausgang ist ungewiss", bilanziert Politikwissenschaftler Nikolaus Werz.

Quelle: Deutsche Welle, Autor: Nicolas Martin

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