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Jüdisches Leben in Argentinien

Die Nachricht fand überall in der jüdischen Welt große Beachtung: In den Monaten nach der argentinischen Wirtschaftskrise im Dezember 2001 verließen rund 6.500 Juden das südamerikanische Land und gingen nach Israel. Die jüdische Gemeinde, die – je nach Quelle – zwischen 0,5 und 1,9 Prozent der Bevölkerung Argentiniens ausmacht, erfuhr einen kleinen, aber merklichen Exodus. Eine Ausstellung in Berlin lenkt den Blick auf diese und auf zahlreiche weitere Facetten des jüdischen Lebens zwischen Río Paraná und Feuerland.

Einwanderung begann vor 150 Jahren

Die jüdische Einwanderung nach Argentinien begann vor 150 Jahren. 1860 wurde in Buenos Aires die erste jüdische Hochzeit gefeiert. An der Zeremonie nahmen zehn Männer jüdischen Glaubens teil, so dass man davon ausgeht, dass vor diesem Zeitpunkt bereits einige Juden in der Hauptstadt ansässig waren. Zwar wurde 1862 die jüdische Gemeinde offiziell gegründet und 1875 mit dem Bau der ersten Synagoge begonnen. Dennoch lebten in jenen Jahren allenfalls jüdische Pioniere in Argentinien. Als eigentlicher Beginn des jüdischen Lebens gilt das Jahr 1889: Aus dem zaristischen Russland kommend, wo sie vor anti-jüdischen Pogromen geflohen waren, bestiegen 823 Menschen in Bremen einen Überseedampfer nach Südamerika. Die Gruppe gründete bald darauf die erste rein jüdische landwirtschaftliche Kolonie namens „Miosés Ville“. Argentinien wurde für viele innerhalb der jüdischen Diaspora zum Flucht- oder Sehnsuchtsort.

Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland

In Laufe der 1890er Jahre wuchs die jüdische Bevölkerung schnell und differenzierte sich immer weiter aus: Es wurden Gesellschaften gegründet, z.B. 1894 der erste jüdische Bestattungsverein, aus dem später die offizielle Jüdische Gemeinde Argentiniens (Asociación Mutual Israelita Argentina) hervorging. Der erste Schächter kam ins Land und eine Druckerpresse mit hebräischen Lettern wurde eingeführt. Anfang des vergangenen Jahrhunderts traten eine Vielzahl politischer Gruppen in Erscheinung, jüdische Bildungseinrichtungen wurden gegründet. Als 1936 die ersten Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland in Argentinien ankamen, besaß das Land eine religiös wie gesellschaftlich breit aufgestellte jüdische Gemeinschaft.

Deren Bandbreite wird zur Zeit in der Berliner Ausstellung „Jüdisches Leben in Argentinien“ beleuchtet. Die Macher der Schau konzentrieren sich dabei auf mehrere optisch ansprechende Ausdrucksformen.

Ausstellung unterstreicht Bedeutung der Buchkultur

Im Zentrum steht eine Installation, die einer Buchhandlung nachempfunden ist: Auf fünf Tischen stapeln sich 200 Paperback-Bände, die jeweils eine bekannte Jüdin oder einen bekannten Juden vorstellen. International gefeierte Künstler wie der Komponist Mauricio Kagel und der Autor Pedro Orgambide sind ebenso darunter wie eine Mutter der Plaza de Mayo, eine TV-Senderchefin, ein Musikpromoter oder ein professioneller Schachspieler. Die Bücher, die im Inneren lediglich aus einem Blindtext bestehen, liefern über ihre vorderen und hinteren Umschlagseiten die Kurzbiographien der jeweiligen „Autoren“. Eine gelungene Alternative zu den üblichen Museums-Wandtafeln.

Auf die Bedeutung der Buchkultur als Vermittlerin von Ideen und Stifterin von Identität verweist die Installation „Unterirdische Bibliothek II“. Gleichzeitig bezieht sie sich auf die „Unterirdische Bibliothek“ zur Erinnerung an die Bücherverbrennung vom Mai 1933, die auf dem August-Bebel-Platz in Berlin-Mitte zu besichtigen ist. Während dort die Regale jedoch leer sind, hinterlässt die Installation im Jüdischen Museum einen mutmachenden Eindruck: Hier sind sie komplett gefüllt mit Büchern.

Erinnerungskultur beider Länder

Eine weitere Installation beschäftigt sich mit der Erinnerungskultur in beiden Ländern. Auf einem „Pfad der Erinnerung“ werden die aus vielen deutschen Städten bekannten „Stolpersteine“, die an die früheren Wohnorte deportierter Juden gemahnen, neben die Plaketten gesetzt, die in Argentinien an die Verschwundenen der Militärdiktatur der 1970er und 80er Jahre sowie an die Toten des Bombenanschlags auf das Kulturzentrum der Jüdischen Gemeinde Argentiniens im Jahr 1995 erinnern. Auch wenn die drei Ereignisse grundverschieden sind, haben die Aktionen, die hier zusammengeführt werden, gleichermaßen die Absicht, dem Vergessen entgegenzuwirken.

Autor: Thomas Völkner


Die Sonderausstellung „Jüdisches Leben in Argentinien“ läuft noch bis zum 10. Oktober 2010.

Jüdisches Museum Berlin, Lindenstr. 9-14, 10969
www.jmberlin.de


öffnungszeiten: Täglich 10.00-20.00 Uhr, montags bis 22.00 Uhr; geschlossen an jüdischen Feiertagen (9., 10. und 18. September)

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