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Venezuela |

In Armut vereint

In Camuri, Provinz Vargas. Foto: Jürgen Escher/Adveniat.
In Camuri, Provinz Vargas. Foto: Jürgen Escher/Adveniat.

Nicolás Maduros erstes Jahr als Präsident von Venezuela ist nicht richtig glücklich verlaufen. Die Fußstapfen seines von ihm verehrten Vorgängers Hugo Chávez sind ihm bis heute zu groß. Die Straßenschlachten mit oppositionellen Studenten dauern jetzt schon Monate und gehören fast zum Alltag.

Und jetzt kommt auch noch sein eigenes Statistikamt und stellt dem Staatschef ein weiteres Armutszeugnis aus: Die Zahl der extrem Armen im Land ist im letzten Jahr um eine dreiviertel Million Menschen gewachsen.

Quittung für jahrelange Misswirtschaft

Damit hat Maduro endgültig verspielt, womit sich der venezolanische "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" in den vergangenen zehn Jahren so gerne gebrüstet hat: den Erfolg, viele Menschen aus der Armut zu führen und ihnen ein würdiges Alltagsleben zu ermöglichen. Dabei hatte die Propagandamaschine des Chavismo eine komplette Dekade lang zwei Faktoren ignoriert: Erstens, dass die zwischenzeitlichen Rekordpreise für das venezolanische Öl wieder sinken könnten. Und, zweitens, dass man keinen dauerhaften Wohlstand erzeugt, in dem man Unsummen öffentlicher Gelder in Sozialprogramme steckt.

Die Rechnung zahlt Venezuelas Bevölkerung. Und wie immer sind es diejenigen, die ohnehin schon wenig haben: Jeder vierte Venezolaner gilt offiziell als arm. Und 2,8 Millionen Menschen leben nach den neuesten Zahlen in extremer Armut das ist fast jeder zehnte Venezolaner. "Was in diesem Land 2013 passiert ist, und was wir für 2014 erwarten müssen, ist außerordentlich beunruhigend", sagt José Guerra, der ehemalige Direktor der venezolanischen Zentralbank. Denn die Aussichten, dass es besser werden könnte, sind gleich Null.

Hohe Preise und mangelhafte Versorgung

In dem Land, das auf den weltweit größten Ölreserven sitzt, ist die Inflation auf über 56 Prozent gestiegen - nur Syrien und Sudan haben noch höhere Teuerungsraten. Die Preissteigerung der Lebensmittel liegt in Venezuela sogar bei 74 Prozent.

Das liegt auch daran, dass es bei Grundnahrungsmitteln enorme Versorgungsengpässe gibt: In der Zeitung El Nacional schilderte neulich ein Brautpaar aus Caracas seinen absurden Kampf um ein paar Dosen Kondensmilch für das Dessert am Hochzeitstag. "Ich war sehr erleichtert, als meine Schwester, die in der Provinz lebt, in einem Supermarkt Kondensmilch entdeckt hatte. Allerdings konnte jeder nur zwei Dosen kaufen. Deswegen mussten wir Freunde und Verwandte um Hilfe bitten", erzählt Bräutigam Gustavo Rubio. Nach drei Monaten hatten sie die benötigte Menge zusammen.

Dosenmilch ist knapp und begehrt, weil viele Venezolaner sie als Ersatz für frische Milch benutzen. Denn die gibt es schon lange nicht mehr. Sogenannte "sensible Produkte", wie Mehl, Öl, Zucker oder Fleisch, gibt es am ehesten in den von der Regierung kontrollierten Supermärkten, natürlich zu subventionierten Preisen. Trotzdem reicht das Geld kaum noch bis zum Monatsende: Die Subventionen können den Verlust der Kaufkraft nicht ausgleichen.

Öl alleine hilft nicht weiter

96 von 100 US-Dollar, die Venezuela einnimmt, stammen aus dem Ölexport. Andere Exportgüter hat das Land kaum noch. Doch die Ölindustrie ist marode und ineffizient. Viele, dem Regime politisch genehme Abnehmerländer zahlen Vorzugspreise. Und zuhause gehört Benzin zu den wenigen Dingen, die sich jeder Venezolaner leisten kann: Eine Tankfüllung gibt es für umgerechnet 82 Cent - Mineralwasser ist teurer. Allein diese populistische Subvention kostet den Staat zwölf Milliarden US-Dollar im Jahr.

Die Privatwirtschaft spielt praktisch keine Rolle mehr, harte Auflagen und Devisenvorschriften der Regierung haben sie abgewürgt. Viele Lebensmittel müssen importiert werden - auch das treibt die Preise nach oben, in für arme Menschen unerreichbare Regionen. Die gewiss nicht oppositionsfreundliche venezolanische Menschenrechtsorganisation Provea fordert Erklärungen von der Regierung: "Der schlimmste Fehler, den sie begehen kann, wäre, diese Realität zu ignorieren oder zu banalisieren. Uns ist es wichtig, dass die Regierung dem Land erklärt, wie es trotz der bestehenden 36 Sozialprogramme sein kann, dass die extreme Armut so stark angestiegen ist", sagt Provea‑Mitarbeiter Rafael Uzcátegui.

Verschwörungstheorie statt Reformpolitik

Doch Präsident Maduro sieht keinen Grund, den wirtschaftspolitischen Kurs zu ändern und überfällige Reformen einzuleiten. Stattdessen ziehen er und seine Regierung es vor, für die ökonomischen Probleme eine weltweite, gegen sein Land gerichtete Verschwörung verantwortlich zu machen. Parlamentspräsident Diosdado Cabello erläuterte im Fernsehen, wer angeblich dahinter steckt: Neben einigen bekannten venezolanischen Künstlern auch das Weltwirtschaftsforum in Davos.

Aber ganz gewiss nicht die eigene Politik.

Autor: Marc Koch
Quelle: Deutsche Welle

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