Hoffnung auf Frieden in Kolumbien
Lateinamerikas älteste Guerillaorganisation FARC steht offenbar vor einem historischen Richtungswechsel. Die marxistischen "Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens" haben im Internet die Freilassung aller Geiseln und die Aufgabe der Entführungen von Zivilisten als Methode ihres Kampfes angekündigt.
Schon seit Wochen warten die verzweifelten Angehörigen, dass die FARC auch die letzten zehn Soldaten und Polizisten, tatsächlich freilassen. Dieser Schritt war schon für Weihnachten angekündigt. Doch noch in der vergangenen Woche hatten mehr als 2.500 kleinere Radiostationen in einem 110-stündigen Sendemarathon auf das Schicksal der teils seit mehr als 13 Jahren verschleppten Geiseln hingewiesen.
Sollte die FARC - die zuletzt immer wieder mit Ankündigungen für Freilassungen aufwartete, sie dann aber doch wieder verschob - ihr Versprechen tatsächlich umsetzen, hätte sie eine der wichtigsten Forderungen der Regierung erfüllt. Dies sei ein wichtiger und notwendiger Schritt in die richtige Richtung, teilte der konservative Staatspräsident Juan Manuel Santos in einer ersten Erklärung mit. Allerdings reiche das noch nicht aus, so der Regierungschef. Santos fordert darüber hinaus einen Gewaltverzicht.
Neu ist, dass die FARC ankündigte, künftig grundsätzlich auf das Mittel von Entführungen zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele zu verzichten. Die Zurückhaltung der Regierung auf die Initiative hat freilich auch historische Ursachen. Vor rund zehn Jahren scheiterten schon einmal die zunächst als historisch angekündigten Friedensgespräche von Caguan. Regierung und FARC warfen sich gegenseitig vor, für das Scheitern verantwortlich zu sein. Das Bild des leeren Stuhls neben dem damaligen Präsidenten Andres Pastrana ging um die Welt.
Die katholische Kirche im Land unterstreicht unterdessen ihre Bereitschaft, in den sich abzeichnenden Friedensgesprächen eine Rolle zu spielen: "Wir stehen bereit, wenn es darum geht, die Dinge zu unterstützen", sagte der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Bischof Juan Vicente Cordoba, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bogota. "Wir als Kirche können unseren Beitrag dazu leisten, dass sich die jeweiligen Gesprächspartner respektvoll gegenüberstehen. Wir verstehen unsere Aufgabe darin, Gespräche zu erleichtern."
In den vergangenen Jahren setzte Kolumbiens Regierung auf eine Politik der militärischen Stärke. Santos-Vorgänger Alvaro Uribe gelang es auch, die Guerilla militärisch zu schwächen - allerdings zum Preis zahlreicher Menschenrechtsverletzungen, die nun nach und nach aufgedeckt werden. Die gewaltlose Befreiung der prominentesten FARC-Geisel Ingrid Betancourt im Juli 2008 war der größte politische Erfolg der Uribe-Regierung gegen die Rebellen. Sie konnten sich davon ideologisch nicht mehr erholen.
Immer wieder gab es Großdemonstrationen, bei denen Millionen Kolumbianer ein Ende der FARC forderten. Die Organisation ist politisch isoliert. In der Bevölkerung besitzt sie wegen ihrer unmenschlichen Entführungspraktiken, auch gegen Zivilisten, und wegen ihrer tiefen Verstrickung in den Drogenhandel kaum noch Rückhalt. Gezielte Militärschläge gegen einzelne Führer der FARC hat die Führungsebene der Guerillabewegung gesprengt und unter Druck gesetzt.
Die der FARC nahestehende frühere Senatorin Piedad Cordoba von der Menschenrechtsorganisation "Kolumbianer für den Frieden" kündigte unterdessen an, der Prozess der Geiselfreilassungen werde etwa einen Monat dauern. Unterstützt wird die Übergabe von der Regierung Brasiliens und vom Internationalen Roten Kreuz.
"Wir freuen uns sehr für die Familien, dass die Geiseln bald freigelassen werden", schrieb Präsident Santos via Twitter. Die Regierung werde die dafür notwendigen Garantien geben. Ob der Prozess der Geiselfreilassung reibungslos verläuft, wird maßgeblich dafür sein, ob es in Kolumbien in absehbarer Zeit tatsächlich Friedensgespräche gibt.
Quelle: Tobis Käufer / kna