Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Mexiko |

Für 24 Stunden in den Fängen der Staatsmacht

Gleich nach seiner Freilassung am 23. August, einen Tag nach der überraschenden Festnahme, gab Gaudencio Mancilla Roblada eine Pressekonferenz im Hotel del Parque in Guadalajara.

„Sie nahmen mich fest und griffen mich verbal an. Sie schlugen mich. Sie wollten, dass ich die Idee der Gemeindepolizei bestimmten Personen anhefte und dass ich sage, sie würden angeblich auch Waffen in unsere Gemeinde schmuggeln“, beschrieb der indigene Anführer der Nahuas von Ayotitlán das nächtliche Verhör durch Beamte der Bundespolizei. Frische Kleidung habe er vor seiner Entlassung erhalten. Sein dreckiges Hemd landete im Müll. Damit die Blutspuren darauf keinen falschen Eindruck über die Verhörmethoden der Polizei erwecken könnten.

Am 22. August wurde Mancilla wegen illegalen Waffenbesitzes in Ayotitlán verhaftet. Polizeibeamte waren der Behauptung nachgegangen, eine Gruppe schwerbewaffneter Männer sei in dem Dorf La Guayaba aufgetaucht. Bei Ankunft in der Gemeinde, so die Beamten, sei das indigene Oberhaupt aus seinem Haus herausgekommen und habe mit einer Pistole auf sie gezielt. Außerdem fanden die Einsatzkräfte auf dessen Grundstück Propagandamaterial zur Gründung einer Bürgerwehr. Für die Staatsanwaltschaft Grund genug, das Dorfoberhaupt sowie seinen Bruder Bonifacio Mancilla und einen Nachbarn festzunehmen und dem Haftrichter vorzuführen.

Illegaler Rohstoffabbau mit allen Mitteln

„Es stimmt, dass ich im Besitz einer Waffe war, aber nur zu meiner eigenen Sicherheit. Diese war nicht für die Bürgerwehr bestimmt“, rechtfertigte Mancilla seine Reaktion auf das angeblich provokative Auftreten der Polizisten. Seit zwölf Jahren ist Gaudencio Mancilla Roblada offizieller Repräsentant des Ältestenrats von Ayotitlán. Das von den Bürgern direkt gewählte Gremium trifft alle wichtigen Entscheidungen der Gemeinde. Strittige oder heikle Punkte legt der Ältestenrat den Einwohnern zur Debatte und Abstimmung vor.

Zum Schutze der Bürger hat sich der Ältestenrat vor Jahrzehnten gegründet. Denn Ayotitlán gilt als jener Ort, wo die Jagd nach natürlichen Rohstoffen die Rechte der Indigenen aushöhlt. Dabei sind die Konzessionen zum Edelmetallabbau klar geregelt, denn die Region ist Teil eines kostbaren Naturreservats. Doch die Bergbaubesitzer streben nach mehr. Zusätzlich ist das organisierte Verbrechen in das Edelmetallgeschäft eingestiegen und spielt nach seinen eigenen Regeln. Jedes Mittel ist den Unternehmern und illegalen Banden recht, um an die Reichtümer der Region zu gelangen. Die Dorfbewohner werden eingeschüchtert und erpresst, ihr Land enteignet, um Holz und Edelmetalle tonnenweise aus dem Naturschutzgebiet Sierra de Manantlán zu gewinnen.

Dorfbewohner wehren sich

Die beiden Dorfbewohner Aristeo Flores und Nazario Aldama Villa fingen an, auf die gewalttätigen Übergriffe und den illegalen Raubbau öffentlich aufmerksam zu machen. Dafür mussten sie mit ihrem Leben bezahlen. Nachdem auch der 37-jährige Celedonio Monroy Prudencio letztes Jahr von Unbekannten entführt wurde, überlegte das Dorf selbst zu handeln. Durch die Gründung einer Bürgerwehr sollte ein zusätzliches Sicherheitssystem entstehen. Die „Policia Comunitaria“ sollte offizielle Aufgaben der staatlichen Polizei in 210 Nahua-Gemeinden der Sierra de Manantlán ergänzen. Im Gegensatz zu anderen formierten Bürgerwehren des Landes aber unbewaffnet bleiben und die Gemeinden nur überwachen. Mit der Polizei des übergeordneten Bezirks Cuautitlán de García Barragán, die nur selten durch die abgelegenen Bergdörfer patrouilliert, war eine enge Zusammenarbeit angestrebt. Während Ende Januar dieses Jahres noch 1.500 Bauern aus Ayotitlán für die Initiative einer Bürgerwehr stimmten, sprach sich Mitte Februar nur noch eine Minderheit dafür aus. Der Plan wurde auf Eis gelegt. Die Landesregierung dementierte jegliche Unterstützung zum Aufbau einer Bürgerwehr in naher Zukunft.

Dem Überfallkommando nur knapp entkommen

Seitdem versucht Gaudencio Mancilla Roblada zwischen den verschiedenen Parteien zu vermitteln und Vorurteile gegenüber einer eigenen Polizeistaffel aus dem Weg zu räumen. Dadurch lebt er gefährlich. Denn erstarktes Selbstbewusstsein sehen sowohl die Bergbaubesitzer als auch die organisierten Banden und die Polizei nicht gerne. Bereits mehrere Drohungen hat Mancilla in seiner 12-jährigen Amtszeit als höchster Vertreter des Dorfes erhalten. „Die Aufgabe eines Anführers bringt diese Gefahr eben mit sich“, erzählt der Kaffeebauer trocken und fährt fort: „Dennoch lassen wir uns von denen nicht einschüchtern“. Aber am 17. Juni dieses Jahres wurde es brenzlig. Todesschwadronen suchten das Haus von Mancilla auf. Nur knapp konnte er vor den schwer bewaffneten Männern in die Berge fliehen. Die Vermummten gaben an, im Auftrag der ansässigen Bergbaukonzerne mit dem Repräsentanten des Ältestenrats sprechen zu wollen. Dabei gehe es um Angelegenheiten des Bergbaus, so erklärten sie der Familie. Im Schutz von zwei Polizeistreifen brausten die Eindringlinge wieder davon.

Verhaftung als Einschüchterungsversuch

Vor dem Hintergrund dieser erfolgten Drohung, sorgte die plötzliche Festnahme von Mancilla für heftige politische Reaktionen. Clemente Castañeda Hoefflich der Mitte-Links-Partei „Movimiento Ciudadano“ hält die Verhaftung für politisch motiviert auf Grund Mancillas Kampf zur Verteidigung der Menschenrechte und des Naturschutzes. Der Direktor des „Zentrums der Gerechtigkeit für Frieden und Entwicklung“ (Cepad), César Pérez Verónica, sieht darin eine Verletzung der Sicherheit der indigenen Bevölkerung in der Region. Da die indigene Gemeinde von Ayotitlán sowie Mancilla selbst schon mehrfach Morddrohungen durch das organisierte Verbrechen angezeigt hatten, von Seiten der Polizei aber nicht reagiert wurde, hält er die Aktion der Staatsanwaltschaft für Provokation und Willkür. Auch der Anwalt des Ältestenrats, Jaime Hernández Lamas, findet es völlig unangemessen, einen indigenen Anführer zu verhaften, während die Bergbaukonzerne in der Region ohne offizielle Genehmigung weiterhin illegal Edelmetalle abbauen und so einen wöchentlichen Gewinn von rund 30 Millionen Dollar einfahren würden.

Der Staatssekretär Arturo Zamora Jiménez des Bundesstaats Jalisco rechtefertigte das Eingreifen der Polizei mit der Begründung: „Jeder, der illegal eine Waffe erwirbt, begeht ein Verbrechen.“ Daher kenne er auch kein Gesetz, welches Menschenrechtlern erlaube, eine Pistole zu besitzen. Wenn Gaudencio Mancilla Roblada eines nach der 24-Stunden-Haft eindeutig klar geworden ist, dann sei es der wahre Grund seiner Festnahme. Weder die Idee der Gemeindepolizei noch sein Waffenbesitz habe die Beamten wirklich motiviert, ihn einschüchtern zu wollen. Bei dieser Angelegenheit gehe es einzig und allein um das Bergwerk.

Autorin: Sara Charlotte König

Gaudencio Mancilla Roblada, Oberhaupt der Nahua-Indigenen und Repräsentant des Ältestenrats in der Gemeinde Ayotitlán, berichtet bei einer Pressekonferenz in Guadalajara über seine Festnahme und Verhör durch die Polizei. Foto: Michelle Pérez.

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