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Kolumbien |

Ex-Guerillero soll in Bogotá Schusswaffenverbot durchsetzen

Am Rathaus von Bogotá hängt ein großes Schild: „¿Armar o amar?“. Bewaffnen oder lieben? Die neue Stadtregierung unter dem linken Bürgermeister Gustavo Petro Urrego – auch er ein früherer Guerillero – will der Gewalt in der Acht-Millionen-Metropole entgegentreten. Das Verbot des Tragens von angemeldeten Schusswaffen in der öffentlichkeit soll hierbei nicht nur verhindern, dass der Besitzer unbedachten Gebrauch von seiner Waffe macht. Die Maßnahme trägt auch den Überfällen durch Kriminelle Rechnung, die rechtmäßigen Besitzern die Waffe entwenden, um sie für ihre Taten zu nutzen.

Verantwortlich in Bogotás Stadtregierung für die Durchsetzung des Verbots ist Antonio Navarro Wolf, der maßgeblich an der Ausarbeitung von Kolumbiens demokratischer Verfassung aus dem Jahr 1991 mitwirkte. Navarro Wolf verlor durch eine Granate ein Bein. Das Waffenverbot wird nach drei Monaten ausgewertet, um zu sehen, ob die Zahl der Morde in Bogotá deutlich gesenkt werden konnte. Sollte die Maßnahme sich als erfolgreich erweisen, könnte sie auf andere lateinamerikanische Länder ausstrahlen, im Sinne einer Infragestellung der militärischen Strategie der Bekämpfung des organisierten Verbrechens und des Drogenhandels.

Wie gehen Sie mit der Kritik um, die „Guten“ würden entwaffnet und könnten sich künftig nicht mehr gegen die „Bösen“ verteidigen?

In der Tradition Kolumbiens gab es quasi ein „Recht“, zu den Waffen zu greifen, wenn auf institutionellem Weg keine Lösung möglich war. Daher gab es in unserer Geschichte so viele bewaffnete Aufstände. Dies begann sich 1990 mit dem Friedensprozess zu verändern. Ein Wandel der Kultur: Waffen zuhause zu haben, für den Sport oder die Jagd, das sollte nach wie vor möglich sein, aber Waffen sollten nicht mehr dazu dienen, sich gegen die Regierung zu erheben. Dieser Prozess ist übrigens auch eng mit der Urbanisierung Kolumbiens seit den ´80-er Jahren des 20. Jahrhunderts verbunden.

Was unsere jetzige Maßnahme betrifft, so steht dahinter die Vorstellung, dass der Staat das Waffenmonopol besitzt. In Bogotá werden die meisten Morde mit Schusswaffen begangen. Die Statistiken sind nicht ganz eindeutig, doch schätzungsweise 10 bis 20 Prozent der Morde werden mit „legalen“ Waffen verübt. Eine beträchtliche Zahl also. Wer in der öffentlichkeit eine Waffe trägt, setzt sich der Gefahr aus, diese vielleicht unbedacht zu verwenden, was für ihn große Probleme nach sich zieht.

90 Prozent der Teilnehmer an einer Umfrage in Bogotá äußerten sich zustimmend zu dem Waffenverbot. Was ist mit den anderen - gibt es „Feinde“ der Entwaffnung in der Stadt?

Ich glaube, es gibt eine kleine Minderheit, die gerne eine Waffe bei sich trägt. Unter anderem aus Prestigegründen, denn Waffen sind sehr teuer, auch die Waffenscheine. Es gibt ja Ausnahmen, für die Jagd zum Beispiel. Und gefährdete Personen können natürlich eine Sondergenehmigung erhalten. Meiner Meinung nach geht derjenige, der in der öffentlichkeit eine Waffe trägt, eher ein Risiko ein, als dass er sich Schutz verschafft.

Bei dem Waffenverbot handelt es sich erst einmal um einen dreimonatigen Test. Kann daraus eine Dauermaßnahme werden?

Wir werden jetzt erst mal die Zahlen auswerten. In Bogotá ist die Mordrate in den vergangenen Jahren ja bereits deutlich zurückgegangen (Anmerkung: auf das niedrigste Niveau seit 26 Jahren. 2011 entfielen statistisch 19,8 Morde auf 100.000 Einwohner). Daher sind weitere Erfolge, in Prozenten gemessen, schwieriger zu erzielen im Vergleich zu einem vorher deutlich höheren Niveau. Grundsätzlich geht es darum, besonnene Maßnahmen zur Eindämmung der Gewalt zu erarbeiten. Und eine von diesen ist eben die Entwaffnung. Ein Erfolg wäre es, wenn in diesen drei Monaten die Zahl der Morde um mehr als 10 Prozent zurückginge und sich nachweisen ließe, dass keine registrierten Waffen zum Einsatz kamen.

Interview: Alex Sierra R., Anthropologe und Politikberater

Quelle: adital, deutsche Bearbeitung: Bernd Stößel

Blick vom Wallfahrtsberg Monserrate auf das moderne Geschäftszentrum von Bogotá. Foto: Adveniat/Bauerdick

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