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Peru |

Es ist nicht immer Inti Raymi

Zur Sommersonnenwende wird in Peru Inti Raymi gefeiert. Damit wird, bunt und fröhlich für die Touristen aufbereitet, an indigene Traditionen erinnert. Wie aber leben indigene Bauern den Rest des Jahres?

Das tiefe Brummen der Pututu-Hörner schwingt durch den Morgen. Die Teilnehmenden Festzugs des Kaziken von Ruricancho, in weißen Umhängen und mit gelben Wimpeln, steigen den Hügel hinab. Auf einer Sänfte nähert sich Túpac Yupanqui, um die Huldigungen der Bewohner entgegenzunehmen und um den Segen von Vater Sonne zu bitten.

Keine touristische Zeremonie in Campoy

Am 24. Juni nahm ich an einer Feier des Inti Raymi auf der Burg Campoy teil, die von der Ichma-Kultur errichtet worden ist. Campoy liegt nördlich der Hauptstadt Lima, im Distrikt San Juan de Lurigancho, wo die Armut besonders groß ist. Bei Campoy klettern die notdürftig gefertigten Behausungen aus Stein oder geflochtenen Matten die Ausläufer der Anden empor. Stein, Sand und Geröll, soweit das Auge reicht. Zum fünften Mal wurde das Fest dort begangen, auf Initiative der Schule Daniel Alcides Carrión. Dort wird keine touristische Zeremonie begangen, es ist stattdessen eine Form, die prähispanische Vergangenheit unserer Hauptstadt Lima wieder zu ehren. In diesem Jahr wurden ähnliche Feiern auch in den Huacas, den heiligen Pyramiden, in San Miguel und San Martín de Porras begangen, ebenso wie im Museum für Archäologie und Anthropologie.

Eine der Lehrerinnen, die die Zeremonie in Campoy leitete erklärte, das Inti Raymi sei auch ein Anlass, um sich die schwierige Lebenssituation der peruanischen Bauern zu vergegenwärtigen. Damit sprach sie einen grundlegenden Punkt an, denn normalerweise wird darüber weder am 24. Juni noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt des Jahres nachgedacht.

Fehlende Wertschätzung für indigene Bauern

Da gibt es zum Beispiel jene, die unentwegt ihren Stolz über die peruanische Küche kundtun, den Bauern jedoch, welche die Lebensmittel für unsere Gastronomie anbauen, mit Geringschätzung begegnen. Und selbst diejenigen die von sich sagen, sie würden die bäuerliche Arbeit durchaus wertschätzen, interessiert es keinen Deut, wie viel die Bauern eigentlich für ihre Produkte erhalten. Andere sind wiederum der Ansicht, die Bauern wären arm, weil sie es so wollten und weil sie einfach ineffizient arbeiteten. Sich „an die Bauern erinnern“ bedeutet für manche auch, abgetragene, ungeliebte oder aus der Mode geratene Winterkleidung zu verschicken.

Manchmal hatte es sogar den Anschein, dass nicht einmal das Leben eines Bauern etwas zählt: In den Jahren des bewaffneten Konflikts war das Abschlachten von Bauern wegen des Verdachts, es könnte sich bei Ihnen um Terroristen handeln, ein Verbrechen, dass Soldaten und Polizei häufig begingen. Zehn Bauern starben während der Regierungszeit von Alejandro Toledo durch Polizeigewalt und 36 unter Präsident Alan García, darunter auch einige Kleinkinder. Vergangenes Jahr zum Beispiel – noch während der Amtszeit von García – hätte der „Tag des Bauern“ nicht schlimmer begangen werden können: Die Polizei ermordete die Bauern Félix Yrkanota, Raúl Chacchata, Petronila Coa, Gregorio Huamán und Javier Perlacios. Sie stammten aus Azángaro und waren mehrere Tage mit einer Protestdemonstration in Richtung Juliaca marschiert, um gegen die Umweltverschmutzung des Flusses Ramis durch den informellen Bergbau zu protestieren.

Beispiellose Maßnahmen der Regierung Humala

Während der ersten Monate der Amtszeit von Präsident Ollanta Humala hat die Regierung Maßnahmen ergriffen, um die Situation der Bauern zu verbessern: Vor vier Tagen gab Humala bekannt, es werde Kredite mit sehr geringen Zinsen für Landwirte geben. Die Zahl derer, die durch das Hilfsprogramm Juntos mit monatlich 200 Soles (ca. 59 Euro) unterstützt werden, hat wesentlich zugenommen. Vor allem verarmte Bauern erhalten diese Unterstützung, müssen im Gegenzug allerdings eine Reihe von Bedingungen erfüllen, wie etwa, den Schulbesuch ihrer Kinder sicher zu stellen. Auch sind unter den Alten, die mit dem Programm „Pension 65“ eine minimale Altersversorgung von 125 Soles (ca. 37 Euro) erhalten, mehr als 100.000 Bauern.

Die Regierung ergreift beispiellose Maßnahmen im Bereich der Kultur und der Linguistik: Im Zuge der Vorbereitungen zur Vorherigen Konsultation der indigenen Völker wurden Dolmetscher in indigenen Sprachen ausgebildet und die bilinguale, interkulturelle Bildung wird gefördert, um viele der pädagogischen Institute wieder zu eröffnen, die unter der Vorgängerregierung von Alan García geschlossen worden waren. Das Programm „Escuelas Marca Peru“ wird vorangetrieben, dessen seltsamer Name umfassende Investitionen leisten soll, damit die Schüler in den 1.200 ärmsten Schulen des Landes eine qualitativ gute Ausbildung erhalten. Es werden sogar Fahrräder an die Schüler in ländlichen Gegenden verteilt, damit ihr Schulweg einfacher zu bewältigen ist… wobei es natürlich besser wäre, man würde in diesem Falle an einen Schulbus denken. Sogar an Symbolisches wurde gedacht: So war Premier Oscar Valdés bei der Neujahrsfeier der Aymara zugegen.

Rassistischer Diskurs ist gleich geblieben

Doch trotz all dieser Maßnahmen leben viele Bauern mit der gleichen Angst um das Eigentum an ihrem Land wie schon unter den Vorgängerregierungen. In Cajamarca und Espinar hat das Regime die Repression über den Dialog gestellt und bemüht denselben rassistischen Diskurs von der Rückständigkeit der Indigenen sowie von der Manipulation der Bauern durch Nichtregierungsorganisationen, wie schon Präsident García.

Traurige Symbolfigur dieses Verhaltens gegenüber den Bauern ist Delia Hanccoccallo geworden, deren Ehemann, Rudecindo Manuelo, am 28. Mai in Espinar durch die Schüsse aus einer Polizeiwaffe starb. Sie wird es jetzt schwer haben, ihre beiden Söhne im Alter von zwei und vier Jahren allein durchzubringen. Die gleiche ungewisse Zukunft erwartet Sara Huallpa, die mit Walter Sencía zusammenlebte, der ebenfalls ermordet wurde. Sarah Huallpa wird in ein paar Monaten ein Kind zur Welt bringen. Für eine Entschädigung und Unterstützung dieser Familien ist beim Innenministerium kein einziger Funktionär vorgesehen. Es scheint außerdem unmöglich, dass es überhaupt Gerechtigkeit geben wird, denn die Justizbehörden haben entschieden, dass der Prozess in Ica stattfinden soll – weit entfernt von den Orten, in denen die beiden Frauen leben.

Gedenkfeiern wie das Inti Raymi sollten uns helfen, die indigene Komponente unserer Geschichte wertzuschätzen und die Bedürfnisse von Millionen, mehrheitlich indigenen Bauern, nach einem würdigen Leben wahrzunehmen.

Autor: Wilfredo Ardito Vega in Adital; Deutsche Bearbeitung: Bettina Hoyer

Campesinos in Peru / Pohl, Adveniat

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