ELN: Guerilla-Organisation mit christlich-marxistischem Hintergrund
Seit nunmehr gut drei Monaten befinden sich in Kolumbien zwei Brüder aus Bayern in der Gewalt von Rebellen. Die beiden Rentner, die sich auf einer Weltreise befanden, sind der linksgerichteten Guerilla-Organisation ELN (Ejercito de Liberacion Nacional), der zweitgrößten Rebellenbewegung des südamerikanischen Landes, in die Hände gefallen. International deutlich bekannter ist die Guerilla-Organisation FARC, die seit einigen Monaten mit der Regierung von Präsident Juanel Manuel Santos Calderon über einen Ausweg aus dem bewaffneten Konflikt verhandelt.
Die ELN hielt die deutschen Touristen offenbar für Spione. Nun fordert sie von der Bundesregierung den Beweis des Gegenteils. Hinter der Entführung steckt nach Einschätzung kolumbianischer Experten aber mehr als nur der Versuch, Lösegeld zu erpressen. Es geht den Rebellen offenbar auch darum, in die Friedensgespräche mit einbezogen zu werden. Bei diesen hat die ELN mit ihren rund 2.000 Kämpfern derzeit nur die Zuschauerrolle. Kolumbianische Kirchenvertreter erinnerten zuletzt immer wieder daran, die ELN beim Friedensprozess nicht zu vergessen.
"Die ELN hat dem Land und der Regierung wiederholt angeboten, für die Suche nach Wegen einer politischen Lösung zur Verfügung zu stehen", schrieb der politische Sprecher der ELN, Nicolas Rodriguez Bautista alias "Gabino", vor zwei Jahren in einem Brief an die katholischen Bischöfe. Die ELN sei bereit, sich über verschiedene Vorschläge auszutauschen und zu diskutieren. Es gebe "keinen Zweifel, dass die Kirche bei diesem Vorhaben eine große Rolle spielen" werde, unterstrich "Gabino" in seinem Brief im Februar 2011.
Die ELN wurde in den 1960er Jahren von Studenten, katholischen Radikalen und linken Intellektuellen gegründet. Sie eiferten den kubanischen Revolutionären um Fidel Castro nach. Vor allem die Armut der Campesinos war Triebfeder der Kämpfer, die sich auf marxistische und christliche Werte beriefen.
Wirken von Camilo Torres strahlt bis heute in der ELN
Daran hatte vor allem der prominente Priester und Befreiungstheologe Camilo Torres seinen Anteil, der bereits in den ersten Jahres des Kampfes zur ELN stieß. Von ihm überliefert ist mit Blick auf die bis heute weltweit äußerst seltene Kooperation von Christen und Marxisten der Satz überliefert: "Warum sollen wir streiten, ob die Seele sterblich oder unsterblich ist, wenn wir beide wissen, dass Hunger tödlich ist." Torres starb im Februar 1966 bei Kämpfen mit Regierungstruppen. Bis heute strahlt sein Wirken in der ELN nach.
Wie so oft in Kolumbien erlebte auch die ELN einen Prozess der moralischen Degeneration. Aus Freiheitskämpfern wurden Drogenhändler, Mörder und Gewalttäter. In ihren Reihen finden sich sogar zwangsrekrutierte Kindersoldaten. Ermordete Politiker und Zivilisten bilden die dunkle Seite ihres Kampfes.
Amnesty International wirft der Gruppe schwere Menschenrechtsverletzungen vor. Eine Nähe zur katholischen Kirche ist dennoch geblieben. Vor gut einem Jahr haben Geistliche elf Geiseln aus der Gewalt der Rebellen entgegengenommen. Politiker und Kirche wollen im aktuellen Fall erneut vermitteln.
Quelle: KNA, Autor: Tobias Käufer
ELN-Graffiti erinnert an den 43. Gründungstag in Arauca. Foto: Kyle E Johnson