Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Mexiko |

Eine Schmach für die Pressefreiheit

Javier Duarte de Ochoa dürfte mächtig stolz auf sich, seine Regierungsleistung und seine Partei der Institutionellen Revolution (PRI) sein. Denn vergangenen Dienstag, 2. April, erhielt der Gouverneur von Veracruz einen Ehrenpreis ganz besonderer Art. Der Verband mexikanischer Zeitungsverlage (AME) verlieh dem 39-jährigen PRI-Politiker am 2. April eine Auszeichnung für seinen Einsatz zur „Verteidigung der Sicherheit und Unversehrtheit von Journalisten“.

Der Verband würdigt damit die Initiative des Gouverneurs, im Dezember 2012 eine Staatskommission zur Betreuung und zum Schutz von Journalisten eingerichtet zu haben. Damit habe Duarte de Ochoa als erster Gouverneur Mexikos, so der Geschäftsführer von AME, Julio Ernesto Bazán González, ein „solides Projekt zur Stärkung der Meinungsfreiheit“ geschaffen und „den Rechtsstaat, die Gesetzesanwendung sowie die Gerechtigkeit wiederhergestellt“.

Für viele Bürgerrechtler und Journalisten stellt die Auszeichnung des Staatsvertreters eine Verhöhnung der Pressefreiheit dar. In den darauffolgenden Tagen ging ein Aufschrei durch die Medien des Landes. Gouverneur Javier Duarte de Ochoa ist seit Dezember 2010 im Amt. Unter seiner PRI-Regierung wurden bisher neun Journalisten ermordet, weitere 3 gelten noch als vermisst. Die Mehrheit der Fälle ist bisher juristisch noch nicht aufgeklärt. Laut Wochenmagazin Proceso verließen bereits mehrere Reporter nach erfolgten Morddrohungen das Bundesland ins Exil. Aber auch Übergriffe in Form von Diskreditierung, Einschüchterung und Schlägen seitens der Staatsgewalt seien für Pressevertreter eine Alltäglichkeit, so das Politmagazin. Damit ist Veracruz für Journalisten einer der gefährlichsten Bundesstaaten in Mexiko.

Ehrenpreis als Täuschungsmanöver der öffentlichkeit

„Das Widersprüchliche daran ist, dass in diesem Bundesstaat weder Journalisten noch Gruppierungen, die ihre Meinung kritisch äußern, von der Regierung geschützt werden“, kritisierte Mike O’Connor, Vertreter des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) in Mexiko, in einem Artikel der Agentur Notimex die Auszeichnung von Duarte. Der Gouverneur selbst sieht die Sicherheit der Medien in seinem Bundesstaat als positiv. Auf der Preisverleihung rühmte er die von der Landesregierung angeblich respektierte Meinungs- und Pressefreiheit: „Hier gibt es Raum, das zu sagen, was man will. Man darf kritisieren, demonstrieren, was der korrekten Ausübung des Journalismus entspricht.“

Darío Ramírez, Direktor der Organisation zur Verteidigung der Pressefreiheit „Artículo 19“ findet die Auswahl eines Staatsvertreters für einen solchen Preis als sehr unpassend. Er ist der Ansicht, dass es nicht Aufgabe der Medien sei, einen Vertreter der Regierung mit Preisen auszuzeichnen. Dies stehe im klaren Widerspruch zur Aufgabe der Medien. Diese sollten die Arbeit der Regierung hinterfragen, schlechte Amtstätigkeiten kontrollieren und öffentlich verurteilen, damit sie sich nicht fortsetzen. Weiterhin bezeichnete Ramírez die Ehrung von Duarte als eine Beleidigung der mexikanischen Presse und als respektlos gegenüber den Angehörigen der ermordeten Journalisten. Die Preisverleihung sei nichts weiter als eine Täuschung der öffentlichkeit. Sie soll den Anschein erwecken, man kümmere sich in dem Bundesstaat um das Problem der wachsenden Gewalt gegen Journalisten, die kritisch über den Drogenkrieg berichten. In Wirklichkeit aber beklagen viele Medienvertreter in Veracruz die fehlende Legitimität und das Vertrauen in die jüngst eingerichtete Kommission, die völlig unfähig sei, gefährdete Journalisten zu schützen.

Welle des Protests in sozialen Netzwerken

Auch durch soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook ging eine Welle des Protests. Die neu eingerichtete Facebook-Seite „Auch mich ekelt der Chayopremio für Javier Duarte an“ erhielt innerhalb von nur einer Woche rund 1.500 Kommentare und mehr als 1.700 positive Bewertungen. Auf dem Profil finden sich eine Sammlung an kritischer Berichterstattung über die Preisverleihung und Hintergrundberichte über das Verschwinden und die Ermordung der ehemals in Veracruz arbeitenden Journalisten.

Ebenso steht die Organisation AME, die die Auszeichnung an Duarte verliehen hat, nun selbst in großer Kritik. Laut eigenem Internetauftritt gehören dem Verband mehr als 100 Zeitungen und Verlage aus ganz Mexiko an. Auf die umstrittene Preisverleihung hin aber distanzierten sich verschiedene regionale Tageszeitungen wie Notiver aus Veracruz und Imagen aus Zacatecas von der Organisation und forderten ihren Austritt. Die Tageszeitung El Diario de Juárez aus Chihuahua, die ebenfalls auf der Internetseite als Mitglied gelistet ist, behauptet sogar, dem Verband nie angehört zu haben. Das Blatt verlangte unverzüglich, von der Liste gestrichen zu werden. Die Nennung werfe ein schlechtes Licht auf das Medium.

Die Regierung von Veracruz wollte sich zu der in den Medien wiedergegebenen Polemik bezüglich der Preisverleihung nicht öffentlich äußern. Gegenüber CNN-Mexiko ließ das zuständige Presseamt verlauten, dass über die erfolgte Preisvergabe innerhalb der Regierung nicht diskutiert werde, da es sich um eine „interne Angelegenheit des Verbandes“ handele.

Straffreiheit der Täter führt zu Selbstzensur der Presse

Mexiko bleibt weiterhin eines der weltweit gefährlichsten Länder für Journalisten. Schon seit Jahren steigen die Vermisstenzahlen kontinuierlich. Bei den Morden an Journalisten führt Mexiko die Rangliste an. Mexiko-Stadt und der Bundesstaat Veracruz gelten hier laut „Articulo 19“ als besondere Brennpunkte. In Zusammenhang mit der Ausübung ihres Berufes beziffert die Organisation die Anzahl der Aggressionen gegen Berichterstatter von Januar bis einschließlich März 2013 auf insgesamt 50. Das sind 20 Prozent mehr als im ersten Trimester nach Amtsantritt von Felipe Calderon vor 6 Jahren. Die Statistiken lassen den Anschein erwecken, es mangele der neuen Regierung unter Präsident Enrique Peña Nieto ebenso am Willen, die Pressefreiheit mit effektiven Mitteln zu schützen. Zuständige Behörden reagieren kaum auf eingereichte Beschwerden von Journalisten. Übergriffe werden fast nicht geahndet, die Täter selten gefasst. Auch versucht die Polizei immer wieder die Journalisten zu kriminalisieren. Im Falle eines verübten Übergriffes oder Mord heißt es nicht selten, der Journalist selbst sei in den Machenschaften des Kartells verwickelt gewesen. Infolge der schwindenden Pressefreiheit sehen sich immer mehr Medien gezwungen, die Berichterstattung über den Drogenkrieg einzustellen. Die Tagesszeitung Zócalo in Coahuila begründete die Selbstzensur mit dem Argument, seine Angestellten und deren Familien nicht weiter zu gefährden.

Autorin: Sara Charlotte König

Darío Ramírez, Direktor der Organisation zur Verteidigung der Pressefreiheit „Artículo 19“, kritisiert die Preisverleihung als eine Beleidigung der mexikanischen Presse und als respektlos gegenüber den Angehörigen der ermordeten Journalisten. Foto: Flickr/Artículo 19.

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