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Chile |

Eine Musikszene auf der Überholspur

Musiker hatten es in der Vergangenheit schwer, ihre Musik ohne die Hilfe eines traditionellen Musiklabels aufzunehmen und zu vermarkten. Eine Alternative sind heutzutage Netlabel. Eines der erfolgreichsten Netlabel in Chile ist Pueblo Nuevo. Ein Interview mit dem Gründer Mika Martini.

Auf Internetseiten veröffentlichen die Betreiber Musik ausgewählter Künstler. Die mp3-Dateien kann jeder kostenlos herunterladen. Gewinn zu machen, steht nicht im Vordergrund.

 

Blickpunkt Lateinamerika: Wie ist dein Netlabel „Pueblo Nuevo“ entstanden?

Mika Martini: Mein Freund Daniel Jeff und ich haben Pueblo Nuevo 2005 gegründet. Wir sind beide Musiker und hatten uns durch ein anderes Projekt kennen gelernt. Damals war es schwierig, als Künstler seine Musik zu verbreiten. Man brauchte jemanden, der die teure Produktion von einer CD finanzierte oder man musst einen Vertrag mit einem Label bekommen. In dieser Zeit haben aber viele der traditionellen Musiklabel Pleite gemacht. Im Internet sind wir dann durch Foren und E-Maillisten auf das Konzept des Netlabels gestoßen und das war die ideale Lösung. Ich bin hauptberuflich Webdesigner und wusste, wie man eine Internetseite macht. Daniel hatte schon Material für zwei Alben gesammelt. Ohne große Erfahrung haben wir das Netlabel gegründet und immer weiter dazu gelernt.

Mit welchen Musikern arbeitet ihr zusammen?

Wir können alles aufnehmen und publizieren, worauf wir Lust haben. Wir haben schon mit nationalen Stars zusammengearbeitet, die Musikpreise in Chile gewonnen haben, aber genauso haben wir auch Leute im Urlaub kennen gelernt, die schon immer Musik machen wollten und denen wir dann eine Plattform gegeben haben. Die Qualität der Veröffentlichungen hängt vom Team ab. Jedes Netlabel entscheidet, welche Künstler es unterstützt und die meisten Betreiber haben ein gutes Gespür für Musik. Es gibt nur ganz wenige Netlabel, die einfach nur irgendetwas veröffentlichen.

Finanziert ihr das Netlabel aus eigener Tasche oder verdient ihr damit Geld – zum Beispiel mit Werbung auf der Internetseite?

Mit Werbung verdienen wir kein Geld. Aber wir bekommen durch die Teilnahme an Wettbewerben finanzielle Unterstützung. Die chilenische Regierung hat zum Beispiel ein Programm zur Kunstförderung. Jedes Jahr kann man dort eine CD-Produktion gewinnen oder Geld, um ein Musikfestival zu veranstalten oder auf Tour zu gehen. Wir haben schon mehrmals bei diesem Wettbewerb gewonnen und konnten CDs veröffentlichen und Konzerte im Ausland geben.

Ein Großteil der Netlabel in Lateinamerika, aber auch in anderen Ländern wie Deutschland oder Spanien veröffentlicht in erster Linie elektronische Musik. Wie kommt das? Ihr bietet ja auch nur elektronische Musik an.

In Chile gab es sehr wenige Musiklabel für elektronische Musik. Rock, Pop, Folklore und HipHop sind in Chile wie überall auf der Welt gut etabliert. Die elektronische Musik war allerdings ein bisschen außen vor und es gab kaum Labels, die diese Musikrichtung vermarktet haben. Elektronische Musik ist aber die Stilrichtung, die uns gefällt. Es ist natürlich auch viel einfacher zu produzieren, denn man braucht ja nur eine, vielleicht zwei Personen. Bei einer ganz Band ist das viel schwieriger, also haben wir uns auf elektronische Musik konzentriert.

In Deutschland ist seit einiger Zeit eine Kulturflatrate im Gespräch. Weil so viele Leute illegal Musik und Filme aus dem Internet herunterladen, haben einige vorgeschlagen eine Flatrate einzuführen. Jeder Computerbesitzer würde dann einen pauschalen Betrag pro Monat bezahlen und könnte dafür so viel herunterladen, wie er will. Gibt es in Chile ähnliche Diskussionen?

Ja, es gab vor einigen Jahren eine ähnlich Debatte hier. Die Gesetze für das Urheberrecht von Künstlern sind, soweit ich mich erinnere, seit Anfang der 70er Jahre nicht verändert worden und berücksichtigen nicht die ganze digitale Entwicklung. Die Institution, die für Urheberrechte in Chile zuständig ist, hat damals eine Kampagne gestartet. Sie wollten, dass die Firmen, die Computernutzern Internet zur Verfügung stellen, von ihrem Gewinn einen Prozentsatz an die Organisation für Urheberrechte abgeben. Das war eine sehr intensive Debatte – auch im Kongress – denn die Fragen, die sich für die Rechte von Musik ergeben, betreffen natürlich auch andere Felder. Wenn zum Beispiel eine Bibliothek ein historisches Buch kopieren will, weil es droht auseinander zu fallen, muss es dazu die Erlaubnis des Autors einholen. Ansonsten ist das verboten. Vor gut einem Jahr, hat man das Gesetz dann geändert, aber trotzdem viele Fragen nicht geklärt. Musikpiraterie ist ein allgegenwärtiges Thema in den Medien und die Idee, dass Internetprovider einen Teil ihres Gewinns an Künstler abgeben, hat sich nicht durchgesetzt.

Wie sieht die Musiklandschaft in Chile heute aus? Sind die Musiklabel, die vor sechs Jahren verschwunden sind wieder gekommen?

Im vergangenen Jahr wurde eine Studie über die Musikproduktion in Chile veröffentlicht. Weniger als vier Prozent aller Musik wird von traditionellen Musiklabeln herausgeben. Der Rest – also 96 Prozent – erscheint auf alternativen Wegen. Entweder durch Netlabel oder ähnliche unabhängige Plattformen - oder Künstler verbreiten ihre Musik selbst.

Das Interview führte Julia Mahncke.

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