Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Kuba |

Ein Erfolg der kubanischen Bürger

Yoani Sánchez (35) ist mit “Generación Y“ über den Alltag auf Kuba zur bekanntesten Bloggerin Kubas avanciert. Ihr Ehemann Reinaldo Escobar (63) arbeitete lange für die offiziellen kubanischen Medien, bis seine Hoffnung auf Reformen Anfang der 90er Jahre enttäuscht wurde. Seither ist er „unabhängiger Journalist“ – auf Kuba gleichbedeutend mit „Regimekritiker“. Im Gespräch mit Sandra Weiss nehmen sie Stellung zur jüngsten Freilassung von Dissidenten und deren politischer Bedeutung. „Es reicht nicht, Gefangene freizulassen, unterschiedliche Meinungen müssen respektiert werden“, fordern sie.

Ist die Freilassung politischer Gefangener ein Zeichen für einen Wandel auf Kuba?

R.E.: Ich würde eher von einem Anzeichen sprechen, das auf Veränderungen hindeutet. Die Regierung hat mit der Freilassung eine „vorübergehende Ausnahme“ gemacht, ist aber keine politische Verpflichtung für die Zukunft eingegangen. Ein Wandel wäre, wenn die Regierung politisch abweichende Meinungen nicht mehr unter Strafe stellen würde. Aber die Gesetze zur Kriminalisierung Andersdenkender gibt es weiterhin, und morgen können die Castros eine neue Welle der Repression lostreten und so viele einsperren wie sie wollen, nur aufgrund der Tatsache, dass diese Menschen eine andere Meinung vertreten als die der kommunistischen Partei.

Y.S.: Sie ist ein willkommener Schritt, aber längst nicht ausreichend auf dem langen Weg, den Kuba in Richtung öffnung und Demokratisierung gehen muss. Dennoch halte ich ihn für wichtig, weil er aufgrund des Drucks der Bürger getan wurde, also Menschen wie Guillermo Fariñas oder den Damen in Weiß, die sich friedfertig für die politischen Gefangenen eingesetzt haben. Katalysator war der traurige Hungertod von Orlando Zapata, der ein großes internationales Echo fand und auch auf der Insel Abscheu und Druck erzeugt hat. Die nächsten Schritte wären der Abbau des Repressionsapparats, des Staatssicherheitsdienstes, die Streichung der Meinungsdelikte aus dem Strafgesetzbuch. Erst das wäre ein Wandel.

Manche sagen, dies ist eine alte Taktik der Regierung, die schon immer mit politischen Gefangenen geschachert hat.

Y.S.: In der Vergangenheit gab es oft Momente der Hoffnung, die dann schnell verpufften. Aber diesmal ist die Lage doch etwas anders. Die Frustration der Menschen hat einen Höhepunkt erreicht, der wirtschaftliche Kollaps ist überall greifbar, der internationale Druck war größer als früher. Daher wird es wohl nicht ganz so einfach für das Regime, unwidersprochen neue Dissidenten einzusperren. Vor allem denke ich aber, dass die Kubaner jetzt wirklich ernsthafte Schritte in Richtung öffnung erwarten. Und es obliegt uns Bürgern, uns freien Journalisten, uns Bloggern, diesen Druck auf kluge Weise aufrechtzuerhalten.

Welche Rolle spielt dabei die radikale Opposition, die hauptsächlich vom Exil aus arbeitet?

R.E.: Sie haben auch ein Recht zu existieren, aber wir vertreten eine viel gemäßigtere Position und zwar aus Überzeugung, weil wir Radikalismus ablehnen. Wir wollen vermeiden, dass Kuba von einem Extrem ins andere fällt, also von einer linken zu einer rechten Diktatur wird. Daher verzichten wir beispielsweise auf verbale Ausfälle und schreiben nie vom „Tyrannen“ Castro sondern vom Präsidenten.

Wieso ist Fidel Castro just im Zusammenhang mit der Freilassung wieder in der öffentlichkeit aufgetaucht?

R.E.: Manche fürchten, dass sein Auftritt bezweckt, mögliche Reformen zu unterbinden. Man könnte aber darin auch eine neue Arbeitsteilung zwischen den Brüdern Castro sehen. Raúl kümmert sich um die Angelegenheiten der Insel, während Fidel die große Gesamtschau liefert und die Ereignisse der Welt kommentiert, so wie es in dem Interview geschehen ist, in dem er mehr oder weniger den bevorstehenden Weltuntergang durch einen Atomkrieg heraufbeschwört.

Y.S.: Keine 24 Stunden nach dem Tod von Orlando Zapata tauchten Fotos von Fidel auf - nach Monaten des Schweigens und Spekulationen über seinen Tod. Es ist also eine Strategie, eine Art Ablenkungsmanöver, ihn in besonders schwierigen Momenten wieder auf die Bühne zu katapultieren. Fidel redete von Iran und einem heraufziehenden Weltkrieg – wo wir doch die eigentlichen Probleme hier auf der Insel haben.

Hat die Wirtschaftskrise bewirkt, dass Kuba jetzt auf die internationale Gemeinschaft zugeht?

Y.S.: Der wirtschaftliche Kollaps ist sicher ein Grund. Die Regierung braucht Kredite und die Kooperation der internationalen Gemeinschaft und musste deshalb dieses Zugeständnis machen. Hinzu kommt, dass der ganze ideologische Apparat am Boden liegt und viel Glanz verloren hat, weil die Regierung nicht mehr in der Lage ist, das Wohlergehen ihrer Bürger sicherzustellen. Unter diesen Umständen ist es schwierig, sich an der Macht zu halten.

Die Vermittlung der Katholischen Kirche im Zusammenhang mit den Freilassungen ist interessant. Ist sie vielleicht der alleinige künftige Ansprechpartner der Regierung in Sachen öffnung – unter Ausschluss der Dissidenten und der internationalen Gemeinschaft?

Die Rolle der Kirche war positiv, denn zum ersten Mal bekam ein kubanischer Akteur außerhalb des Staatsapparats eine Stimme und eine tragende Rolle. Die Kirche hat eine Brücke gebaut, die die Regierung auch künftig nutzen kann. Aber am Verhandlungstisch fehlten natürlich wichtige Vertreter aus der Zivilgesellschaft wie die Damen in Weiß.

Wie arbeiten „freie Journalisten“ wie ihr auf Kuba?

R.E.: Wir haben in letzter Zeit mehr Möglichkeiten dank der neuen Technologien, also vor allem Internet, Blogs und Mobiltelefone. Das und nicht etwa eine politische öffnung hat etwas mehr Raum für Meinungsvielfalt geschaffen. Die kubanischen Medien sind weiterhin verschlossen für Dissidenz.

Auf welche Probleme stoßen „freie Journalisten“?

R.E.: Über uns schwebt ständig ein Damoklesschwert, wir können jederzeit im Gefängnis landen. Wir werden tagaus, tagein überwacht und eingeschüchtert. Agenten der Staatssicherheit statten uns Hausbesuche ab, oder nehmen uns vorübergehend fest, um uns mit Gefängnis zu drohen. Außerdem stellt uns unsere Arbeit vor wirtschaftliche Herausforderungen. Eine Stunde Internetzugang kostet etwa ein Drittel eines Monatsgehaltes. Und dann müssen wir erst einmal in einem Hotel oder Internetcafé einen Computer mit Internet finden. Privathaushalte bekommen nur in Ausnahmefällen einen Internetzugang. Die gleichen Probleme haben natürlich auch unsere Leser, weshalb derjenige, der auf Kuba einen Internetzugang hat, interessante Artikel auf eine CD kopiert und diese dann an Bekannte weiterreicht, die sie wiederum kopieren. So zirkuliert unabhängige Information auf Kuba.


Die Fragen stellte Sandra Weiss.

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