Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
El Salvador |

Die USA müssen ihre Vision vom Hinterhof ändern

El Salvadors Präsident Mauricio Funes über die wirtschaftliche Ausrichtung seiner Politik, die Beziehungen zu den Nachbarländern und die Sicherheitslage in seinem Land.

Setzt El Salvador wirtschaftlich auf Nord- oder Südamerika?

Die früheren Regierungen haben den Fehler gemacht, sich viel zu sehr auf die USA zu konzentrieren. In den zwei Jahren meiner Regierung haben wir unsere Wirtschaftsbeziehungen und unsere Exporte diversifiziert, besonders eng sind die Beziehungen zu Brasilien. Ähnlich wie in Brasilien investieren wir jetzt in die armen Bevölkerungsschichten, damit der einheimische Markt gestärkt wird. Außerdem fördern wir kleinere und mittlere Betriebe und die Landwirtschaft, wo besonders viele Arbeitsplätze entstehen. Wir haben die vor Jahren geschlossene staatliche Entwicklungsbank wieder belebt. Dies ist aus unserer Sicht das erfolgversprechendere Modell, das fortgeführt werden muss.

Führt das nicht zu Spannungen mit US-Präsident Barack Obama?

Als ich mich zum ersten Mal mit ihm getroffen habe, erklärte ich ihm, dass die USA alleine schon aus Eigennutz ihre Vision vom Hinterhof ändern sollten. Uns also nicht nur als Verbündete im Kampf gegen Terrorismus und Organisierte Kriminalität zu betrachten, sondern Pläne zu entwickeln, wie man die Armut bekämpfen kann. Denn wenn Mittelamerika ordentlich wächst, verringert das den Migrantenstrom in die USA, was im Interesse der US-Regierung ist. Mauern und strengere Einwanderungsgesetze sind wirkunglos, wie die Erfahrung gezeigt hat. So lange wir nicht die Lebensqualität in den Heimatländern verbessern, Arbeitsplätze schaffen, in Bildung investieren, wird der Migrantenstrom nicht abschwächen.

Sie sind der erste Ex-Guerillero, der das Land regiert. Der Parteibasis der Nationalen Befreiungsfront Farabundo Marti (FMLN) sind Sie zu moderat, die rechten Unternehmer fürchten, dass sie das Land in einen Sozialismus venezolanischer Art führen. Sitzen Sie nicht zwischen allen Stühlen?

Extremismus, egal welchen Vorzeichens, bringt uns nicht weiter, schon gar nicht in einem so kleinen Land wie El Salvador. Wenn die FMLN von Sozialismus redet, ist damit nicht Kuba gemeint oder Venezuela. Sondern die Suche nach einem gerechteren Modell, in dem die Bevölkerung mehr politische und wirtschaftliche Teilhabe hat. In dem gefestigte Institutionen die Basis für Demokratie sind. Und wenn man sich die Fakten anschaut, und nicht den Diskurs, so hat die FMLN in den beiden Jahren meinen moderaten Kurs stets mitgetragen im Parlament.

Und von rechts?

Unser größtes Problem heute ist die extreme Rechte, gruppiert um die Unternehmerverbände und den radikalen Flügel der rechten Oppositionspartei Arena. Obwohl in zwei Jahren keine einzige Entscheidung in diese Richtung gefällt wurde, fürchten sie noch immer, wir würden das Land in den Sozialismus führen. Aber das ist völlig unbegründet. Der historische Kontext ist anders als zu Zeiten der kubanischen Revolution. Und ein Drittel der salvadorianischen Bevölkerung lebt in den USA. Wir können uns eine Konfrontation mit den USA gar nicht leisten.

Was waren die größten Anfangsschwierigkeiten?

Die Versäumnisse der letzten 20 Jahre haben ein riesiges Erwartungspotenzial aufgestaut. Und es war mir schon im Wahlkampf klar, dass wir die enormen Hoffnungen der Bevölkerung nicht über Nacht erfüllen können. Als wir die Regierung übernommen haben, war El Salvador praktisch pleite, nicht mal für die laufenden Ausgaben war genügend Geld in der Kasse. Durch die internationale Finanzkrise gingen 40.000 Arbeitsplätze verloren. Danach stiegen die Preise für Erdöl und Rohstoffe, die El Salvador importieren muss. Der gesamte Produktionsapparat war desartikuliert, und Lebensmittel, bei denen wir früher Selbstversorger waren wie Reis und Bohnen, müssen wir jetzt importieren - zu teilweise hohen Weltmarktpreisen. Das schafft natürlich Unzufriedenheit beim Verbraucher, der nur die steigenden Preise sieht, nicht aber den Grund dahinter, nämlich eine verfehlte Wirtschaftspolitik. Wir haben zwei Jahre gebraucht, um aufzuräumen. Erst jetzt sind wir so weit, unsere eigenen Vorstellungen umsetzen zu können und eine starke, heimische Wirtschaft aufzubauen.

Aber so schlecht steht es doch gar nicht um die Wirtschaft. Es gibt Banken, Einzelhandelsfirmen und Fluglinien, die regional sehr erfolgreich sind.

Ja, aber das heimische Kapital wird nicht in El Salvador investiert, sondern außerhalb. Deswegen versuchen wir, ausländische Investoren zu gewinnen. El Salvador steht heute sehr gut da und bietet Investoren Rechtssicherheit, Gewaltenteilung, solide Institutionen. Und meine Regierung investiert dieses Jahr 800 Millionen Dollar in Gesundheit und Bildung, da dies wichtige Voraussetzungen für wirtschaftliche Entwicklung sind.

Wie steht es um die Sicherheit? Da ist Mittelamerika ja wieder negativ in die Schlagzeilen geraten.

Wir haben die Sicherheitslage analysiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass die Drogenkartelle hier noch nicht direkt operieren. Es gibt vereinzelt Versuche, Waffen zu kaufen oder Jugendgangs als Drogendealer anzuheuern, aber noch keine großen Operationen. Unter anderem deshalb, weil El Salvador sehr viel kleiner und dichter besiedelt ist als die Nachbarländer. Aber wir müssen auf der Hut sein und in den kommenden Jahren 380 Millionen Dollar zusätzlich für Sicherheit ausgeben. Um die Polizei und die Streitkräfte besser auszurüsten und auszubilden, um die Arbeit der Staatsanwälte und Ermittler zu verbessern, und für unseren neuen Zivildienst, der obligtorisch sein wird für Jugendliche zwischen 16 und 24. Er soll die Jugendlichen dem Dunstkreis der gewalttätigen Jugendgangs entziehen, ist also Prävention. Etwas, das unter den Vorgängerregierungen viel zu kurz kam.

Wie soll das finanziert werden?

Kredite und Entwicklungshilfe halten wir nicht für das probate Mittel, weil sie abhängig machen und rasch zu Ende gehen können. Deswegen hat meine Regierung eine Sondersteuer auf große Vermögen über 500.000 Dollar vorgeschlagen. Dagegen sträuben sich aber die Unternehmer. Ich stelle da bei einigen eine sehr eingeschränkte Sichtweise fest, manche wollen auch einfach nur um jeden Preis die FMLN beschädigen. Viele haben das Konzept einer konstruktiven Opposition noch nicht verstanden.

Spielt da vielleicht auch die mögliche Annullierung der Amnestie für Bürgerkriegsverbrechen durch das Verfassungsgericht mit hinein?

Das ist kein Problem für die Rechte, höchstens vielleicht für Ex-Präsident Alfredo Cristiani (dem die politische Verantwortung für einige Morde vorgeworfen wird) und einigen Ex-Offiziere aus dem Bürgerkrieg. Aber Verbrechen gegen die Menschlichkeit fallen überhaupt nicht unter die Amnestie. Und um die geht es jetzt ja in erster Linie vor den Gerichten. Also die Ermordung von Erzbischof Oscar Arnulfo Romero und der Mord an den Jesuitenpriestern der Katholischen Universität.

Werden Sie die Militärs ausliefern, die ein spanisches Gericht wegen der Fälle angeklagt hat?

Dafür gibt es ein klares, internationales Protokoll. Wenn uns der Haftbefehl per Interpol übermittelt wird, muss die Polizei die Angeklagen festnehmen, dann muss das Oberste Gericht über die Auslieferung entscheiden.

Sie haben noch drei Jahre vor sich. Mit welcher Charakterisierung möchten Sie in die Geschichte eingehen?

Als ein Staatsmann, der den Interessen der Nation gedient hat, nicht Einzelinteressen privatwirtschaftlicher oder parteipolitischer Art. Als jemand, dem es gelungen ist, die Armut und die Kriminalität zu bekämpfen und den Produktionsapparat wieder auf die Beine zu stellen.

Die Fragen stellten Sandra Weiss und Victor Flores

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