Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Brasilien, Haiti |

Die große Illusion

Flüchtlinge aus Haiti zieht es nach Brasilien. Doch der Traum vom Paradies ist schnell ausgeträumt. Foto: Jürgen Escher/Adveniat.
Flüchtlinge aus Haiti zieht es nach Brasilien. Doch der Traum vom Paradies ist schnell ausgeträumt. Foto: Jürgen Escher/Adveniat.

Für viele Bewohner des bitterarmen Karibikstaates Haiti gilt Brasilien als das Gelobte Land. Doch die Erwartungen werden meist enttäuscht. Derzeit sitzen Hunderte Migranten nach einer Odyssee durch halb Lateinamerika in Brasiliens reichster Stadt São Paulo fest und warten auf Arbeit. Sie sind zum Spielball einer innerbrasilianischen Politposse geworden.

Auf dem betonierten Innenhof der katholischen Migrantenpastoral im Zentrum von São Paulo kampieren derzeit rund 100 Haitianer. "Tagsüber versuchen sie, in der Stadt Arbeit zu finden. Nachts kommen sie zurück, um hier zu schlafen", berichtet der Geistliche Antenor Dalla Vecchia. "Aber unsere Räumlichkeiten hier sind keine geeigneten Schlafplätze."

Die Haitianer gehören zu einer Gruppe von 400 Migranten, die vor zwei Wochen aus den überfüllten Auffanglagern im nördlichen Amazonas-Bundesstaat Acre mit einer Militärmaschine nach São Paulo ausgeflogen wurde - ohne die Behörden am Zielort zu unterrichten. São Paulos Regierung schäumte zwar regelrecht vor Wut, will den 100 Campern aber dennoch rasch Arbeitspapiere ausstellen, "damit sie nicht in die Drogenszene oder in Sklavenarbeit abrutschen", so die Justizsekretärin.

Wo die restlichen 300 Personen der Gruppe abgeblieben sind, weiß derzeit niemand genau. Eine rasche Lösung muss her. "Sie haben keine Zahnbürsten, kein Shampoo", berichtet der Haitianer Evenson, der bereits vor zwei Jahren nach São Paulo kam und sich nun um seine Landsleute kümmert. Manchen spendiert er ein Mittagessen; für mehr reicht sein Geld aber auch nicht.

Paradies aus der Ferne

Für Haitianer gilt Brasilien als das Paradies - zumindest aus der Ferne. Brasilianische Soldaten patrouillieren im Rahmen der UN-Blauhelmmission seit Jahren in den Straßen der Karibikinsel, und Brasiliens Regierungspropaganda von Wirtschaftsboom und Vollbeschäftigung locken viele Hoffnungslose.

Dabei ist die Reise ins Gelobte Land teuer. "Ich habe 3.000 US-Dollar gezahlt, um hierherzukommen: all meine Ersparnisse", berichtet Assainth. Daheim habe er besser gelebt als hier auf dem Kirchhof. Andere sollen sogar über 4.000 US-Dollar an Schlepperbanden gezahlt haben. Diese sogenannten "Kojoten" schmuggeln die Haitianer durch den halben Kontinent, meist über die Dominikanische Republik, Panama, Ecuador und weiter nach Bolivien oder Peru - von wo aus dann die brasilianische Grenze nach Acre überschritten wird. "Im Taxi", so hört man hier.

In Acre sind in den vergangenen vier Jahren rund 20.000 Haitianer angekommen. Die überforderte Landesregierung bat in der Vergangenheit mehrfach die Bundesregierung in Brasilia um Hilfe, ohne dass viel passierte. Anfang 2012 verkündete die Regierung zwar eine Schließung der Grenzen für Migranten, freilich ohne Erfolg.

Keine Jobs

Unter den Einwanderern nach Acre sind auch immer mehr Afrikaner, meist Senegalesen. Acres Landesregierung hilft sich nun selbst und setzt die Migranten einfach in Reisebusse, meist in Richtung der Wirtschaftsmetropolen des Südens. Dort gebe es Arbeit auf sie, hören die Migranten beim Abschied.

Doch seit drei Jahren wächst Brasiliens Wirtschaft kaum noch, und trotz offizieller Vollbeschäftigung suchen Millionen Brasilianer nach einem Job. Mit ihnen konkurrieren die Haitianer, ohne gültige Papiere und ohne Portugiesisch zu sprechen.

Auch die Hoffnung auf die versprochenen Arbeitspapiere könnte die Neuankömmlinge trügen. Der 25-jährige Automechaniker Makenson ist mit seinen beiden Brüdern bereits seit Silvester in Brasilien. Und noch immer kampieren sie auf dem Hof der Migrantenpastoral. Arbeit haben sie bislang nicht gefunden, obwohl sie über gültige Visa, Sozialversicherungskarten und Arbeitspapiere verfügen.

Seit Februar 2012 vergibt die brasilianische Botschaft in Port-au-Prince jeden Monat 100 Arbeitsvisa. Geholfen hat es Makenson und seinen Brüder auch nicht. Er bittet um Groschen, um seine Mutter in Haiti anrufen zu können. Sie soll Geld schicken, damit die Brüder weiter nach Santa Catarina im Süden reisen können. Dort soll es dann Jobs für sie geben, aber: "Letztlich weiß nur Gott, was aus uns wird."

Autor: Thomas Milz.

Quelle: KNA.

Weitere Nachrichten zu:

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz