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Peru, Ecuador |

Der halbierte Baum auf dem Berg

Das indigene Volk der Awajún lebt auf peruanischer Seite im Grenzgebiet zu Ecuador. Während das Militär private Wachdienste für eine Minenfirma auf dem Gebiet der Awajún leistet, zuckt sie nur mit den Schultern, wenn Eindringlinge aus Ecuador das indigene Territorium verwüsten. Das könnte sich jedoch ändern, sollte der Awajún Eduardo Nayap Abgeordneter werden, meint Wilfredo Ardito Vega.

Zivile Bedrohung aus Ecuador

Vor wenigen Tagen verkündete die peruanische Regierung voller Zufriedenheit, dass man sich mit Ecuador auf eine Grenzziehung in den Küstengewässern habe einigen können. Nach den absurden Konfrontationen zwischen beiden Staaten vor einigen Jahren scheint es bestens um die bilateralen Beziehungen zu stehen - sowohl was den Handel betrifft als auch den Tourismus.

Trotzdem sehen sich einige Peruaner noch immer einer ernsthaften Bedrohung aus dem Nachbarland ausgesetzt: Die Indigenen des Volkes Awajún prangern bereits seit vielen Jahren das ständige Eindringen von Ecuadorianern auf ihre Territorien an - wobei die Eindringlinge keine Militärs, sondern Zivilpersonen sind.

Einigung mit Regierung Toledo über Schutzgebiete

Die Raubzüge finden im Gebirge Cordillera del Cóndor statt, wo die biologische Artenvielfalt in der Vogelwelt, bei Schmetterlingen, Säugetieren oder Fischen besonders groß ist. Dort befindet sich auch der Hügel Kumpanam, der eine große spirituelle Bedeutung für die Awajún hat und zahlreiche Flüsse entspringen dort.

Im Jahr 2004 einigten sich die Regierung Toledo und die Vertreter der Awajún über die Schaffung des Nationalparks “Ichigkat Muja”, zu Deutsch “Baum des Berges”, des Kommunalen Reservats “Tuntanain” und der “Schutzzone Santiago-Comaine”. Die Indigenen gingen nun davon aus, dass der Staat ihnen schließlich doch Gerechtigkeit widerfahren lasse und ihre Territorien gegen Holzfirmen, Siedler und Bergbau verteidigen würde.

Bergbau und halbiertes Schutzgebiet

Doch als die Regierung García schließlich den Nationalpark Ichigkat Muja schuf, wurde der auf ein wenig mehr als die Hälfte der ursprünglich vereinbarten Fläche von 153.000 Hektar zusammengestrichen. Grund dafür war der Druck des Bergbauunternehmens Afrodita, das vom Ministerium für Energie und Bergbau unterstützt wird. “Wir Awajún leben hier seit Jahrhunderten, doch die Regierung zieht es vor, eine Bergbaukonzession an ein Minenunternehmen zu vergeben”, sagte daraufhin ein befreundeter Awajún zu mir.

Die Proteste der Indigenen, die sich 2009 in dem Konflikt von Bagua zuspitzten der schließlich mehrere Tote forderte, veranlassten die Regierung, die Konzession für Afrodita wieder zurückzuziehen. Trotzdem agiert das Unternehmen in dem Gebiet und - noch viel gravierender: Es gibt einen Vertrag mit den lokalen Militärkasernen, die dem Unternehmen gegen Geld bewaffneten Schutz bieten.

Fischen mit Dynamit und Gift

Für die Awajún ist es fatal, dass das Militär private Sicherheitsdienste leistet, während das Eindringen von Dutzenden Ecuadorianern auf peruanisches Territorium nur ein Schulterzucken zur Folge hat. Die Eindringlinge jagen Wild auf dem Land der Awajún und verkaufen das Fleisch der Tiere in Ecuador, wo die Tierwelt des dortigen Amazonasraums durch eine aggressive Siedlungspolitik und zahlreiche Bergbauaktivitäten fast verschwunden ist.

Und sie fischen mit Dynamit und dem pflanzlichen Fischgift Barbasco - beides ist nach peruanischem Gesetz verboten. Einige Ecuadorianer fällen Bäumen für die Holzwirtschaft oder den informellen Bergbau und hausen dafür 15 bis 20 Tage in Zeltsiedlungen der besagten Gebiete.

Staat drückt beide Augen zu

Die Leiter der Naturschutzgebiete und die Parkschützer sind allesamt Awajún, die gegen die Eindringlinge nicht viel ausrichten können: es mangelt ihnen an politischer Unterstützung und mit einem Staatsanwalt oder Richter, der die Ecuadorianer verhaften würde, können sie noch viel weniger rechnen. Die Eindringlinge sind oft bewaffnet und drohen, die Parkschützer auf dem Territorium der Awajún umzubringen. Die Kartuschen für die Waffen kaufen die Räuber übrigens auf peruanischer Seite, weil sie dort viel billiger sind.

Die Awajún haben mehr Präsenz des Staates gefordert, sowohl für die Kontrolle der Einwanderung als auch zur Verhinderung der illegalen Ausfuhr von Wild und Holz. Doch üblicherweise bedeutet eine Übersiedlung in einen Grenzabschnitt am Fluss Santiago für viele Funktionäre aus der Hauptstadt Lima oder aus der Provinzhauptstadt Chachapoyas nur wenig mehr als die Verbannung... allerdings könnte man die Awajún selbst dafür ausbilden, als Beamte beim Zoll oder den Migrationsbehörden zu arbeiten. Wer es noch nicht weiß: Es gibt bereits zahlreiche Awajún, die an peruanischen und ausländischen Universitäten studiert haben.

Indigener Abgeordneter aus Amazonasgebiet

Einer von ihnen ist Eduardo Nayap, Soziologe, Theologe, evangelischer Pfarrer und der erste Indigene Amazoniens, der je als Abgeordneter in den peruanischen Kongress gewählt wurde. Die Position von Nayap könnte entscheidend dafür sein, dass sich der Staat mit den Forderungen der mehr als 300.000 Indigenen des Amazonasgebiets auseinandersetzt.

Nur weiß Nayap noch nicht, ob er den Posten auch erhalten wird: innerhalb seiner eigenen Partei (dem Wahlbündnis "Gana Perú" von Präsidentschaftsanwärter Ollanta Humala) hat der gegenwärtige Abgeordnete José Maslucán, der sich zur Wiederwahl gestellt hatte, die Wahl von Nayap mit wenig überzeugenden Argumenten angefochten. Viele Awajún fürchten, dass Afrodita hinter diesem Vorgehen steht und sich damit größere Aktionsfreiheit sichern will. In den kommenden Tagen wird der Nationale Wahlrat die strittige Frage entscheiden und man kann sich gut vorstellen, dass es heftige Konflikte geben dürfte, sollte der Wahlsieg von Nayap annulliert werden.

Binationaler Umweltschutzplan

Der Regierung des noch amtierenden Präsidenten García stellen die frustrierten Awajún klare Forderungen: Sie wollen die endgültige Rücknahme der Bergbaukonzession für die Firma Afrodita und alle weiteren Minenunternehmen, die Wiederherstellung der Originalgröße des Nationalparks Ichigkat Muja und keine weiteren ecuadorianischen Eindringlinge auf ihrem Territorium. Angesichts der momentan so hervorragenden Beziehungen zwischen Peru und Ecuador böte sich die Ausarbeitung eines binationalen Plans zum Umweltschutz an.

Die Regierung, die am kommenden 5. Juni - auf den Tag genau zwei Jahre nach der Tragödie von Bagua - gewählt wird, hat sich der Herausforderung zu stellen, das Vertrauen der peruanischen Staatsbürger des Volkes der Awajún wieder zu erlangen und dafür zu sorgen, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt.

Autor: Wilfredo Ardito Vega in Adital; Deutsche Bearbeitung: Bettina Hoyer

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