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Argentinien |

Der etwas andere Schutzheilige

Im armen Hafenviertel La Boca der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires steht unter einem Vordach die kleine Statue eines Mannes mit Schnauzbart und langem, gewelltem Haar. Blaues Hemd, rotes Halstuch. Vor ihm brennt eine Kerze, liegen Zigarettenstummel, daneben steht ein Glas Rotwein. Auf der nahe gelegenen Straße fahren Autos vorüber; viele von ihnen hupen auf Höhe des Altars. Die Menschen, die auf dem Gehsteig vorbeigehen, bekreuzigen sich. Der viel verehrte Mann unter dem Vordach ist Gauchito Gil, einer der bedeutendsten Volksheiligen Argentiniens und Schutzpatron der Autofahrer. Zahllose solcher Altäre stehen am Rande der Autorouten des südamerikanischen Landes.

Der argentinische Robin Hood

"Gauchito Gil war ein argentinischer Robin Hood", erzählen Alessandro und Daniel. Der 25-Jährige und der 29-Jährige leben in La Boca und verehren Gauchito Gil zutiefst. Täglich bringen sie dem Volksheiligen Wein und Zigaretten als Opfergaben. "Gauchito Gil rauchte, trank und feierte gerne", erklärt Daniel, der auch bei sich zu Hause einen Altar für den "Heiligen" errichtet hat. Er bewundert Gauchito Gil "für das, was er tat und war".

Darüber, wer Gauchito Gil tatsächlich war, kursieren verschiedene Versionen. Wenig davon ist sicher. Antonio Mamerto Gil Nunez soll der Landarbeiter und Cowboy - in Argentinien "gaucho" genannt - tatsächlich geheißen haben. Etwa um 1840 sei er in der Provinz Corrientes nördlich von Buenos Aires geboren und 1878 ermordet worden, heißt es.

Heiliger der Armen und Ausgeschlossenen

Ein Krieg - die Geister scheiden sich, ob es sich um den Paraguay oder um den argentinischen Bürgerkrieg handelte - sollte Gauchito Gils Schicksal werden. Die Militärs wollten den Landarbeiter einziehen, er aber desertierte. Seine Worte: "Ich töte meine Brüder nicht." Als Deserteur erwartete ihn die Todesstrafe. Nachdem die Armee seinen Besitz beschlagnahmt hatte, zog Gauchito Gil über die Felder und stahl Großgrundbesitzern Rinder und andere Nahrungsmittel. Einen Teil davon gab er den Armen.

Besonders unter den sozial Schwachen in der argentinischen Bevölkerung wird Gauchito Gil deshalb verehrt. Viele nennen ihn den Heiligen der Armen und Ausgeschlossenen. Aber er hat auch einen Ruf als der Heilige der Kriminellen. Daniel und Alessandro lachen verschmitzt. Wie sie ihr Geld verdienen, wollen sie nicht preisgeben. Eines aber stellen sie klar: Als Anhänger von Gauchito Gil würden sie auf das Einhalten eines Ehrenkodex viel Wert legen.

Hupen um unfallfrei ans Ziel zu kommen

Die Zahl der Gauchito-Anhänger nimmt jährlich zu, auch in Argentiniens Mittelklasse. Das hat unter anderem damit zu tun, dass dem Volksheiligen nachgesagt wird, er könne Wunder wirken. Das erste geschah der Legende nach 1878: Als die Armee Gauchito Gil schließlich fassten, knüpften sie ihn mit den Füßen an einem Baum auf. Als ein Unteroffizier das Messer ansetzte, um ihm die Kehle durchzuschneiden, sagte der Cowboy zu seinem Henker: "Dein Kind liegt zu Hause schwer krank im Bett." Der Vater könne den Sohn nur retten, wenn er ihn - Gauchito Gil - anbete; er sterbe nämlich unschuldig. Der Mann glaubte ihm nicht, tötete ihn und ging nach Hause. Dort lag sein Sohn tatsächlich im Sterben. Er tat wie ihm geraten und betete zu Gauchito Gil. Das Kind wurde wieder gesund, so die Legende.

Seither pilgern jedes Jahr zahlreiche Menschen am 8. Januar - dem Todestag Gauchito Gils - zu seinem Grab in Corrientes. Sie bringen ihm Opfergaben und bitten um verschiedenste Dinge. Gehen ihre Gebete in Erfüllung, müssen sie "zahlen" - das, was sie im Stillen versprochen haben. An den Landstraßen sind die Gläubigen angehalten, bei jedem Gauchito-Gil-Altar zu hupen, um unfallfrei ans Ziel zu kommen.

Die katholische Kirche erkennt Gauchito Gil nicht als einen Heiligen an. Den Katholiken Daniel und Alessandro ist das egal. Da sich der Kult freilich ungebremst wächst, sucht die Amtskirche nach neuen wegen, die Verehrung des Volksheiligen zu kanalisieren. Zuletzt wurde an seinem Todestag für die Pilger in Corrientes eine Messe gefeiert. Neben dem Gauchito-Gil-Altar wurde ein großes Kreuz aufgestellt.

Autorin: Camilla Landbö, KNA

 

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