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Venezuela |

Das Ende einer Epoche

Lilian Tintori (links), Ehefrau des inhaftierten Oppositionspolitikers Leopoldo López, feiert in Caracas zusammen mit den Spitzenkandidaten der im Oppositionsbündis vereinten Parteien, den Wahlsieg. Foto: Reuters
Lilian Tintori (links), Ehefrau des inhaftierten Oppositionspolitikers Leopoldo López, feiert in Caracas zusammen mit den Spitzenkandidaten der im Oppositionsbündis vereinten Parteien, den Wahlsieg. Foto: Reuters

Mit einem klaren Sieg der bürgerlich-konservativen Opposition sind die Parlamentswahlen in Venezuela zu Ende gegangen. Wie die Präsidentin des nationalen Wahlrats, Tibisay Lucena, mitteilte, entfielen auf die im Bündnis "Mesa de la Unidad Democrática" (MUD) vereinte Opposition mindestens 99 der 167 Mandate. Für eine Zweidrittelmehrheit fehlen dem Bündnis allerdings noch 12 Stimmen.

Der als "Oficialismo" bezeichnete Regierungsblock, bestehend aus der sozialistischen Partei und mit ihr kooperierender Parteien, erlitt eine Niederlage - damit wird Präsident Nicolás Maduro auf Kompromisse angewiesen sein. Die Sozialisten eroberten nach Angaben der Wahlkommission lediglich 46 Mandate. Bei den weiteren Mandaten - insgesamt 22 - waren die Mehrheiten noch unklar. Von diesen 22 Mandaten fallen 17 direkt gewählten Kandidaten zu, zwei werden per Liste vergeben und die übrigen drei sind indigenen Vertretern vorbehalten.

Offenbar haben Venezuelas in die Jahre gekommenen Revolutionäre im Rausch der 16 langen Jahre an der Macht ihr eigenes Volk unterschätzt. Denn jetzt gibt es eine Art Patt, eine Konstellation, die Kompromisse und Zugeständnisse von den beiden tief verfeindeten Lagern erfordert. Sozialistische Regierung und bürgerliche Opposition müssen aufeinander zu gehen, müssen den Hass der letzten Jahre überwinden und versuchen einen Weg zu finden, das Land aus der tiefen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Krise zu führen. Ob und wie das gelingen soll, wenn ein Teil der Führungsfiguren der politischen Mehrheit im Kerker sitzt, wird eine der spannenden Fragen der nächsten Monate werden. Genau aber das ist des Wählers Auftrag.

Bischof: "Stil der Sprache ändern"

In einer ersten Reaktion rief Erzbischof Robert Lückert die neu gewählten Parlamentarier auf, gemeinsam an der Lösung der Probleme zu arbeiten. "Das erste, was die neugewählte Versammlung tun muss, ist, den Stil der Sprache zu ändern, um nicht mehr zu diskriminieren und auszuschließen", twitterte der Erzbischof von Coro noch in der Nacht. Die Venezolanische Bischofskonferenz hatte zuvor erklärt, ganz gleich wie die Wahlen ausgehen, der Urnengang werde gravierende Konsequenzen für das Land haben.

Gerade mal ein Drittel der Venezolaner haben der bis dato regierenden PUSV ihre Stimme gegeben. Für Präsident Nicolas Maduro, der selbst nicht zur Wahl stand, ist das ein katastrophales Ergebnis. Der ehemalige Busfahrer wird sich die Frage stellen müssen, ob es für seine Partei nicht besser ist, mit einem Rücktritt den Weg für eine inhaltliche und personelle Erneuerung frei zu machen. Maduros erste Reaktion macht allerdings wenig Hoffnung: Er machte einen "Krieg der Wirtschaft" gegen das venezolanische Volk für die Wahlniederlage verantwortlich. Genau aber wegen solcher weltfremden und bizarren Parolen hat ihm eben jenes Volk das Vertrauen entzogen. Und auch an der roten Parteibasis ist die Wut über so wenig Selbstkritik groß.

Herausforderung: Erneuerung der Institutionen

Vieles wird sich nun ändern in Venezuela. Vor allem die einseitige Zusammensetzung der staatlichen Institutionen dürfte eine dringend notwendige Überarbeitung erfahren. Ob Justiz, Armee, staatliche Medien - nahezu alle Behörden haben die 16 Jahre lang regierenden Sozialisten einseitig dominiert. Für die andere Hälfte des Volkes, die bei den Parlamentswahlen vor vier Jahren sowie bei den Präsidentschaftswahlen zwar die Hälfte der Stimmen gewann, war kein Platz. Dass hat das venezolanische Volk nun mit seinem Votum geändert. Aus dem Parlament heraus wird die bürgerlich-konservative Mehrheit nun dafür sorgen, dass dieser jahrelang ausgesperrte Teil des Wahlvolkes seine Präsenz erhält. "Wir wollen keine Gewalt, wir wollen keinen Hass, wir wollen Versöhnung", sagte Lilian Tintori, Ehefrau des inhaftierten Oppositionspolitikers Leopoldo Lopez am Wahlabend unter dem Eindruck des Sieges.

Lilian Tintori: "Wir wollen Versöhnung"

Nun muss die Opposition liefern müssen. Bislang hat das intern nicht immer einig auftretende Oppositionsbündnis seine Kraft vor allem daraus gezogen, einen gemeinsamen politischen Gegner zu besitzen. Wenn es darum geht, inhaltliche Alternativen für einen Weg aus der Krise aufzuzeigen und vielleicht schon bald einen Spitzenkandidaten für eine Präsidentschaftswahl zu nominieren, dürften allerdings die Fliehkräfte zu wirken beginnen. Deswegen haben die Opposition aber nicht die Stimmen vieler vom Sozialismus bitter enttäuschten Venezolaner erhalten. Es sind jetzt Problemlösungen gefragt. Und die heißen endlich wieder volle Regale, weniger Kriminalität, die Freilassung der politischen Gefangenen und Investitionen in die marode Wirtschaft, egal wie lange der Präsident noch Nicolas Maduro heißt.

Autor: Tobias Käufer, Bogotá

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