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Atlas über indigene Sprachen und Kultur erschienen

Lateinamerikas Vielfalt ist in Gefahr. Über 26 Prozent der 420 Sprachen, die heute von den 28,8 Millionen Indigenen – etwa sechs Prozent der Gesamtbevölkerung - gesprochen werden, sind vom Aussterben bedroht. Zu diesem alarmierenden Schluss kommt der vergangene Woche in Madrid vorgestellte Atlas zur sozio-linguistischen Lage der indigenen Völker Lateinamerikas. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), Spaniens Entwicklungsbehörde AECID und die »Stiftung Bildung in multilinguistischen und plurikulturellen Kontexten« (FUNPROEIB Andes) hatten die erste Publikation dieser Art überhaupt erstellt.

Der Atlas zeige die »enorme Schönheit und den Reichtum der indigenen Welt«, so Consuela Crespo Bofill, UNICEF-Repräsentantin auf der iberischen Halbinsel. »Der Atlas bringt uns außergewöhnliche Informationen über die Realität der indigenen Völker, ihre Kinder und Jugendlichen in jeder Region, was es uns ermöglicht, unsere Programme für Kultur und Sprache zu verbessern«, so Crespo Bofill. In Lateinamerika war der Atlas bereits Anfang des Jahres im Kolumbien präsentiert worden.

Lob aus Bolivien

Lob für das Kartenwerk kommt auch aus Bolivien. Rund 60 Prozent der zehn Millionen Einwohner bezeichnen sich hier selbst als »indigen«. Damit zählt das Andenland mit dem höchsten Indigenenanteil des ganzen Kontinents.

»Bisher hatten wir nicht einen einzigen wirklich fundierten Bericht über Zustand und Lage der indigenen Völker was Kultur, Bildung, Linguistik, Wirtschaft, Demographie und Soziales angelangt«, weiß Walter Gutiérrez, aktueller Leiter der Abteilung für Interkulturelle Fragen im Erziehungsministeriums seines Landes, ob der praktischen Nützlichkeit der wissenschaftlichen Studie. Der Atlas, der Informationen von Volkszählungen aus 21 Nationen von Patagonien bis Mexiko zusammenfasst und über 522 indigene Völker verzeichnet, sei ein »nützliches Instrument um ganzheitliche Politiken zum Schutz der Interessen Indigener« zu planen, so Gutiérrez, der selbst Aymara vom bolivianischen Altiplano ist. Die »breite Sicht« des Atlas stelle zweifelsohne »einen Fortschritt« dar.

Komplexe ethnische Vielfalt

In der Tat bietet der Atlas, an dem über 34 Sprachwissenschaftler, Soziologen und Anthropologen in 14-monatiger Arbeit mitwirkten, ein differenzierteres Bild als bisher zur Verfügung stand. Schnell wird klar, dass Indigenität nur ein generalisierender Sammelbegriff sein kann, komplex ist die ethnische Vielfalt Lateinamerikas. So gehen die Darstellungen des Atlas über die Grenzen der Nationalstaaten hinaus, was differenzierte Perspektiven eröffnet. Viele indigenen Gemeinden etwa haben trotz nationaler Trennung ihre kulturelle Einheit bewahrt.

Allerdings unterscheiden sich indigene Völker, die auf demselben Staatsgebiet liegen, oft in größerem Maße als die zweier verschiedener Länder. Das ist der Fall in Peru zwischen dem Volk der Wampis im Amazonas und den Quechua der Anden. Viel enger verbunden fühlen sich die Wampis verbunden mit den Shuar aus dem benachbarten Ecuador. Warum, das zeigt ein Blick auf die Karten: Beide Völker teilen dieselbe Sprachfamilie.

Schwerpunkt sprachliche Vielfalt

Die sprachliche Vielfalt ist Schwerpunkt. Die größte linguistische Vielfalt gibt es mit 247 Sprachen in Brasilien. El Salvador ist das Land mit der geringsten Bandbreite, nur drei Idiome wurden ausgemacht. »In nicht einem Land, das wir untersucht haben, gibt es keine indigene Bevölkerung, nicht einmal in Uruguay«, so Inge Sichra, österreicherische Soziolinguistin und FUNPROEIB-Mitarbeiterin. Das ethnisch vielfältigste Gebiet sei der Amazonas (216 Völker), gefolgt von Mittelamerika (77) und dem Orinoko (41). 87 Prozent aller Indigenen lebe mit Bolivien, Mexiko, Peru und Kolumbien in nur vier Staaten. Quechua, Nahualt, Aymara, Maya und Ki´che sind die zahlenmäßig größte Gruppe. Mit zwischen einer halben und einer Million Mitglieder folgen die Mapuche, Mayaq´eqchi´, Kaqchikel, Mam, Mixteco und Otomí. » 103 indigene Sprachen, ein Viertel aller Gebrauchssprachen, werden in zwei oder mehreren Ländern gesprochen, wobei Quechua ein Sonderfall ist, das in sieben Ländern gesprochen wird«, so Sichra.

Aufgabe der Muttersprache durch Migration

21 Sprachen sind derweil akut vorm Aussterben bedroht. Migration aus wirtschaftlichen Motiven oder wegen gewalttätiger Konflikte (Kolumbien) in die Städte und Ballungszentren sei der wichtigste Grund für das Aufgeben der Muttersprache. Dieser Trend wird verstärkt durch die Tatsache, dass fast ein Fünftel der indigenen Gemeinden den Gebrauch ihrer Sprache aufgegeben hat. »Es handelt sich um 44 indigene Völker, die als einzige Sprache Spanisch gebrauchen, und um 55 Völker, die nur Portugiesisch benutzen«, alarmiert der Atlas. Dagegen würden nun Maßnahmen getroffen. Den Ausschlag zur Ausarbeitung des Kartenwerks hatte die Deklaration über die Rechte der indigenen Völker der Vereinten Nationen im September 2007 gegeben.

Autor: Benjamin Beutler

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